Lockerungen zu früh?Ranga Yogeshwar warnt: Wir übersehen einen fatalen Fehler

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Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar am Donnerstagabend in der Sendung „Maybrit Illner“.

Köln – Nach wochenlangem Shutdown atmen die Menschen auf: Endlich gibt es entscheidende Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen. Aber ist der Optimismus vielleicht verfrüht?

Auch im ZDF-Politiktalk „Maybrit Illner“ ging es um diese Frage. Zu Gast unter anderem TV-Physiker Ranga Yogeshwar. Er vertrat in der Sendung eine betont kritische Haltung zum politischen Neustart in Deutschland.

Das Tückische an der jetzigen Situation sei, dass wir über ein Risiko reden, das nicht offensichtlich ist. Wir in Deutschland hätten in der Corona-Pandemie ungeheures Glück gehabt. In anderen Ländern haben dagegen hautnah erleben müssen, was das Virus anrichten kann.

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Ranga Yogeshwar: „Unsere Wahrnehmung wird jetzt völlig verdreht!“

„Unsere Wahrnehmung wird jetzt völlig verdreht durch die Einstellung, es sieht jetzt wieder alles gut aus“, erklärte Yogeshwar. „Wir haben den trügerischen Schein, die Zahlen sind niedrig, manche sagen ja sogar, wir sind über den Berg, und verkennen: Wir sind nicht mal in der Mitte, wir sind immer noch am Anfang dieser Pandemie.“

Dabei kann Ranga Yogeshwar den Druck in der Politik und auch aller anderen verstehen, gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen wieder öffnen zu wollen. Es gebe so viele Menschen, die existenzielle Probleme haben, das wisse auch er selbst natürlich.

Ranga Yogeshwar plädiert für mutigere Politik in der Corona-Krise

Auch in dieser aktuellen Phase der Pandemie hält er einen anderen Weg als den der Lockerungen für notwendig. Yogeshwar wünscht sich eine Politik, die den Mut hat, zuzugeben, dass wir jetzt wirklich in einer globalen Krise stecken. „Diese unangenehme Zeit muss noch verlängert werden, damit danach – und das ist das Entscheidende – es mittel- und langfristig wirklich viel besser wird.“

Die Gefahr sei, dass wir jetzt in einem Zustand der Infektionswelle steckenbleiben, der dadurch auch noch viel länger andauern könne.

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„Wir müssen uns klarmachen, dass die Statistiken und offiziellen Zahlen, die wir haben, nur einen Teil der Wirklichkeit widerspiegeln“, so Yogeshwar weiter. „Nämlich nur die Menschen, die getestet wurden. Andere, die nur unter geringen Symptomen leiden, sind in dieser Statistik nicht enthalten. Andere haben sogar gar keine Symptome, sind aber trotzdem infektiös.“

Seine Schlussfolgerung: Diese Zahlen seien zuerst einmal ziemlich „wackelig“.

Ranga Yogeshwar warnt bei Maybrit Illner vor fatalem Fehler

Der fatale Fehler liege Yogeshwar zufolge in der Konstruktion der Corona-Obergrenze. „Niemand will den Ast absägen, auf dem er sitzt.“ Das Problem sei, dass die gleichen Behörden jetzt die Tests durchführen, die beim Erreichen der Obergrenze dann auch die Konsequenzen tragen müssen.

„Auf den Beamten lastet so ein hoher Druck. Wie wird man mit steigenden Zahlen umgehen? Wird man möglicherweise sogar versuchen, die Zahlen zu glätten oder umzudeuten, um die Betriebe nicht schon wieder zumachen zu müssen?“, befürchtet Yogeshwar.

Dem TV-Wissenschaftsexperten zufolge kein so abwegiges Szenario. Man sehe ja schon heute, dass die Zahl 50 der Neuinfektionen nicht in Stein gemeißelt sei.

„Ich habe einfach die Sorge, dass man die Wichtigkeit dieser Zahl vor dem Druck der anderen Interessen möglicherweise korrumpieren“, gibt Yogeshwar zu bedenken. Er plädiert stattdessen für eine echte Unabhängigkeit des Testens und einen anderen Mechanismus. (jv)