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„Für mich unerträglich“Schrieb Musikgeschichte: Joachim Witt spricht Klartext – und vielen aus der Seele

Joachim Witt beim Talk im Kölner Savoy-Hotel

Joachim Witt vor einem goldenen Pferd im Kölner Savoy-Hotel. Zum Interview kam der Sänger in seinem besonderen Outfit.

Joachim Witt: Ikone der „Neuen Deutschen Welle“, sein „Goldener Reiter“ machte ihn unsterblich. Mit EXPRESS sprach er über wilde Zeiten, sein neues Album, gesunden Lebenswandel und Outfits, die ihn glücklich machen.

von Horst Stellmacher (sm)

Immer wieder sah es so aus, als erlitte er dasselbe Schicksal wie seine berühmteste Figur, der „Goldene Reiter“: So hoch auf der Leiter – und dann fiel er ab. Doch Joachim Witt (74) konnte sich fangen und erneut aufsteigen. Jetzt ist er wieder ganz oben und will da bleiben. Er hat den neuen Hit„Schwör mir“, singt mit Marianne Rosenberg, veröffentlicht ein neues Album, geht auf Tour. Gute Gründe für ein Gespräch.

Gerade erst sind Sie mit Ihrem „Goldenen Reiter“ bei Florian Silbereisen umjubelt worden. Ein Song, der zu Beginn Ihrer Karriere vor über 40 Jahren entstanden ist. Hätten Sie sich damals vorstellen können, dass er fast ein halbes Jahrhundert überdauern wird?

Joachim Witt: „Der Goldene Reiter“ ist Markenzeichen einer musikalischen Ära

Joachim Witt: Nein, das lag außerhalb meiner Vorstellungskraft. Wenn mir das damals jemand hätte einreden wollen, hätte ich ihn nicht ernst genommen. Ich habe das ja mit einer bestimmten Intention geschrieben, als Protest gegen den damals schon ausufernden Kapitalismus mit all seinen Auswirkungen. Ich habe nie daran gedacht, dass das ein Evergreen werden könnte.

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Stört es Sie nicht, dass Sie den „Reiter“ bei jeder Veranstaltung singen müssen?

Joachim Witt: Warum sollte mich das stören? Der Titel ist ein Markenzeichen der Neuen Deutsche Welle geworden und immer noch auf der Höhe der Zeit. Dadurch hat er ein besonderes musikhistorisches Gewicht bekommen.

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In derselben Sendung haben Sie Ihren aktuellen Hit „In unserer Zeit“ vorgestellt, den Sie mit Schlager-Ikone Marianne Rosenberg aufgenommen haben. Wie ist es zu diesem Zusammenspiel gekommen?

Joachim Witt: Seit meiner Jugend ist Marianne in meinem Kopf. