Die Kabarettistin und Schauspielerin Christine Eixenberger bekommt ihre eigene Show: In „Nachsitzen mit Christine Eixenberger“ verteilt sie die gefürchteten „Blauen Briefe“.
„Wir Kabarettisten sind die Hofnarren der Gegenwart“Wie Christine Eixenberger mit Satire Politik verändern will

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Christine Eixenberger (38) ist Komikerin und Schauspielerin. Nun bekommt sie ihre eigene TV-Show, in der sie gesellschaftliche und politische Missstände kritisiert. Im Interview spricht sie darüber, wofür sie in „Nachsitzen mit Christine Eixenberger“ (ab Donnerstag, 3. Juli, 21.00 Uhr, BR und ARD Mediathek) die gefürchteten „Blauen Briefe“ verteilt. (Bild: BR/Markus Konvalin)
Wenn die Politik zur Farce wird, braucht es Menschen, die Klartext reden. Christine Eixenberger, Kabarettistin, Schauspielerin und ehemalige Grundschullehramtsstudentin, ist ab Donnerstag, 3. Juli, 21.00 Uhr, mit ihrer eigenen Satire-Show im BR Fernsehen und in der ARD Mediathek zu sehen. Der Titel: „Nachsitzen mit Christine Eixenberger“.
In diesem Format schreibt der „Marie fängt Feuer“-Star dem politischen und gesellschaftlichen Irrsinn den Stundenplan neu.
Christine Eixenberger gibt Nachhilfe in Demokratie, Anstand oder Realitätssinn
Jede Woche lädt die 38-Jährige zwei namhafte Gäste aus Kabarett und Comedy in ihr Klassenzimmer ein. Mit im Gepäck haben sie vier aktuelle Fälle, die dringend Nachhilfe in Demokratie, Anstand oder Realitätssinn benötigen. Am Ende entscheidet das Publikum, wer den „Blauen Brief“ kassiert - charmant, pointiert, gnadenlos. Im Interview spricht Christine Eixenberger, die für ihre facettenreiche Bühnenkomik 2019 mit dem Bayerischen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde, unter anderem über Frauen auf der Bühne.
Ein Gespräch über Haltung, Humor und die Kraft, mit Witz dorthin zu zielen, wo es wehtut, es aber auch heilsam sein kann. Ihr Ziel: „den Leuten den Spiegel vorhalten“.
teleschau: Frau Eixenberger, wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, wie viel echte Lehrerin steckt denn heute noch in Ihnen?
Christine Eixenberger: Ich versuche auf der Bühne - gerade bei meinen Liveshows - nie mit erhobenem Zeigefinger zu arbeiten. Stattdessen nutze ich Humor, um Themen anzusprechen, Kritik zu verpacken und die Leute zum Reflektieren zu bringen: über sich selbst, ihr Handeln und ihre Haltung. Gute Lehrerinnen und Lehrer schaffen genau das: Sie erreichen ihr Publikum auf Augenhöhe. Auch wenn ich oben auf der Bühne stehe, will ich nie von oben herab wirken.
teleschau: Sie haben früher Kinder benotet - heute sind es gesellschaftliche Missstände. Was ist einfacher zu bewerten?

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In ihrer neuen TV-Show schickt Komikerin Christine Eixenberger Politikerinnen, Politiker, Parteien, Organisationen oder andere bekannte Persönlichkeiten, die sich zuletzt nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, zum „Nachsitzen“! (Bild: Getty Images/Hannes Magerstaedt)
Eixenberger: Ich machte im Studium zwar ein sogenanntes Intensiv-Praktikum und durfte ein Jahr lang in Begleitung meiner Professorin unterrichten. Allerdings kann ich das nicht mit dem echten Schuldienst vergleichen, weil mir die jahrelange Praxis fehlt. Nichtsdestotrotz gibt es in der Schule klare Bewertungen: richtig oder falsch. Auf der Bühne - oder auch jetzt in der TV-Show - ist das anders. Da beleuchten wir politische Themen mit satirischem Handwerkszeug von verschiedenen Seiten. Es gibt keine Noten, das Publikum entscheidet. Meine Gäste, bekannte Comedy- und Kabarettgrößen, bringen jeweils zwei Nominierungen mit: für Unternehmen, Politikerinnen und Politiker oder Organisationen, die sich zuletzt einen Fauxpas geleistet haben. Das Studiopublikum stimmt letztlich ab, wer den 'Blauen Brief' bekommen soll.
