Hitlers Mann in KölnGauleiter Josef Grohé: So feige flüchtete Kölns Ober-Nazi 1945

von Ayhan Demirci (ade)

Köln  – Hitlers Kölner Statthalter Josef Grohé (1902–1987), vom Diktator zudem zum Reichsverteidigungskommissar für Belgien und Nordfrankreich ernannt, ist nach dem Einmarsch der Amerikaner ein gestürzter NS-Machthaber. Anhand der persönlichen Erinnerungen des Gauleiters zeichnet EXPRESS die dramatischen Kriegstage nach.

Demnach hat Grohé möglicherweise belastende Dokumente verschwinden oder vernichten lassen, bevor er die Flucht antritt. Aus einem Anschreiben Grohés an den Nazi-Gefährten Martin Schwaebe von 1979 geht hervor, dass seine bis Mitte September 1944 geschriebenen Tagesnotizen vergraben in Thüringen liegen („inzwischen sicher vermodert“). Und Grohé ergänzt: die Notizen „bis Mitte April 1945 hat der Herr Franz verbrannt“. Wer Herr Franz ist, bleibt unklar.

Grohé, der 1931 als erst 29-Jähriger zum NSDAP-Gauleiter Köln-Aachen ernannt worden war, setzt sich am 6. März 1945 aus der Gauhauptstadt ab. Gegen 11 Uhr hat ihm eine „Ordonanz des Generalmajors Denke“ gesagt, er solle das am Rheinufer wartende Motorboot besteigen. Mit an Bord kommen der NS-Kreisleiter Alfons Schaller und Oberregierungsrat Heym. Ziel: Das Schloss Bensberg, wohin bereits zuvor Teile der Gauverwaltung ausgesiedelt sind. Nach zwei Tagen geht es weiter, nach Wiehl.

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Im Bergischen Land (Raum Dieringhausen-Waldbröl) lassen die Nazis gegen die Amerikaner die „Wunderwaffen“ los: V2-Raketen werden „weiter abgeschossen“, schreibt Grohé. Auf der weiteren Flucht sieht er „den Hof Dr. Leys in Flammen aufgehen“. Das Oberbergische ist Robert Leys Heimat, geboren wurde er in Ruppichteroth.

Ley war Grohés Vorgänger als Gauleiter in Köln, bevor er in Berlin Karriere machte: Reichsleiter NSDAP, Chef der Deutschen Arbeitsfront. Jetzt lässt er seinen Bauernhof abbrennen, damit das Gut nicht den Amerikanern in die Hände fällt. Ley hatte große Träume, wollte mit Hitlers Segen das Oberbergische zum Nazi-Musterland machen mit einem Porsche-Werk und Waldbröl als großspuriger Hauptstadt. Der Umbau hatte schon begonnen. Er gehört später zu den 24 Angeklagten von Nürnberg, begeht dort am 25. Oktober Selbstmord.

Für den Parteigenossen Grohé geht die Odyssee weiter. Er erreicht das Haus Haniel bei Altenberg/Dabringhausen. Am 13. April trifft er neben anderen Wehrmachtsführern in dessen Quartier in Wuppertal auf Generalfeldmarschall Walter Model. Grohé schreibt: „Model schilderte uns die Lage und erklärte, in längstens 48 Stunden sei der Munitionsvorrat erschöpft und damit das Ende letzten Widerstandes.“

Grohés Familie, seine Frau und seine drei Töchter, werden aus Köln erst nach Wipperfürth, dann nach Thüringen in Sicherheit gebracht. Sohn Horst, Schüler des Schiller-Gymnasiums, befindet sich im Sudetenland. Der Vater bekommt derweil in Wuppertal eine neue Identität: Im Polizeipräsidium wird ihm ein Pass auf Otto Gruber aus Elberfeld ausgestellt.

Mit Jagdstock und Rucksack

Grohé alias Gruber legt sich Jagdstock und Rucksack zu, er flieht jetzt querfeldein. Eine Zufallsbegegnung erinnert an die prächtige Gauleiter-Dienstvilla in Braunsfeld: „Als ich durch das nächste Dorf kam, löste sich aus einer Gruppe von Frauen, die auf der Straße standen, eine Frau und kam mir entgegen. Sie hatte mich erkannt. Es war Frau Heinrichs, ihr Mann Fahrer von Prof. von Haberer, die in der Fürst-Pückler-Straße neben uns im Gartenhaus gewohnt hatten.“ Der Arzt Haberer ist auch im Dorf, in seinem Jagdhaus. Grohé wird gut versorgt, ehe er wieder aufbricht. Weiter Richtung Osten Deutschlands.

Er klopft bei einem evangelischen Pfarrer an, der erzählt, vor zwei Stunden hätten die „Amis sein ganzes Haus durchstöbert“, und im Keller u.a. alle Einmachgläser zerschlagen, obwohl er auf sein Pfarreramt und das auf seinem Tisch liegende Neue Testament hingewiesen habe. Die Schwester des Pfarrers besorgt Grohé ein Fahrrad, es ist ein Damenrad. Der Gauleiter radelt in Richtung Meinerzhagen.

Auf einer Landstraße saust plötzlich ein Radfahrer an ihm vorbei, in dem er einen gewissen Fritz Wetzel erkennt (es gibt einen deutschen Fußball-Nationalspieler dieses Namens). „Ich rief ihn an, und wir konnten ein Stück Weges zusammen fahren.“ Wetzel ist auf dem Weg zu seiner Familie, die in der Nähe von Lippstadt wohnt. Er nimmt Grohé für zwei Tage dorthin mit. „Dann war ich wieder allein.“

Am 25. April kommt Grohé auf dem Gut Strausberg in Thüringen an, wo sich seine Familie befinden soll. Grohé will unerkannt bleiben und gibt sich als Freund der Familie aus. „Die Gutspächterin erzählte mir von der Besetzung des Gutes durch die Polen. Frau Grohé und die Mädchen seien gezwungen worden, das Gut zu verlassen. Sie wisse aber nicht, wo sie jetzt seien.“

Grohé wird von der Gutspächterin noch zu einem Kaffee eingeladen. „Während wir noch am Kaffeetisch saßen, ließ sie mich ans Fenster treten und sagte: »Sehen Sie die Amis an dem Auto? Das ist der Dienstwagen des Reichskommissars Grohé. Schon gestern waren die Amis damit beschäftigt, ihn wegzufahren, aber das gelang ihnen nicht.« Jetzt konnte ich zusehen, wie sie einiges, was ihnen wichtig oder interessant erschien, ausbauten.“