Hochwasser-KatastropheKölnerin macht klar: So dramatisch ist es immer noch in der Eifel

Die Kölnerin Emily mit einem Major der Bundeswehr in Bad Münstereifel.

Die Kölnerin Emily organisiert seit dem ersten Wochenende Busse für hiflsbereite Kölner in die Flutgebiete. Hier zu sehen mit einem Major der Bundeswehr in Bad Münstereifel Anfang August.

Die Lage in der Eifel ist weiterhin dramatisch, die Zahl der Helfenden nimmt jedoch immer weiter ab. Die Kölnerin Emily ist seit der Flut jedes Wochenende vor Ort gewesen und sieht noch längst kein Ende der Katastrophe.

von Christopher Hostert (cho)

Köln. Etwas mehr als einen Monat ist es mittlerweile her, dass die Flutkatastrophe das Leben vieler Menschen im Rheinland und besonders in der Eifel innerhalb weniger Stunden für immer veränderte. Die schrecklichen Bilder der zerstörten Orte gingen um die Welt, mindestens 141 Menschen verloren ihr Leben.

Die Hilfsbereitschaft in den ersten Tagen nach dem Unglück war überwältigend, aus dem ganzen Land kam Unterstützung in Form von Sach- und Geldspenden, notwendigen Gerätschaften und auch viele helfende Hände machten sich auf den Weg.

Von Anfang mit dabei – die Kölnerin Emily. Ihre Aufgabe: Busseweise freiwillige Helfer von Köln in die betroffenen Gebiete bringen. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Gegenüber EXPRESS.de schildert sie ihre persönlichen Erfahrungen und gibt Einblicke in die weiterhin dramatische Situation vor Ort.

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Hochwasser in der Eifel: Kölnerin Emily startet Aufruf über Instagram

Eigentlich betreibt die Kölnerin Emily Miller von der Osten (27) ein Start-Up für Handyketten („Milux“) und arbeitet in der Medienberichterstattung am Nürburgring. Der 15. Juli 2021 sollte ihr Leben und das vieler weiterer Menschen für die nächsten Wochen jedoch komplett verändern – plötzlich ist klar: Sie wird erst am 16. August 2021 wieder in ihrem Büro sitzen, ihr Start-Up wird bis dahin komplett stillgelegt sein.

Mittlerweile wollen Städte aus NRW und Rheinland-Pfalz, die von dem Hochwasser betroffen waren, sich gegen zukünftige Fluten besser wappnen. An jenem Tag kam jedoch jede Hilfe zu spät. Es war der erste nach der schlimmen Flutkatastrophe in der Eifel und im Rheinland.

Als Emilys beide Mitarbeiterinnen aus der Eifel nicht bei der Arbeit erschienen, überschlugen sich die Fragen in ihrem Kopf. Inwiefern sind sie betroffen? Werden Sie vermisst? Was ist da passiert? „Da macht man sich große Sorgen“, erklärt Emily. Am Abend meldeten sich die beiden zum Glück bei der 27-Jährigen, doch ihre Worte und ihr Hilferuf waren eindeutig. 

„Wir können nicht mehr, wir kommen hier nicht weiter, hier ist alles voller Schlamm, alle Sachen sind kaputt und alles muss jetzt weg geschafft werden, sonst bricht hier die Seuche aus“, so der deutliche Hilferuf. Da ihre Mitarbeiterinnen und Freundinnen sie darauf aufmerksam machten, dass aktuell keine Sachspenden, sondern vor allem freiwillige Helfer und Arbeitsmaterial gebraucht werden, nutzte Emily ihre Instagram-Reichweite (ca. 33.000 Abonennten) und startete einen Aufruf – mit Erfolg.

