Vom Postboten zum ChartsstürmerShanty-Boom: Warum Seemannslieder auf TikTok abgehen

Neuer Inhalt (1)

Der schottische Postbote Nathan Evans hat mit seiner Coverversion von „The Wellerman“ einen Shanty-Hype ausgelöst.

Airdale – Es war einmal... ein schottischer Postbote, der gern Seemannslieder trällert. Nachdem er im kleinen Airdale alle Briefe verteilt hatte, lud er im Dezember auf TikTok einen Shanty-Song hoch. „The Wellerman“ ging in Corona-Zeiten viral ab. Mittlerweile rund 170 Millionen Mal geliked auf TikTok, 15 Millionen mal aufgerufen auf Spotify, in vielen Single-Charts auf Platz 1.

  • Nathan Evans ist dank TikTok weltberühmt 
  • Warum Seemannslieder uns in der Corona-Krise so viel Trost spenden
  • Gemeinsamer Song mit „Santiano“ erscheint am Freitag, 19. Februar 2021

Nathan Evans (26) ist kein Postbote mehr, hat einen fetten Plattenvertrag. Und jetzt hat ihn die bekannteste deutsche Seemannsband an Bord geholt.

Seemannslied geht auf TikTok viral

Kein Seemannsgarn, sondern ein Musikmärchen, das ans Herz geht: Ein junger Kerl schafft es mit einem gecoverten, 200 Jahre alten Seemannslied aus Neuseeland, selbst Teenies für Shanties zu begeistern. Bei Seemannsliedern dachten viele höchstens an Brummbären in Matrosenhemden, die Seniorenkränzchen im Hafen unterhalten. Vielleicht noch an „What Shall We Do with the Drunken Sailor“, einst trunken auf Klassenfahrten mitgegrölt.

Alles zum Thema Corona

Aber Nathan, der schmächtige Postbote, der da in der TikTok-Ursprungsversion in seinem Zimmer sitzt, mit einem Holz in der Hand den Takt vorgibt und diesen Ohrwurm schmettert, hat einen Nerv getroffen. In dem Song geht’s zwar um die harte Arbeit der Walfänger, aber es gibt viele Parallelen zur Pandemie: Während die Walfänger auf ihrem Schiff gefangen sind, sitzen „Landratten“ heute in ihren vier Wänden fest – und warten auf bessere Zeiten. Und wenn die Seeleute der harten Brise trotzen, kriegt der Corona-Sturm uns auch nicht klein. Basta!

Gut für ein Lächeln in trüben Zeiten

„Der Song bringt einfach jeden etwas zum Lächeln“, glaubt Evans. Gerade jetzt, wo alle zu Hause säßen, habe das bestens funktioniert, jeder könne mitsingen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn die moderne Technik macht’s möglich: Auf TikTok haben sich mittlerweile Dutzende in das Ursprungsvideo von Evans zugeschaltet – Musiker, Sänger oder sogar Kermit der Frosch, zig Versionen geistern durchs Netz.

Unter #Seashanty erleben auch andere Seemannslieder wieder ein erstaunliches Revival. Klar, dass die bekanntesten deutschen Seebären jetzt auch auf der Wellerman-Welle surfen wollen.

Nathan Evans und „Santiano“ veröffentlichen Lied

„Santiano“ haben sich den Schotten an Bord geholt und veröffentlichten am Freitag gemeinsam mit Evans seinen Superhit. „Er hat den Shanty über die Social-Media-Plattform TikTok wieder zum coolen Gassenhauer gemacht“, schreibt die Band auf Facebook.

Neuer Inhalt

Chartstürmer: Jetzt haben sich Santiano (v.l. Andreas Fahnert, Hans-Timm Hinrichsen, Peter David Sage, Björn Both und Axel Stosberg) Nathan Evans für eine gemeinsame Single an Bord geholt.

Sie musste ihre Tournee 2020 wegen Corona zweimal verschieben, will endlich im Herbst durchstarten. Ob Evans am 29. September in der Kölner Lanxess-Arena mit von der Partie ist? Man darf gespannt sein...

Seemannlieder auch bei uns in Kölle

„Ein toller Song“, findet auch Reinhold Koytek, Chorleiter und Solist beim „1. Kölner Shanty Chor, Marinekameradschaft Köln von 1891“. Ja, auch das Rheinland kann Shanty. Der Chor mit 20 Sängern und vier hochklassigen Musikern hatte bis zum Lockdown rund 1000 Auftritte absolviert, darunter auch viele Konzerte auf amerikanischen Touristenschiffen, die in Köln ankerten. Tipp für neue Fans des Genres: Einfach mal unter www.1koelner-shantychor.de reinhören.

Neuer Inhalt (2)

Erfolgreich mit Shanties im Rheinland: Der erste „Kölner Shanty Chor, Marinekameradschaft Köln von 1891“.

Die wahren Seeleute würden übrigens viel lieber einen anderen Song anstimmen. Hunderttausende sitzen weltweit in Häfen fest. Allein 50 Matrosen aus Kiribati, die wegen Corona nicht in ihre Heimat reisen dürfen, harren seit Wochen in einer Hamburger Jugendherberge aus. Wann heißt es für sie: „Auf, Matrosen, die Anker gelichtet, Segel gespannt, den Kompass gerichtet?“

Der Ursprung des Shanty

Früher hatten die Seeleute einen echten Knochenjob, mussten ohne Maschinen an einem Strang ziehen. Den laut gegen Wind und Wetter herausgebrüllten Befehlen des Shantyman antworteten sie mit ihrem Gesang, der meist mit einem „Haul“ und dem Zug am Tau endete. Ziemlich unmelodisch, aber motivierend beim Tauziehen und Deck schrubben. In den späteren „Sea-Songs“ hingegen waren Heim- und Fernweh die großen Themen.