Koffer verloren oder verspätetReisende können über 1500 Euro bekommen

Wenn Koffer mit einem späteren Flug als Reisende am Zielort ankommen oder beschädigt sind, entstehen Schadensersatzansprüche für Fluggäste. 

von Adnan Akyüz (aa)

Im Urlaub angekommen, aber die Koffer sind nicht da? So erleben es jährlich unzählige deutsche Urlauberinnen und Urlauber. Besonders in den Sommerferien geht Reisegepäck verloren oder wird beschädigt.

Wer den Verlust oder einen Schaden am Koffer meldet, hat gute Chancen, von der Fluggesellschaft oder vom Reiseveranstalter einen Schadensersatz zu bekommen. Fachanwalt für Reiserecht, Malte Hotes, aus Köln erklärt die Rechtslage für diese Fälle.

Der Kölner Rechtsanwalt Malte Hotes sagt, dass Reisenden oftmals noch viel mehr zusteht, als die Airlines meist bezahlen wollen. Auch die Verbraucherzentrale hat wichtige Tipps für den Fall, dass während einer Reise Koffer verloren gehen oder beschädigt werden. Hier finden Sie alle Infos!

Verlorenes Reisegepäck: Wann haftet die Airline?

Der Kölner Anwalt Malte Hotes, spezialisiert auf Reiserecht, hat ständig mit ähnlichen Fällen zu tun und erklärt die Rechtslage. „Fälle, bei denen Gepäck etwa am Flughafen verloren geht oder verspätet zugestellt wird, sind im Montrealer Übereinkommen geregelt. Darin gibt es das Sonderziehungsrecht, also einen Höchstbetrag, der die Ersatzansprüche von Reisenden definiert“, so der Kölner Anwalt.

Generell gilt laut der Verbraucherschutzzentrale: Sobald die Fluggesellschaft das Gepäck angenommen hat, haftet sie für dessen Verlust, Zerstörung oder Beschädigung. Ist der Flug Teil einer Pauschalreise, haftet nach Wahl des Reisenden auch der Reiseveranstalter.

Wann Fluggesellschaften oder Reiseveranstalter für verloren gegangenes oder beschädigtes Gepäck haften müssen, erfahren Sie hier: 

  • Geht das Gepäck verloren, wird es zerstört oder beschädigt, während es sich an Bord des Flugzeugs oder sonst in der Obhut der Fluggesellschaft befindet, muss die Fluggesellschaft bzw. der Reiseveranstalter für den Ersatz des Schadens aufkommen.
  • Der Zeitraum, in dem sich das Gepäck in der Obhut der Fluggesellschaft befindet, beginnt mit der Aufgabe, wenn es am Abfertigungsschalter auf die Waage gestellt wird, und endet mit der Wegnahme der Gepäckstücke vom Transportband am Reiseziel oder mit der Aushändigung des Gepäcks an eine Zoll- oder Polizeibehörde.
  • Bei Gepäck, das sich in ihrer Obhut befindet, muss die Fluggesellschaft bzw. der Reisveranstalter auch Schäden aufgrund von Diebstählen, Feuchtigkeit oder starken Temperaturschwankungen ersetzen.

Es gibt aber auch Fälle, bei denen Fluggesellschaften oder Reiseveranstalter nicht haftbar gemacht werden können, wenn Gepäck verloren geht oder beschädigt wird:

  • Die Haftung für aufgegebenes Gepäck entfällt, wenn die Fluggesellschaft nachweist, dass der Schaden auf die Eigenart des Reisegepäcks oder einen ihm innewohnenden Mangel zurückzuführen ist (z. B. bei zerbrechlichen Gegenständen).
  • Ein mögliches Mitverschulden des Reisenden für den Schaden, zum Beispiel durch unsachgemäße Verpackung, ist für einen Ersatzanspruch zu berücksichtigen.
  • Einem Reisenden, der wertvolle Gegenstände im Reisegepäck aufgibt, anstatt diese im persönlichen Gewahrsam mitzuführen, kann im Verlustfall ein Mitverschulden in Höhe von 100 Prozent angelastet werden.
  • Die Fluggesellschaft haftet auch dann nicht, wenn sie nachweist, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen hat oder solche Maßnahmen nicht treffen konnte.
  • Nicht ausreichend ist zum Beispiel die Einlassung, der Pilot sei krank geworden. Geringste Zweifel gehen zulasten der Fluggesellschaft.