Kinder im Umgang mit Medien schulen
teleschau: Beschränken Sie sich auf Bayern oder nehmen Sie ganz Deutschland ins Visier?
Eixenberger: Es gibt auf jeden Fall bayerische Aushängeschilder - klar, es läuft im BR Fernsehen. Aber weil es auch in der ARD Mediathek bundesweit abrufbar ist, wollen wir nicht nur bayerische Aspekte zeigen, sondern alle ein bisschen abholen.
teleschau: Warum etablieren Sie die Show gerade jetzt im TV? Das hätte sich in den vergangenen Jahren wohl auch schon angeboten.

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Christine Eixenberger verkörperte nicht nur in der Serie „Lehrerin auf Entzug“ eine Grundschullehrerin. Die Schauspielerin kann auf echte Erfahrungen aus ihrer Studienzeit zurückblicken. (Bild: ZDF / Bernd Schuller)
Eixenberger: Letztes Jahr rief mich der BR-Programmbereich Unterhaltung an. Sie meinten: 'Wir würden gerne mal eine Show mit dir machen.' Als ich fragte, worum es gehen soll, hieß es: 'Um was du willst.' Constantin Entertainment lieferte dann die Idee, die ich gerade wegen meines pädagogischen Backgrounds interessant fand. Bildungsthemen bekommen in der öffentlichen Debatte oft zu wenig Raum. Was Lehrerinnen und Lehrer leisten und wie sehr es beispielsweise an Digitalisierung in deutschen Schulen mangelt, hat man in der Coronazeit während des Homeschoolings bemerkt. Und dann schnell wieder vergessen.
teleschau: Stichwort „Medienkompetenz“ im Grundschulalter ...
Eixenberger: Ganz genau. Man muss sich nur einmal vor Augen halten, in welchen Zeiten wir leben: Fake News fluten sekündlich unsere Timelines, rechtsextremistische Parteien wie die AfD feiern immense Erfolge mit perfider Desinformation, die KI ist mittlerweile so gut geworden, dass ich mir teilweise selbst nicht mehr sicher bin: 'Hö? Bin ich das jetzt oder ist das KI-generiert?'. In diesen Zeiten ist es essenziell wichtig, Kinder im Umgang mit Medien zu schulen. Auch, damit unsere Demokratie weiterhin funktionieren kann.
„Humor ist eben Geschmackssache“
teleschau: Vieles in Ihrer Show ist satirisch zugespitzt - wo ziehen Sie persönlich die Grenze zwischen Komik und Diffamierung?
Eixenberger: Mir ist auf der Bühne immer wichtig, nicht nach unten zu treten, sondern im Zweifel nach oben. Ich weiß, die Frage zielt vielleicht auf das Thema 'Was darf Satire?' ab. Ich finde, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich zählt, dass man sich mit den 'Großkopferten' und Missständen auseinandersetzt. Nach unten zu treten ist einfach - aber auf Respektsebene für mich nicht richtig.

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Christine Eixenberger hat eigentlich Grundschullehramt studiert - bis sie dem Ruf der Bühne folgte. Nun lädt sie ihr Publikum in ein symbolisches Klassenzimmer ein. (Bild: BR/Markus Konvalin)
teleschau: Wurden Sie selbst schon einmal für Ihre satirische Arbeit kritisiert?