Hochwasser in der Eifel: Kölnerin hilft Flutopfern mit Bus-Shuttle

„Am Sonntag (18. Juli) waren dann um die 60 freiwilligen Helfer dabei, von denen ich keinen einzigen kannte“, erinnert sich Emily. Mit einem Reisebus ging es zunächst nach Bad Münstereifel, wo ihre beiden Mitarbeiterinnen wohnen. Vor Ort ging es direkt ans Werk: Häuser entkernen, Schlamm entfernen, Schrott raustragen. War ein Haus fertig, sei es direkt beim Nachbarn weitergegangen. Viel Zeit zum Reflektieren der Lage blieb dabei nicht. „Verarbeitet ist es immer noch nicht, weil man so unter Dauerstrom und Stress stand.“

Emily dokumentierte die schockierenden Zustände auf Social Media und eine Woche später war die Bereitschaft so groß, dass sich am Samstag und Sonntag jeweils sechs von ihr organiserte Busse mit hilfsbereiten Kölnern auf den Weg machten. Allein an diesem Wochenende konnten so fast 900 Menschen vor Ort mit anpacken.

Um die Orte nicht zu überrennen, fuhren die Busse verschiedene Ziele an, halfen in Erftstadt-Blessem oder einem Schulzentrum in Bad Münstereifel. Genauso ging es die folgenden Wochen weiter, teilweise fuhr sogar dienstags und donnerstags noch ein Bus. Auch wenn das Interesse abebbte, fährt samstags und sonntags weiterhin jeweils ein Bus mit je 60 bis 70 Anmeldungen. Die Kölnerin weiß, die Arbeit ist noch lange nicht vorbei.

Auch in Erftstadt laufen die Aufräum-Arbeiten nach der Hochwasser-Katastrophe weiterhin auf Hochtouren. Anwohner berichteten von den verheerenden Schäden, die das Wasser zurückgelassen hat. Besonders gravierend: Aufnahmen zeigen, wie ganze Häuser im abgesackten Erdreich verschwunden sind.

Eifel: Nach Hochwasser-Katastrophe zeigt Kölnerin aktuelle Lage

„Es sieht besser aus, aber es ist halt alles noch etwas schwierig, fließend Wasser gibt es nicht, in vielen Teilen der Dörfer gibt es auch immer noch keinen Strom, die Gasleitungen gibt’s nicht mehr“, sagt Emily. Aktuell ist sie mit den Helfenden in Altenahr an der Ahr im Einsatz. Hier werden weiter Häuser entkernt, Putz rausgestemmt und Estrich entfernt.

„Wenig Leute sind vor Ort und die Leute, die da sind, sind fix und fertig. Man kann sich das Ausmaß gar nicht so richtig vorstellen“, berichtet Emily. Die Lage vor Ort sei allgemein weiter gespenstig. „Die Menschen haben Angst, vergessen zu werden“, erzählt die Kölnerin.

Hilfe gibt es aktuell nicht nur von freiwilligen Helfern, sondern auch in Form von Sachspenden und Geräten wie Abbruch-Hämmern, um in den Häusern zu arbeiten.

Flutkatastrophe in der Eifel noch lange nicht vorbei

„Das wird alles noch ein weiter Weg sein“, weiß Emily. Daher laufen auch jetzt schon die Vorbereitungen auf die kalte Jahreszeit. „Jetzt werden überall Heizöl-Kanister vor die Häuser gestellt, damit die Leute überhaupt heizen können, wenn der Winter kommt – denn die Heizöltanks sind kaputt.“

Da sie viele Freunde in der Eifel hat, verbrachte Emily vor der Flut viele Wochenenden in der Region, die jetzt kaum mehr wiederzuerkennen ist. „Das ist alles nicht so leicht zu verarbeiten, wenn man weiß, wie es vorher ausgesehen hat. Wo man vorher seinen Wein gekauft oder sein Bierchen getrunken hat, man kennt halt diese ganzen Dörfer und Strecken und erkennt nichts wieder. Das ist halt das Verrückte“, fasst Emily zusammen.

Ein Ende der Hilfsaktion sei daher aktuell nicht abzusehen. „Es wird kein Ende haben. So lange freiwillige Helfer bereit sind, gibt es immer was, dass man machen kann“, erklärt die Kölnerin trotzig. Denn es werde wohl nicht nur Monate, sonst wahrscheinlich Jahre dauern, bis diese eigentlich so schöne Region an der Ahr wieder aufgebaut ist. (cho)