Koffer verloren oder beschädigt: Diese Entschädigung können Reisende verlangen

Laut Luftfahrt Bundesamt hat eine Airline pro reisende Person für die gesamte Dauer des Urlaubs 1288 Sonderziehungsrechte (SZR) zu erstatten. Ein SZR ist eine digitale Einheit und kann in jegliche Währung, etwa Euro, umgerechnet werden. Der Wert ist dabei nicht immer derselbe und verändert sich. Der aktuelle Kurs entspricht 1586,75 Euro (Stand 26. Juni 2023) pro Passagier. Gepäck gilt als endgültig verloren, wenn es auch nach 21 Tagen noch nicht wieder aufgetaucht ist.

„Reisende können dafür alle benötigten Ersatzanschaffungen tätigen“, erklärt der Anwalt. So stünde Urlauberinnen und Urlauber dieser Betrag als Ersatzanspruch zu, sofern sie Sachen für diesen Wert eingekauft haben sollten.

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Laut der Verbraucherschutzzentrale wird der Schadensersatz nicht automatisch ausgezahlt. Vielmehr müssen Reisende den entstandenen Schaden darlegen und, falls er bestritten wird, auch beweisen, z.B. indem Sie die Schäden genau beschreiben und Fotos machen bzw. Belege für durch die verzögerte Aushändigung des Gepäcks entstandenen Kosten vorlegen. Um nachzuweisen, was im Koffer war, ist es sinnvoll, vor dem Flug Fotos zu machen.

So könne auch ein neuer Anzug im Urlaub gekauft werden, wenn etwa eine Hochzeit ansteht. „Ersatzansprüche müssen plausibel sein. Wer sich etwa im Urlaub einen Anzug gekauft hat, weil die Koffer nicht befördert wurden, kann mit dem Kaufbeleg auch die Einladung zur Hochzeit oder die Reservierung in einem Restaurant mit einreichen. Allerdings sollte ein Anzug erst einen Tag vor dem Anlass gekauft werden, da das Gepäck ja noch zugestellt werden könnte“, so der Kölner Anwalt.

Bei T-Shirts etwa werde in der Regel nicht nachgehackt, weil auch Airlines davon ausgingen, dass Reisende solche Alltagsgegenstände mit in den Urlaub nehmen.

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Wichtig: Wertsachen, empfindliche Gegenstände und lebenswichtige Medikamente gehören ins Hand- und nicht ins aufgegebene Gepäck! Die Haftung für Schäden an solchen Sachen im aufgegebenen Gepäck wird in den Beförderungsbedingungen der Fluggesellschaften regelmäßig ausgeschlossen.

Auch die Verbraucherschutzzentrale hat wichtige Hinweise, die es bei der Angabe von Schadensersatzansprüchen zu beachten gilt:

  • Zu ersetzen ist der Zeitwert des verloren gegangenen, zerstörten oder beschädigten Gepäcks (Koffer und Inhalt). Für die Zeit, in der das Gepäck am Urlaubsort nicht zur Verfügung steht, können Sie sich notwendigen und angemessenen Ersatz beschaffen, z. B. Unterwäsche, Kleidung und Toilettenartikel.
  • Was notwendig und angemessen ist, hängt von der Art der Reise (etwa Strandurlaub oder Luxuskreuzfahrt) sowie der Dauer der Zeit ab, die Sie überbrücken müssen.
  • Oft ist unklar, ob das Gepäck verspätet oder ganz verschwunden ist. Da Sie verpflichtet sind, die Kosten so gering wie möglich zu halten, dürfen Sie zum Beispiel einen einfachen Badeanzug, nicht aber mehrere oder teure Markenartikel kaufen.
  • Taucht das Gepäck wieder auf, müssen Reiseveranstalter oder Fluglinie für den Transfer zur Reiseunterkunft oder nach Hause sorgen.

Koffer verloren oder beschädigt: Wie und wann bekommt man seine Entschädigung?

Damit Reisende von ihrem Recht auch Gebrauch machen können, müssen sie etwas Vorarbeit leisten, wie Malte Hotes erklärt: „Wichtig ist, dass Reisende bei Verlust oder Verspätung ihres Gepäcks eine sogenannte PIR-Meldung (Property Irregularity Report) bei der Airline machen. Die hilft Fluggesellschaften bei der Suche nach dem Gepäck. Der Schaden muss dann zusätzlich bei Verlust und Beschädigung innerhalb von sieben Tagen oder bei Verspätung innerhalb von 21 Tagen bei der Airline gemeldet werden. Dabei müssen die Ersatzanschaffungen mit Preisangaben und Belegen aufgelistet sein.“

Wenn Reisende eine Liste mit den verlorenen Sachen erstellen, werden laut des Anwalts etwa 20 Prozent des ursprünglichen Wertes aber abgezogen. „Denn man bekommt ja neue Sachen, die wieder länger haltbar sind, für Sachen, die man vielleicht drei Jahre getragen hat“, sagt Hotes.

