Wer sind die Menschen, die in Köln um Geld betteln?
Alltag in Kölner InnenstadtStecken organisierte Banden hinter der Bettelei?

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Ein Mann wirft in der Kölner Innenstadt Geld in einen Becher einer Bettlerin.
Ein Novemberabend, es ist etwa 19.30 Uhr. Während die letzten Shopper über die Hohe Straße eilen, sitzt eine Frau vor dem Schaufenster von H&M auf einer vollen Einkaufstasche. Sie telefoniert laut, gestikuliert. Vor ihr ein leerer McDonald's-Becher und ein Pappschild mit der Aufschrift: „Bitte für Essen.“ Doch niemand scheint sie zu beachten, der Becher bleibt leer.
Szenen wie diese sind in der Kölner City Alltag geworden. Besonders in der Adventszeit und im Januar füllen sich die Fußgängerzonen mit bettelnden Männern und Frauen.
Was vielen Passanten und Passantinnen auffällt: Die Pappschilder sind oft identisch, sogar laminiert. Sofort kommt der Verdacht auf: Stecken organisierte Banden dahinter? Werden die Menschen gezwungen, hier zu sitzen und am Abend ihr Geld abzugeben?
Aber was ist dran an diesen Vermutungen? Eine mehrtägige Recherche des „Kölner Stadt-Anzeiger“ versuchte, den Geschichten dieser Menschen auf den Grund zu gehen. Die Kontaktaufnahme gestaltete sich schwierig. Viele der Bettlerinnen und Bettler, die meist aus der Gegend um Brasov und Fagaras in Rumänien stammen, sprechen kein Deutsch und wollten nicht reden.
Polizei: Keine Hinweise auf kriminelle Strukturen bei den Bettlern
Eine Frau erklärte sich schließlich doch zu einem Gespräch bereit. Um ein umfassendes Bild zu erhalten, wurden auch die Polizei, das Ordnungsamt und eine rumänisch sprechende Sozialarbeiterin befragt, die die Szene gut kennt.
Im Ordnungsamt in Junkersdorf sitzen Thomas Frenzke, Leiter des Ordnungsdienstes, und seine Kollegin Natalie Riha. Sie kennen die Situation genau. „Viele der bettelnden Menschen kennen und helfen sich untereinander. Es handelt sich häufig um Familien“, erklärt Riha. Die Familien leben in Rumänien. Sie kommen abwechselnd für einige Wochen oder Monate nach Köln.
Verboten ist das grundsätzlich nicht. Als EU-Bürger und -Bürgerinnen dürfen sie sich bis zu 90 Tage ohne Visum in Deutschland aufhalten. Auch stilles Betteln ist in Köln erlaubt. Nur aggressive Bettelei, das Betteln mit Kindern oder das Vortäuschen von Behinderungen ist laut Stadtordnung verboten. Haben sie Tiere dabei, müssen die Besitzer und Besitzerinnen tierseuchenrechtliche Nachweise vorlegen können.
Organisiertes oder bandenmäßiges Betteln ist ebenfalls untersagt. Doch auch dafür gebe es keine Anzeichen, betonen Frenzke und Riha. „Wir haben keine Hinweise darauf, dass hier in irgendeiner Form Zwang eingesetzt wird, so Frenzke. Und die identischen Schilder? Ein Insider erklärt: „Einer bastelt die Schilder und gibt sie an die anderen weiter, man hilft sich gegenseitig.“ Ein Polizeisprecher bestätigt, dass auch die Polizei Köln „keine belastbaren Informationen oder Hinweise auf eine organisierte Struktur hat“.
Obwohl städtische Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen ihnen immer wieder Plätze in Notschlafstellen anbieten, lehnen viele der Menschen aus Osteuropa ab. „Sie leben lieber auf der Straße“, sagt Natalie Riha.
Kölner Händler und Gastronomen: Bettelei „anhaltendes Problem“
Wenn abends die Geschäfte schließen, versammeln sich die Männer und Frauen oft in größeren Gruppen. Sie essen zusammen und schlafen auf Matratzen in Hauseingängen. Als ein Fotograf des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Szene festhalten will, wird er von einem Mann, der offenbar Wache hält, aggressiv angegangen und bedroht.
Solange sie niemanden durch Lärm oder aggressives Verhalten stören, wird das nächtliche Campieren in manchen Bereichen geduldet. Es sei jedermanns Recht, draußen zu schlafen. „Wir können deswegen niemanden einfach mitnehmen oder wegsperren“, so Riha.
Annett Polster, Geschäftsführerin von Stadtmarketing Köln, spricht von einem „seit vielen Jahren anhaltenden Problem für Handel, Gastronomie und Immobilieneigentümer“. Es verunsichert Passanten und Gäste, aber auch Mieter und trägt damit nicht zum Sicherheitsgefühl, einem Grundbedürfnis von Menschen, bei. Die geforderte Aufenthaltsqualität in der Innenstadt leide darunter, vor allem, wenn die Bettelei, wie teils in der Außengastronomie, sehr aggressiv werde.
Auf der Hohe Straße gehen bei H&M um kurz nach 20Uhr die Lichter aus. Die Frau vom Anfang packt ihr Pappschild ein. Im Becher ist keine einzige Münze gelandet. Sie schultert ihre schwere Tasche und geht die Straße hinunter. Am nächsten Tag wird sie wieder hier sitzen. (red)
Dieser Inhalt wurde mit Hilfe von KI erstellt.
