Ausnahmezustand in KölnBomben-Entschärfer mit Klartext: „Das ist Zeit, die Leben kosten könnte!“

Köln im Ausnahmezustand: Gleich drei Weltkriegsbomben sorgen dafür, dass die Stadt in Aufruhr ist. Mehr als 20.000 Menschen waren betroffen – die größte Evakuierung seit 1945. Ein Sprengmeister erklärt, worauf es ankommt.

von Martin Gätke  (mg)

Die drei Bomben wurden bei Bauarbeiten entdeckt, der Evakuierungsradius beträgt 1000 Meter. Nur zwei Experten des Kampfmittelräumdienstes dürfen sich am Ende nach der Freigabe zur Entschärfung am Mittwoch (4. Juni) dort aufhalten – für die Entschärfung der Bomben.

Der Hamburger Sprengmeister Michael Hein hat bei „ZDFheute live“, dem Online-Angebot des ZDF, erklärt, worauf es jetzt ankommt. Weil gleich drei Bomben mit einer entsprechenden „Explosivstoffmasse“ gefunden worden sind, sei der Gefahrenbereich eben auch so groß.

„Deshalb behalten die Bomben ihre Gefährlichkeit“

Was macht die Bomben so gefährlich? „Sie liegen tief in der Erde, in sauerstoffarmen Schichten. Da gibt es keine Korrosionsprozesse“, erklärt Hein. „Der Sprengstoff bleibt einigermaßen stabil, alles ist gut konserviert, auch alle wichtigen Teile im Inneren. Deshalb behalten die Bomben ihre Gefährlichkeit.“

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Besonders riskant: chemisch-mechanische Langzeitzünder. Die Blindgänger in Deutz haben sogenannte Aufschlagzünder. Dieses System explodiert direkt nach dem Aufschlag am Boden. Langzeitzünder sind jedoch wesentlich bedrohlicher – sie explodieren nicht beim Aufschlag. Eine Säure löst zeitversetzt die Detonation aus.

„20 Minuten, 13 Stunden, alles ist möglich“

Diese Langzeitzünder haben eine Ausbausperre, die können nicht so einfach ausgebaut werden wie Aufschlagzünder. „Das ist für uns ein großes Problem“, so Hein. Viele Faktoren seien da entscheidend, zum Beispiel auch, wie die Bombe in der Erde liegt. „Wenn ein Bagger das Ding bewegt, dann könnte die Ampulle mit der Säure beschädigt werden – da ist Eile geboten. Es ist dann erforderlich, dass man keine Zeit verliert. Das ist Zeit, die dem Entschärfer das Leben kosten könnte!“

Wie lange kann eine Entschärfung dauern? „Manche Entschärfungen dauern 20 Minuten, manche 13 Stunden, alles ist möglich!“

Bei jeder Bombe – egal ob Langzeit- oder Aufschlagzünder, müsse man zunächst vom Worst-Case-Szenario ausgehen, so der Sprengmeister. „Man muss immer davon ausgehen, dass etwas passiert. Deshalb müssen Vorkehrung getroffen werden, sodass keine unbeteiligten Personen zu Schaden kommen.“

„Manchmal gehört auch ein Quäntchen Glück dazu!“

Wie groß ist die Angst bei der Arbeit? „Man wird immer wieder darauf angesprochen. Angst gehört dazu. Aber man darf sich nicht von ihr beherrschen lassen, muss sie ausblenden. Man kann die Arbeit nicht machen, wenn man daran denkt, was alles passieren kann. Man ist nicht alleine, das ist Teamarbeit. Man darf da nicht vor Angst falsche Entscheidungen treffen.“

Hein stellt auch klar: „Manchmal gehört auch ein Quäntchen Glück dazu!“

Nicht Jeder oder Jede kann übrigens beim Kampfmittelräumdienst arbeiten. Hein erklärt: „Die meisten stammen aus der Bundeswehr, waren da zum Beispiel Minentaucher. Da gehört viel praktische Erfahrung dazu. Meist sind sie Anfang oder Mitte 30. Wir nehmen auch gern Leute, die verheiratet sind und Kinder haben, weil sie dann auch Verantwortung im Leben haben.“ Der Experte räumt im Zuge des Interviews mit einem Gerücht auf: „Wir sind kein Selbstmord-Kommando!“

Viele würden auch später sagen, dass der Job nichts für sie ist. „Das ist ok so, das ist eine ehrliche Einschätzung!“

Auch wegen des Geldes sollte man den Beruf nicht ausüben, denn: „Reich wird man damit nicht! Aber man hat sein Auskommen.“ Die Bombenentschärfer sind verbeamtet, arbeiten nach Tarif. „Viele würden die Arbeit für das Geld, was wir bekommen, nicht machen. Man muss für die Sache brennen und gern machen!“