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Aktuell häufen sich die Fälle mit diesen Ersatzansprüchen in der Kanzlei von Malte Hotes, wie der Anwalt sagt. „Es gab kürzlich einen Fall, bei dem eine Frau in Hamburg in die Elbphilharmonie wollte und sich komplett neu einkleiden musste, weil ihre Koffer fehlten. Oder eine Familie, die nach Ägypten gereist war, aber die teuren Medikamente des Kindes in den Koffern zurückgeblieben waren. Sie mussten ihre Reise vorzeitig abbrechen. In ihrem Fall war der Schaden aber weitaus höher als die genannten 1500 Euro, die sie dann bekommen haben.“

Koffer verspätet: Diese Rechte haben Reisende

Wenn Koffer mit einer Verzögerung, also später als die Reisenden am Zielort ankommen, haben Urlauberinnen und Urlauber einen Anspruch auf eine Entschädigung. Die Verbraucherschutzzentrale hat für diesen Fall hilfreiche Tipps:

  • Zeigen Sie den Schaden möglichst sofort, auf jeden Fall aber innerhalb von 21 Tagen, nachdem das Reisegepäck zur Verfügung gestellt worden ist, bei der Fluggesellschaft und ggf. beim Reiseveranstalter an.
  • Beschädigung und teilweisen Verlust von Reisegepäck müssen Sie unverzüglich, von aufgegebenem Gepäck spätestens innerhalb von sieben Tagen, eine Verspätung innerhalb von 21 Tagen, nachdem das Reisegepäck zur Verfügung gestellt worden ist, bei der Fluggesellschaft und ggf. beim Reiseveranstalter schriftlich anzeigen.

Das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ) bietet Reisenden, deren Koffer verloren gegangen oder beschädigt worden ist, Hilfe an. Betroffene können über die Internetseite herausfinden, ob und wie viel Schadensersatz ihnen zusteht. 

Über private Dienstleister wie „flightright.de“ können Reisende ihre Schadensersatzansprüche auch geltend machen - allerdings gegen eine Gebühr. Auf der Internetseite von „flightright.de“ können Reisende kostenlos prüfen, ob ihnen sie einen Anspruch auf Schadensersatz haben.

Koffer verloren oder zu spät angekommen: Preis der Pauschalreise kann gemindert werden

Bei Pauschalreisen können Reisende auch die Reiseveranstalter in die Haftung nehmen. In diesen Fällen können sogar die Preise für eine Pauschalreise gemindert werden. Die Verbraucherzentrale erklärt, welche Rechte Sie in so einem Fall haben:

  • Reisende können bei einer Pauschalreise gegenüber dem Reiseveranstalter den Reisepreis für den Zeitraum mindern, in dem das Gepäck am Reiseziel nicht zur Verfügung steht, auch dann, wenn es wieder auftaucht.
  • Laut der Verbraucherzentrale stehen meist zwischen fünf und 50 Prozent des Tagesreisepreises pro Tag ohne Gepäck zu.
  • Fehlt Reisenden ein wichtiges Gepäckstück, so dass der Urlaubstag gar nicht genutzt werden konnte, ist in Ausnahmefällen auch eine 100-prozentige Erstattung des Tagesreisepreises möglich – wenn z. B. ein Smoking für Opernbesuch fehlt und nicht ausgeliehen werden kann.
  • Fehlt das Gepäck während des ganzen Urlaubs, sind nach der Rechtsprechung bis zu 50 Prozent des Gesamtreisepreises zu erstatten.

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Koffer bei Pauschalreise verloren oder zu spät angekommen: Was muss ich tun, um den Reisepreis zu mindern?

Steht Ihnen am Urlaubsort Ihr Gepäck nicht zur Verfügung, müssen Sie dies dem Reiseveranstalter unverzüglich anzeigen, um den Reisepreis bei einer Pauschalreise mindern zu können. Die Anzeige sollte in Anwesenheit von Zeugen erfolgen, oder Sie lassen sich die Kenntnisnahme schriftlich bestätigen.

Gegenüber dem Reiseveranstalter reicht es aus, dass der örtliche Reiseleiter ein „zur Kenntnis genommen“ auf die schriftliche Mängelanzeige setzt. Ist der Reiseleiter am Urlaubsort nicht zu erreichen, sollte der Reiseveranstalter in Deutschland, am besten telefonisch und in Anwesenheit von Zeugen, informiert werden.

Nicht zuständig für Mängelanzeigen sind die Leistungsträger vor Ort, zum Beispiel Hoteliers, es sei denn, dies ist ausdrücklich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen so festgelegt. Die Ansprüche auf Reisepreisminderung verjähren innerhalb von zwei Jahren nach dem vertraglich vorgesehenen Reiseende. (aa)