Kult-Lokale Teil 9„Venus Celler“: Kölns Endstation – stocknüchtern nicht zu ertragen

von Markus Krücken (krue)

Köln – Kölns Kneipen und Gaststätten sind Schauplätze kleiner und großer Geschichten. In der  EXPRESS-Serie „Kölns Kult-Lokale“ geht es nach dem „Chlodwig Eck“, dem Promi-Italiener „Ristorante Luciano“,  dem Künstlercafé „Kurfürstenhof“, dem  Ehrenfelder „Kebapland“, dem „Klein Köln“, dem „Stiefel“, dem „Marienbild“ und der SPD-Kneipe„Rote Kapelle“ um eine berüchtigte Absteige...

Es sind 18 Stufen, die hinabführen in den Venus Celler (sprich: Venuskeller). Für manche Nacht, die hier verbracht wurde, galt am nächsten Tag: Tiefer konnte man nicht  sinken.

Denn wenn nichts mehr geht in der Stadt, im Venus Celler geht immer was. Da darf, da muss das Niveau sinken und die Hemmschwellen dazu. Das Lokal am Zülpicher Platz lebt von seinem Ruf, Kölns Endstation für Nachtschwärmer zu sein. Mehr noch: Es ist sein Erfolgsmotto.

Ein großer Held der Partynächte hört entsprechend auf den Namen „Big Ballermike“. Muskelbody, Proll-Shirt, graue Jogging-Botz, Haare vorne lang und hinten kurz. Der Vokuhila-Mann und Spaßsänger hängt am Tresen ab und ist in seinem Element: „Wenn ich hier bin, ist das ein Heimspiel für mich. Ich habe hier selbst zahlreiche Nächte durchgezecht.“

Venus Celler

Adresse: Zülpicher Platz 6

Gegründet: 1986

Betreiber: seit 2010 ist Julia Pilz eine von drei Inhabern

Publikum: hartgesottene Nachtschwärmer, die noch was erleben wollen

Seit 1986 jeden Tag ab Mitternacht

Wenn es Nacht wird in Köln und in fast allen Lokalen die Stühle hochgestellt werden, sperrt der „Venus Celler“ (angelehnt ans Englische)  seine Tür auf. Seit 1986. Jeden Tag. Immer ab Mitternacht. Erst am frühen Morgen ist Schluss, manchmal sogar erst mittags.

21 Mitarbeiter sorgen für den täglichen Betrieb. „Hier hast du total gemischtes Publikum, hier ist keiner zu cool. Hier kommen Leute her, die bis morgens um 10, 11 Uhr Gas geben“, sagt „Big Ballermike“ und posiert fröhlich mit einer Flasche Wodka.

„Ich find den Laden top! Hier ist richtig Leben drin. Keine Ahnung, welche Körperflüssigkeiten im Holz stecken, da kannst du DNA von 1000 Menschen rausholen.“

Kölns charmanteste Absteige

Der Laden ist buchstäblich eine Absteige. Mitinhaberin Julia Pitz steht am Tresen und erklärt es schonungslos offen.

„Klar, wir gelten als Resterampe. Erst lachen die Leute draußen und machen sich lustig, aber paar Stunden später stehen sie selbst kleinlaut in der Schlange und wollen rein.“

Und weiter: „Du wirst hier nie einen Schicki-Micki-Laden machen können. Die Wandbemalung ist seit 30 Jahren dieselbe, hier wird nichts verändert. Die Leute mögen das so. Ich mache das aus absoluter Überzeugung.“

Oft gibt's einen Männer-Überschuss

Tatsächlich: Die vergilbte „Venus“ an der blauen Wand, die rustikale Einrichtung stammen noch aus dem Eröffnungsjahr 1986. Es gibt noch immer nur eine einzige Damentoilette. Vor allem Männer kommen hierhin, wenn sie woanders vorher Gas gegeben haben.

Im „Venus Celler“ versucht man daher, den Frauenanteil bei den Gästen zu erhöhen. „Wir versuchen, die Waage zu halten. Klar, es ist schwer. Du hast hier Abende, da kommen nur Männer. Wir versuchen, die Frauen auch ein bisschen zu bevorteilen. Aber: Es gibt natürlich auch viele Frauen, die sagen: Spitze, hier habe ich freie Auswahl. Jackpot“, sagt Pitz.

„Entweder du liebst oder hasst den Laden“

Nicht nur Studenten steigen hier ab, betont die Chefin: „Die Gäste sind zwischen 18 und 55. Einfach breit gemischt. Hier ist es egal, ob du Anzugträger bist oder tagsüber am Aachener Weiher abgehangen hast.“

Für den Keller muss man gemacht sein. „Entweder du liebst oder hasst den Laden. Ein Mittelding gibt es nicht“, sagt die sympathische Blondine.

„Am ersten Arbeitstag bin ich selbst fast heulend nach Hause. Aber man kann sich auch an so was gewöhnen. Wer wirklich nüchtern sein muss, ist der Einlass. Hier unten trinken wir gerne eins mit, manchmal ist es auch förderlich fürs Geschäft. Stocknüchtern ist es nicht zu ertragen.“

Viele Paare lernten sich im Keller kennen

Stolz sind die Betreiber vor allem darauf, wie viele Paare sich schon in den urigen Katakomben gefunden haben.

„Leute, die sich hier kennengelernt haben, haben schon Hochzeiten hier gefeiert.“ Das ist das Stichwort für Big Ballermike: „Ich habe meine Freundin auch hier kennengelernt, vor fünf Jahren. Bei der wohne ich jetzt sogar.“

Zweimal ist der Bodybuilder, der 80er-Hits auf Kölsch intoniert, bislang im Keller aufgetreten, bald will er seine Fangemeinde wieder aktivieren: „Bei meinen Konzerten liegt der Frauenanteil bei 5 Prozent. Es ist natürlich eine Neandertaler-Veranstaltung der Extraklasse.“

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