Andrea SchönenbornDarum habe ich als Frau abends Angst in Köln

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Andrea Schönenborn (40) ist Sängerin der Funky Marys.

Köln – Ehrlich, schonungslos offen: Nach den Vorfällen am Ebertplatz (hier mehr lesen) schreibt Sängerin und WDR-Moderatorin über ein Gefühl der Unsicherheit, das viele Frauen in Köln leider nur zu gut kennen: Angsträume.

„Angsträume. Was für ein Wort in einer Stadt wie Köln. Bunt, tolerant, hilfsbereit – sind das nicht eigentlich die Synonyme, mit denen unsere Heimatstadt sonst in aller Welt in Verbindung gebracht wird?

Lange wollte ich diesen Begriff eigentlich nicht gelten lassen für mein Köln. Insbesondere als Frau. Umso schwerer fällt mir aber, dass ich mittlerweile zugeben muss: Ja, es gibt Angsträume in Köln. Die Erlebnisse rund um den Ebertplatz und an Halloween haben nur noch einmal verdeutlicht: Wir müssen jetzt etwas tun gegen diese Zustände.

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Kurze und knappe Röcke

Lassen Sie mich, liebe EXPRESS-Leser, kurz ausholen: Als Sängerin im Kölner Karneval trete ich seit über 15 Jahren mit den Funky Marys auf.

Zugegeben: Unsere Röcke sind kurz und knapp, der ein oder andere Songtext ist auch schon mal eindeutig „zweideutig“. Aber: In all den Jahren, die wir im Karneval unterwegs waren, hatte ich nicht ein einziges Mal das Gefühl von Unsicherheit oder gar das Problem, dass „Föttchesföhler“ ihre Grenzen nicht kennen.

Warum ich Ihnen das erzähle? Als Frau bin ich es gewohnt, wenn ich mit dem ein oder anderen Klischee spiele. Aber eben bis zu einer klaren Grenze, die niemals überschritten wird und werden darf.

Aber es gibt in Köln ein Leben nach dem Karneval: Oft bin ich nach den Auftritten oder zu anderen gesellschaftlichen Anlässen (wohl gemerkt in ganz normalen Klamotten und nicht in Bühnenoutfit) noch mit der Straßenbahn nach Hause gefahren.

Explosive Mischung

Ohne zu pauschalisieren, hat sich bei mir ein Bild eingeprägt: Insbesondere spät abends liegt oft eine ziemlich explosive Mischung aus betrunkenen Männern und teils aggressiven Jugendlichen in der Luft.

In meinen Augen hat sich das in den letzten zwei, drei Jahren enorm zugespitzt. Vor dem Nachhauseweg habe ich Angst als Frau. Man möge es mir nachsehen – aber deshalb setze ich mittlerweile auf das Taxi.

Ich meide die Ringe mittlerweile in Gänze, wenn ich alleine unterwegs bin. Und leider bekommen mich keine zehn Pferde mehr alleine über den Ebertplatz.

Oft habe ich gehört: „Mach doch einen Selbstverteidigungskurs!“ Keine schlechte Idee: Aber erzählen Sie mir mal, wie ich eine Gruppe von halbstarken Männern auf dem Heimweg mitten in der Nacht noch in die Flucht schlagen soll?

Ich ziehe mich zurück

Es tut mir weh, wenn ich das sagen muss: Aber in Sachen Sicherheit habe ich als Frau momentan aufgegeben in dieser Stadt. Ich ziehe mich zurück, wäge abends jeden Weg ganz genau ab. So etwas kann wütend machen, denn eigentlich kann und will ich Köln auch als Frau so nicht aufgeben.

Oft habe ich überlegt, wie man als Bürger diese Situation ändern kann. Um letztlich zu dem Schluss zu kommen: überhaupt nicht!

Denn die Fehler für diese Situation sind meines Erachtens in der Vergangenheit gemacht worden: Der „schlanke Staat“ wirkt sich heute dahingehend aus, dass die tollen Polizisten und Hilfskräfte auch in Köln mangels Personal überlastet sind.

Sie tun, was sie können: Aber um den Bürgern ein neues Gefühl von Sicherheit in Köln zu geben, hilft meines Erachtens nur die erhöhte Präsenz der Einsatzkräfte in Absprache mit der Stadt Köln.

Ich bin der festen Überzeugung, dass bestimmte Areale in der Stadt so wieder sicher gemacht werden können. Damit sich die Kölner ihre Stadt auch am späten wieder zurückerobern können, hilft zudem nur „Null Toleranz“ gegenüber Räubern, Störenfrieden und Pöblern.

Aber das kann letztlich wohl nur die Politik mit härteren Gesetzen und die Justiz in der Ausführung entscheiden.

Ich habe die Hoffnung, dass sich diese Zustände auch noch einmal grundlegend verändern.

Auch wenn das Wegschunkeln von Sorgen wohl noch nie so wirklich geholfen hat, möchte ich Ihnen trotzdem zwei Artikel des Rheinischen Grundgesetzes mit auf den Weg geben: „Et es wie et es“. Aber, und das ist das Schöne: „Et hätt noch immer jot jejange.“

Ich wünsche Ihnen ein schönes und vor allem sicheres Wochenende in und um Köln!“

Liebe Leserinnen und Leser, Ihre Meinung ist uns wichtig: Welche Orte in Köln meiden Sie? Welche Straßen oder Plätze bezeichnen Sie als Angsträume? Schreiben Sie uns unter: koeln@express.de

(exfo)