Eixenberger: Nee, daran kann ich mich ehrlich gesagt nicht erinnern. Klar, wenn man sich auf Social Media zeigt, kommen mal Kommentare wie: 'Was soll daran lustig sein?' - aber Humor ist eben Geschmackssache. Solange keine echten Beschwerden hereinflattern, sehe ich das gelassen. Sollte ich eine Personengruppe unangebracht verletzt haben, bin ich bereit, einzugestehen: 'Hoppala, da bin ich etwas über das Ziel hinausgeschossen', und mich gegebenenfalls auch zu entschuldigen. Und auf jeden Fall offen damit umzugehen.
teleschau: Scheint, als sprechen Sie da aus Erfahrung ...
Eixenberger: Nein, mir persönlich ist das so noch nicht passiert. Ich habe auf Social Media das Gefühl, dass meine Community recht respektvoll ist - was ja heutzutage auch nicht mehr selbstverständlich ist. Selbst bei politischen Inhalten, etwa gegen die AfD, wird eher ignoriert als gehetzt. Vielleicht mal ein, zwei Nachrichten - aber nichts Krasses.
„Wir vereinen kluge Köpfe mit Kante und Haltung“

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Anlässlich des Starts ihrer neuen Show verrät Christine Eixenberger, dass sie gemeinsam mit prominenter Unterstützung den Leuten „den Spiegel vorhalten“ will. (Bild: BR/SARIPICTURE/Sarah Domandl)
teleschau: Was sagen Sie Menschen, die der Meinung sind, dass sich Satire aus der Politik raushalten und nur unterhalten soll?
Eixenberger: Das finde ich einen spannenden Ansatz, weil Satire und Kabarett ja genau das bedeuten: den Leuten den Spiegel vorzuhalten, Politik überspitzt zu betrachten und medial vernachlässigte Missstände aufzuzeigen. Wir Kabarettisten sind die Hofnarren der Gegenwart! Wenn Menschen sagen, Politik habe auf der Bühne nichts verloren, konterkariert das den Sinn dieses Berufs. Zum Jahresbeginn platzierte ich bei einer Show ein Statement zur politischen Lage. Daraufhin kam danach jemand zu mir und meinte: 'Das war schön, aber Politik gehört nicht auf die Bühne.' Solche Meinungen gibt's - viele Menschen sind überlastet von Themen, Konflikten und sehnen sich nach einem unbeschwerten Abend. Das verstehe ich.
teleschau. Aber?
Eixenberger: Aber wenn man Unterhaltung mit Haltung macht, gehört es für mich dazu, Stellung zu beziehen. Diese Meinung muss das Publikum aushalten können. Ich habe auf meiner Bühne Meinungsfreiheit, und wer sich daran stört, dem kann ich auch nicht helfen (lacht). Was ich mich bei der Anmerkung dieses Herrn, Politik gehöre nicht auf die Bühne, dann aber schon gefragt habe: Hätte er das auch einem männlichen Kollegen gesagt? Denn diese Kritik - dass ich als Frau politische Inhalte satirisch besser meiden sollte - habe ich schon öfter gehört. Und das sehe ich komplett anders.
teleschau: Um dem entgegenzuwirken: Würden Sie als Wunsch-Kollegen vielleicht Größen wie Monika Gruber, Lisa Eckhart oder Lisa Feller zu sich in die Show einladen - für geballte 'Frauenpower'?

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Seit 2016 verkörperte Christine Eixenberger die Feuerwehrfrau Marie in „Marie fängt Feuer“. Im Mai wurde die Serie allerdings wegen sinkender Quoten abgesetzt. (Bild: ZDF/Susanne Bernhard)
Eixenberger: Grundsätzlich wäre eine rein weiblich besetzte Runde durchaus denkbar. Früher hat es ja auch niemanden gestört, wenn ausschließlich Männer auf der Bühne standen - das hat niemand hinterfragt. Zumindest nicht die Männer. Aber für diese Staffel sind wir tatsächlich schon voll besetzt: Zum prominenten Kollegium der Show gehören Michael Kessler und Maxi Gstettenbauer, Christian Springer und Lara Ermer, Lisa Feller und Ralf Winkelbeiner sowie Michael Altinger und Antonia Stabinger. Ich denke, wir vereinen bei „Nachsitzen“ kluge Köpfe mit Kante und Haltung - ganz gleich, welchen Geschlechts.
