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Kiosk gekündigtBetreiber Azad will nicht raus und hat einen riskanten Plan

Azad Hawrami steht in seinem Kiosk.

Azad Hawrami steht in seinem „Internationalen Kiosk“, den er seit 15 Jahren in Köln-Ehrenfeld betreibt. Jetzt soll er raus. 

Der „Internationale Kiosk“ in Köln-Ehrenfeld soll zum Ende des Jahres Geschichte sein. Doch Betreiber Azad Hawrami (65) hat einen riskanten Plan. 

Die Anspannung steigt: Nur noch wenige Stunden, dann müsste Azad Hawrami seinen „Internationalen Kiosk“ in Ehrenfeld räumen. Der 65-Jährige hat alles versucht, um das Ende abzuwenden. Die Kündigung zum 31. Dezember ist allerdings rechtens, wie auch eine Prüfung durch den Mieterverein ergab.

Azad hatte daher zuletzt sogar angeboten, freiwillig 220 Euro pro Monat mehr zu zahlen. Doch bislang scheint dies vergeblich zu sein. Ein offizieller Grund für die Kündigung wurde ihm nicht mitgeteilt. Auch eine Anfrage von EXPRESS.de beim Vermieter blieb bis heute unbeantwortet.

Jetzt sieht der beliebte Kiosk-Betreiber offenbar nur noch eine Möglichkeit: eine Kiosk-Besetzung! Er hat angekündigt, den Ort, an dem er seit 15 Jahren seine Kundschaft empfängt, nicht kampflos aufzugeben. 

„Das Leben ist ein ständiger Kampf und ich kämpfe weiter. Aufgeben ist keine Option, schon gar nicht, wenn es um meinen Kiosk geht“, erklärt er. Kalle Gerigk, Kölns bekannter Mietrebell und einer von Azads Unterstützer, sagt: „Sollte es dazu kommen, wäre dies nach aktuellem Kenntnisstand die erste Kiosk-Besetzung in der Geschichte der Stadt Köln.“

Zwei Männer stehen vor einem Kiosk.

Kölns Mietrebell Kalle Gerigk mit Azad Hawrami vor dessen „Internationalem Kiosk“

Der „Internationale Kiosk“ sei für viele Menschen im Veedel weit mehr als ein Ort des Verkaufs, so Gerigk. Er gelte seit Jahren als Treffpunkt für Nachbarinnen, Nachbarn, Ratsuchende, Kulturschaffende und politisch Interessierte.

Einer von ihnen ist Albrecht Kieser, der Journalist und Autor beschreibt den Ort als sozialen Anker. „Azads Kiosk ist ein Treffpunkt für viele Ratsuchende und für Menschen, die Vielfalt lieben. Hier gibt es vielseitige Hilfe und Kultur“, erklärt er.  

Mutter Ana Valeria: Kinder sind bei Azad immer willkommen

Ana Valeria Gonzales schildert eine über Jahre gewachsene Tradition. „Den ersten Geburtstag unseres Sohnes haben wir bei Azad gefeiert und seitdem feiern wir jedes Jahr wieder hier. Wir hoffen, dies fortzusetzen, bis Lino erwachsen ist. Kinder sind bei Azad immer willkommen und das spürt man“, sagt sie. 

Eine Mutter und ihr Sohn sind in einem Kiosk, der Junge hält eine Schale mit Süßigkeiten vor sich.

Auch Ana Valeria Gonzales und Sohn Lino hoffen, dass der „Internationale Kiosk“ bestehen bleibt.

Monika Steckel schildert, wie sie selbst Unterstützung erfahren hat und nun etwas zurückgeben möchte: „Im Kampf für eine warme, schimmelfreie Wohnung haben mir Kalle und alle, die an meiner Seite standen, viel Kraft gegeben. Jetzt möchte ich etwas davon zurückgeben und selbst für andere da sein. Der Wohlfühlkiosk von Azad muss bleiben.“

Auch politisch und kulturell hat der „Internationale Kiosk“ Bedeutung erlangt. In den vergangenen Jahren fanden dort Lesungen, Gespräche und Diskussionen statt, unter anderem mit dem deutsch-türkischen Schriftsteller Doğan Akhanlı. Kalle Gerigk betont: „Köln lebt von seiner Vielfalt, von kleinen Läden, Werkstätten und Orten, die unsere Viertel lebendig machen. Wenn solche Orte verschwinden, verliert die Stadt ein Stück ihrer Seele. Azads ‚Internationaler Kiosk‘ in Ehrenfeld ist mehr als ein Verkaufsraum: Er ist ein Ort der Begegnung, der Wärme und des Zusammenhalts. Wenn er verschwindet, verliert Ehrenfeld ein Stück seines Herzens.“

Kann Azad das Steuer mit seinem freiwilligen Angebot einer Mieterhöhung noch im letzten Moment noch herumreißen? „Eine Antwort des Vermieters liegt bislang nicht vor“, weiß Kalle Gerigk. Gleichzeitig würde der öffentliche Protest wachsen. Gerigk: „Eine Petition zum Erhalt des ‚Internationalen Kiosk‘ wurde bereits gestartet und findet zunehmende Unterstützung.“

Am Silvesterabend werden sich wieder viele Menschen bei Azad treffen und eine Party feiern. Möglicherweise die letzte...