Wie im „Tatort“So arbeiten echte Super-Recognizer bei der Polizei in NRW

Die Super-Recognizerin Beate Gräske (Sar Adina Scheer, rechts) unterstützt Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger, links) im "Tatort" aus Dortmund am 23. April 2023 bei der Suche nach dem Täter.

Szene aus dem Dortmunder „Tatort“, ausgestrahlt am 23. April 20223: Sar Adina Scheer (rechts) spielt an der Seite von Stefanie Reinsperger eine Super-Recognizerin.

Im Dortmunder „Tatort“ faszinierte eine Super-Recognizerin. Polizistinnen und Polizisten mit dem „Superblick“ gibt's auch in NRW. 

von Andrea Kahlmeier (ak)

Szene aus dem Dortmunder „Tatort“ vom 23. April 2023: Straßenbahnfahrer Hamza Arkadas wird während seiner Nachtschicht niedergestochen. Zeugen gibt es keine. Deshalb wird eine Super-Recognizerin zurate gezogen. Mithilfe von Überwachungskameras macht sie sich auf die Spur des Täters.

Denn sie erkennt jedes Ohrläppchen, jedes Kinn und jedes Grübchen wieder, das sie einmal gesehen hat. Gibt’s solche Gesichtsprofis, wie sie heute im Krimi gezeigt werden, wirklich?

„Tatort“: Die Polizisten mit dem Superblick gibt's auch in NRW

Die Polizei setzt mittlerweile verstärkt auf Menschen mit diesen besonderen Fähigkeiten in ihren Reihen, um unter anderem Einbrecher, Messerstecher, Hooligans & Co. – oft auf verschwommenen Überwachungskamera-Standbildern – zu identifizieren:

  • 8. April 2022: Razzia in Flüchtlingsheimen in Köln und Wuppertal nach einem tödlichen Angriff auf einen 37-Jährigen in Köln-Höhenberg. Mit Hilfe von Super-Recognizern gelingt es, 18 Verdächtige zu identifizieren.
  • 8. September 2022: Schwere Ausschreitungen beim Champions League-Spiel in Nizza. Ein Super-Recognizer erkennt anhand der Videos einen Hooligan aus FC-Reihen, der schon bei Ausschreitungen gegen Gladbacher Fans festgenommen worden war.
  • Silvester 2022, Koblenz: Jugendliche attackieren Polizisten, werfen Böller. Super-Recognizer identifizieren zwei der Rabauken. Wie schon bei den schweren Silvesterausschreitungen 2015 in Köln. Damals wurde allerdings noch eine spezielle Einheit des Metropolitan Police Service in England zurate gezogen.

Experten aus anderen Ländern beizuziehen, ist heute nicht mehr nötig, die Polizei hat längst den Wert ihrer Mitarbeiter mit dem Superblick erkannt. Vor genau einem Jahr wurde ein Pilotprojekt in NRW gestartet – mit einer speziellen Testsoftware. In Dortmund, Essen, Düsseldorf, Köln, Bochum und Siegen-Wittgenstein sucht die Polizei nun gezielt Beamtinnen und Beamte mit dieser besonderen Fähigkeit.

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NRW-Innenminister Herbert Reul ist überzeugt, dass tausend Super-Recognizer in der nordrhein-westfälischen Polizei schlummern könnten. Allein in Köln haben mittlerweile rund 40 Beamte den Test erfolgreich bestanden (vom Wachtmeister bis zum Kommissar), auf die man im Fall der Fälle zurückgreifen kann.

Es gebe keine spezielle Ausbildung oder Fortbildung, erklärt ein Pressesprecher im Gespräch mit EXPRESS.de. Entweder man habe diese Fähigkeit – oder eben nicht. Fakt ist: Rund ein bis zwei Prozent der Menschen besitzen den Superblick, sind damit sogar moderner Technik überlegen.

Dortmunder „Kommissar Superblick“ bringt Räuber in den Knast

Sie sind nicht auf eine gute Bildqualität der Überwachungskameras angewiesen, sondern erkennen Gesichter auch wieder, wenn die Person inzwischen ihre Frisur geändert, Sonnenbrille oder Vollbart trägt oder um Jahre gealtert ist. Wie Kriminaloberkommissar David P. aus Dortmund. Er studierte z. B. das Videomaterial von leer geräumten Geldautomaten, erkannte wiederholt einen jungen Mann mit kurz geschorenen Haaren und schleichendem Gang.

Vor Gericht erschien der mit langen Haaren, die Richterin konnte ihn in den Filmsequenzen nicht eindeutig zuordnen. „Aber die Staatsanwaltschaft konnte aufgrund unserer Hinweise deutlich machen, dass der Angeklagte mit der Person auf dem Bildmaterial identisch war“, so der Kriminalbeamte im Polizeimagazin „Auf Streife“. Der Geldautomatenknacker wurde verurteilt.

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Vor Gericht werden die Gesichtsprofis als Zeuge eingestuft, deren Aussage Relevanz hat. „Verdachtsschöpfende Hinweise“ allein reichen für eine Verurteilung nicht aus und müssen durch Beweismittel bestätigt werden. Es sind oft nur kleine Details, die die Super-Recognizer wie auf einer Festplatte im Hirn abspeichern – die Stellung der Augenbrauen, der besonderer Haaransatz, Muttermale, Nasolabialfalten.

„Das Ohr ist für mich auch ein wichtiger Hinweis“, erklärte Super-Recognizer Niklas B. aus Köln im EXPRESS.de-Interview, als er nach der Messerattacke in Höhenberg auf den ersten Bildern direkt mehrere Personen wiedererkannte, die er schon mal festgenommen hatte. Er präge sich auch die Körperhaltung ein, wie die Fußstellung ist oder wie ein Mensch geht. „Manchmal kann ich es gar nicht so festmachen, sondern es ist ein Klick – Moment, den kenne ich.“

Sind Sie ein Genie in Sachen Gesichtserkennung? Machen Sie den Test

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Sie schon von Kindheit an ein menschliches Bildgedächtnis haben, das phänomenal ist? Jemanden wiedererkennen, der sich über die Jahre komplett verändert hat? Dann testen Sie doch mal, ob Sie einen Super-Recognizer abgeben würden. Ein Forschungsteam der University of Greenwich hat unter superrecognisers.com einen Test online gestellt. Ist allerdings zum Privatvergnügen.

Die Polizei setzt bis dato nur Beamte aus ihren Reihen ein. „Eine Prüfung der Erweiterung des Bewerberkreises ist Gegenstand der weiteren Projektdurchführung“, so das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW. (ak)