FC-Anhänger widmeten Anthony Modeste einen Karnevalshit, der bei jedem Spiel in der Kurve erklang. Bei uns stellte der Franzose die besten Reime der Fans bildlich nach.
Modeste stellt Song nachBei wem ist täglich Schützenfest?

Copyright: Lottermann & Fuentes
Anthony Modeste posiert als Schütze für „11FREUNDE LEGENDEN - Die andere Geschichte des 1. FC Köln“.
Aktualisiert
Das Magazin 11Freunde feiert den 1. FC Köln in einem Legendenheft: „11FREUNDE LEGENDEN - Die andere Geschichte des 1. FC Köln“ (Jetzt überall im Handel / 8,50 EUR). Ein Highlight darin: Anthony Modeste, der die besten Reime aus dem ihm gewidmeten Song nachstellte. Das Interview erschien erstmals im Mai 2019.
Anthony Modeste, bei wem ist täglich Schützenfest?
Anthony Modeste: Anthony Modeste?
Wer braucht beim Kopfball kein Podest?
Anthony Modeste: (Singt.) Aaanthony Modeste!
Und wer trinkt Schnaps vorm Dopingtest?
Anthony Modeste: Das ist gar nicht so unrealistisch, wie Sie denken …
Ach ja?
Anthony Modeste: Als ich nach dem letzten Saisonspiel 2016/17 gegen Mainz 05 zum Dopingtest musste, wurde ich einfach nicht fertig. Wir hatten die Europa League erreicht, meine Kollegen feierten in der Kabine, und ich saß beim Doktor.
Und halfen mit Schnaps nach?
Anthony Modeste: Nicht ganz. Mit ein, zwei Kölsch.
Im Mai 2017 machte Partysänger Ikke Hüftgold einen Karnevalsschlager aus den Reimen. Denken Sie manchmal, frei nach dem Gallier Obelix: „Die spinnen, die Deutschen“?
Anthony Modeste: Ach was, das hat sich über zwei Jahre so entwickelt. Ständig kamen neue Verse aus Fankreisen dazu. Und irgendwann entstand dann dieser Song daraus.

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Wer feiert täglich Schützenfest? Anthony Modeste!
Haben Sie Ikke Hüftgold jemals getroffen?
Anthony Modeste: Nein, aber würde mich freuen, wenn es mal dazu käme. Auch wenn nicht jeder seiner Reime zutrifft.
Welcher kommt der Realität den am nächsten?
Anthony Modeste: Wer kommt zum Training overdressed? Den finde ich geil.
Wie sieht es mit: „Wer ist im Darkroom Special Guest?“ aus? Eher nicht, oder?
Anthony Modeste: Wer weiß? (Lacht.)
Wie ist für einen Franzosen, Held eines deutschen Gassenhauers zu sein?
Anthony Modeste: Das Jahr 2017/18 war nicht einfach für mich. Ich bin richtig froh, zurück in Köln zu sein. Und seitdem habe ich den Eindruck, ich sei fast mehr Deutscher als Franzose. Und dieses Gefühl verstärkt sich auch dadurch, dass die Leute ein Lied über mich singen.
Sie wechselten im Sommer 2017 nach China zu Tianjin Quanjian. 2018 lösten Sie den Vertrag vorzeitig auf. Gerüchten zufolge wegen ausbleibender Gehaltszahlungen. Nach Ihrer Rückkehr aus China hatten Sie Angebote vom VfB Stuttgart, Schalke 04 und von verschiedenen Topklubs aus der Türkei. Am Ende entschieden Sie sich für den Zweitligisten 1. FC Köln. Warum?
Anthony Modeste: Weil ich nie wirklich wegwollte vom FC. Meine Familie ist nach meinem Wechsel nach China in Köln geblieben. Außerdem dachte ich, nach dem ganzen Transfertheater sei es eine gute Sache dabei mitzuhelfen, dass der FC wieder aufsteigt.

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Wer lässt im Kölschglas keinen Rest? Anthony Modeste!
In welchem Punkt sind Sie denn typisch deutsch?
Anthony Modeste: Schwer zu sagen. Aber braucht es noch einen Beweis, wenn die eigene Frau sagt: „Du wechselst nach China? Okay! Aber, sorry, ich bleibe mit der Familie in Köln!“ Die Stadt ist für uns zur Heimat geworden.
Wie dachten Sie während der Zeit bei Tianjin Quanjian an den 1. FC Köln zurück?
Anthony Modeste: Mir gingen oft die Szenen vom letzten Spieltag der Saison 2016/17 gegen Mainz durch den Kopf. Die Party war super. So viele Fans waren uns in der Saison nachgereist. In Frankreich gibt es das nicht. Es war dieses Gefühl, dass wir gemeinsam etwas Großes erreicht hatten. Danach sehnte ich mich zurück. Zumal auch der Klub nach meinem Weggang nicht in die Spur kam. Da ist einiges falsch gelaufen.
Aber letztlich war es Ihre Entscheidung, nach China zu gehen und ein großzügiges Salär zu kassieren.
Anthony Modeste: Am Ende hat der 1. FC Köln entschieden, mich zu verkaufen. Ich will mich nicht beschweren, ich konnte diese Entscheidung nachvollziehen. Es gab eine hohe Ablöse, ich bekam ein gutes Angebot und alle waren zufrieden. Aber ich hätte mit dem FC auch gern in der Europa League gespielt. Wie auch immer: Meine Erwartungen haben sich in China nicht erfüllt.
Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat und FC-Anhänger Martin Schulz soll bei Ihrer Rückholaktion nach Köln mitgewirkt haben.