„Solange ich meine Miete zahlen kann, ein Auto und etwas Geld übrig habe, ist alles fein“
teleschau: Zurück zu Ihren Anfängen: Was hat Sie zur Kabarett-Bühne geführt?
Eixenberger: Das ist eine längere Geschichte. Ich habe ursprünglich Jura studiert, wollte eigentlich Rechtsanwältin werden - aber ich merkte schon während der ersten beiden Semester: „Boa, das ist ja genau so trocken wie alle sagen.“ Dann fragte mich mein Mentor Tobias Öller, ob ich mit ihm auf die Bühne will. Das klang spannend und war ein willkommener Grund, das Studium abzubrechen. Danach war ich erst mal ein bisschen lost, bis ich durch Zufall an eine Grundschule am Tegernsee kam, wo ich vier Monate halbtags in der Schule, halbtags im Kinderhort arbeitete. Die Kinder in dem Alter haben so eine Begeisterung, eine echte Lernfreude - das faszinierte mich so, dass ich mich für Lehramt einschrieb. Bereut hab ich's nie. Parallel lief aber auch die Bühne weiter. Bei einem Firmenauftritt musste ich mal einspringen, Tobi hat mir ein halbstündiges Programm geschrieben - und das lief. So kam ich überhaupt erst selbst zum Schreiben.
teleschau: Ein Moment, in dem Sie wussten: jetzt oder nie?
Eixenberger: Das kam dann mit dem zweiten Solo-Programm. Da musste ich mich entscheiden: Entweder Referendariat oder Bühne. Ich bin so erzogen worden, dass ich nicht viel brauche. Als ich aus dem Elternhaus auszog, war mir klar: Solange ich meine Miete zahlen kann, ein Auto und etwas Geld übrig habe, ist alles fein. Ich beschloss: Solange es Schritt für Schritt weitergeht und ich davon leben kann, ist das mein Weg - dafür gab ich mir fünf Jahre Zeit. Und heute, nach über zwölf Jahren, bin ich sehr happy mit der Entscheidung. Vor allem, wenn mal jemand aus dem Publikum nach der Show sagt: „Mir geht's gerade richtig schlecht, aber ich konnte heute zwei Stunden einfach mal abschalten.“ Es gibt für mich nichts Schöneres.
„Ins kalte Wasser gesprungen bin ich selbst“
teleschau: Und das alles, weil Sie jemand ins kalte Wasser geworfen hat ...
Eixenberger: Ja, da gab es nicht viel Raum zur Entscheidung - ich stand plötzlich auf der Bühne, und es hieß: „Das schaffst du schon!“ Diesen Push habe ich gebraucht. Ins kalte Wasser gesprungen bin ich selbst. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es unglaublich wertvoll ist, Menschen um sich zu haben, die etwas in einem sehen, was man selbst noch nicht erkannt hat - und die an einen glauben. Nicht, weil man keinen Selbstwert hat, sondern weil man oft gar nicht auf die Idee kommt, dass da beruflich etwas drinstecken könnte. Wenn dir dann jemand sagt: „Probier's einfach. Wenn's nicht klappt, ist nichts kaputt“ - das kann entscheidend sein. So war's bei mir.
teleschau: Was wünschen Sie sich, dass die Zuschauer und Zuschauerinnen nun aus Ihrer neuen TV-Show mitnehmen?
Eixenberger: Am liebsten natürlich: ein Grinsen im Gesicht - und einen Gedanken im Kopf, der noch ein bisschen nachhallt. Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer nach der Sendung sagen: „Ha! Stimmt eigentlich, so hab ich das noch gar nicht gesehen“, dann ist schon viel gewonnen. In erster Linie ist „Nachsitzen“ eine Unterhaltungsshow - die Leute sollen lachen, auch über sich selbst. Und natürlich darf man gern ein kleines bisschen Genugtuung empfinden, wenn jemand für seinen Unsinn symbolisch den „Blauen Brief“ kassiert. Mir wird es zumindest so gehen (lacht). (tsch)