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Wer beißt sich an der Theke fest? Anthony Modeste!
Anthony Modeste: Offenbar kennt er ein paar Leute in China, hat diese Kontakte genutzt und sich für mich eingesetzt. Aber, ganz ehrlich, ich wollte gar nicht so genau wissen, was hinter den Kulissen passiert ist.
Warum nicht?
Anthony Modeste: Weil es mich vom Fußball ablenkt und meine Konzentration auf die wesentlichen Dinge beeinträchtigt.
Haben Sie Martin Schulz mal kennengelernt?
Anthony Modeste: Bei der Gala zum 70. Geburtstag des 1. FC Köln haben wir uns die Hand geschüttelt, das war’s.
War 2018 ein verlorenes Jahr?
Anthony Modeste: Ich versuche, es professionell zu sehen, und sage mir, dass man aus jeder Erfahrung auch positive Schlüsse ziehen kann. Aber um ehrlich zu sein: Ich konnte nach meiner Vertragsauflösung sechs Monate nicht mehr in ein Stadion einlaufen, weil ich gesperrt war. Acht Monate lang habe ich kein Geld verdient. So etwas prägt einen Menschen. Und ich gebe zu: In der Phase die Zuversicht nicht zu verlieren, war schwer.
Nach Ihrer Rückkehr trainierten Sie in Köln zunächst zwei Monate allein.
Anthony Modeste: Dann waren Sie ein halbes Jahr bei der U21. Ich will mich nicht beschweren. Es war wichtig, wieder mit einer Mannschaft zu arbeiten, aber zeitweise habe ich mich schon gefragt, warum alles so lange dauert. Zumal die Situation auch davon überlagert wurde, dass es meinem Vater sehr schlecht ging.
Ihr Vater Guy starb im Dezember 2018 nach langer Krankheit.
Anthony Modeste: Noch etwas Zeit mit ihm zu verbringen, war in diesen Monaten wichtiger für mich als Fußball. Auch in der Hinsicht war es gut, zurück nach Europa zu kommen.

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Wer schummelt beim Vokabeltest? Anthony Modeste!
Hatten Sie damals regelrecht depressive Momente?
Anthony Modeste: Wenn man nicht gut drauf ist und geht zum Training, dann bessert sich das. Und meine Familie war eine große Unterstützung für mich.
Haben Sie mit einem Mentaltrainer gearbeitet?
Anthony Modeste: Nein, habe ich nicht. Meine Frau beherrscht diese Rolle bestens.
Sie haben gesagt, dass Sie durch den Tod Ihres Vaters ein neues Verantwortungsbewusstsein bekamen. Wie äußerte sich das?
Anthony Modeste: Bevor mein Vater starb, sagte er mir: „Anthony, jetzt bist du dran.“ Er war der Boss in unserer Familie, nun sollte ich die Verantwortung übernehmen: für meine Brüder, für meine Mutter. Und das versuche ich. Ich kann meinen Vater natürlich nicht ersetzen, aber ich bin jederzeit erreichbar und versuche, so oft wie möglich bei ihnen zu sein.
Ihre Brüder sind schon lange erwachsen.
Anthony Modeste: Stimmt. Aber seit der Boss der Familie im Himmel ist, bin ich nun der Mini-Boss auf Erden.
Als Sie den 1. FC Köln im Sommer 2017 verließen, waren Trainer Peter Stöger und Manager Jörg Schmadtke ein Herz und eine Seele. Kurz darauf zerbrach die sportliche Führung und der FC stürzte ab.

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Wer kommt zum Training overdressed? Anthony Modeste!
Anthony Modeste: Peter Stöger war ein sehr wichtiger Trainer für mich. Ein guter Mensch, mit dem ich bis heute ab und zu SMS-Kontakt habe. Aber so ist Fußball: Wenn Spieler oder handelnde Personen wechseln, kann eine gute Entwicklung schnell ins Negative umschlagen. Der Verein und seine Fans aber bleiben – und ich war überzeugt, dass es meinem Leben guttun wird, hierher zurückzukommen.
Wie kamen Sie mit der zweiten Liga zurecht?
Anthony Modeste: Jeder spielt am liebsten erste Liga, weil es in der zweiten deutlich mehr im Zweikampf zur Sache geht.
Nervte es, im Unterhaus zu kicken?
Anthony Modeste: Hinter mir lag ein Jahr, in dem ich zeitweise allein trainieren musste, da fragt man sich nicht, in welcher Liga man aufläuft. Ich war einfach froh, wieder zu spielen – und wollte wie alle hier zurück in die Bundesliga. Dort aufzulaufen, ist einfach das Größte.
Dachten Sie auf dem Rasen nie an die triste Zeit in China oder an Ihren Vater?
Anthony Modeste: Als Stürmer lernt man früh, dass die Sorgen zu Hause bleiben müssen, wenn Spieltag ist. Es ist wie ein Automatismus. Meistens funktioniert es, aber manchmal bricht es auch aus mir heraus.

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Das Cover von „11FREUNDE LEGENDEN - Die andere Geschichte des 1. FC Köln“
Wann zum Beispiel?
Anthony Modeste: Als ich das Tor beim ersten Einsatz nach der Rückkehr im Februar 2019 gegen Paderborn erzielte, kam alles wieder hoch: die schlimme Zeit in China, mein Vater, die einsamen Trainingswochen – und Tränen. Auch wenn ich schon groß bin, ich bin keine Maschine.
Dabei heißt es doch: „Wer ist beim Kicken nie gestresst …?“
Anthony Modeste: (Singt.) Aaaanthony Modeste.
Das Interview führte Tim Jürgens für 11Freunde im Mai 2019.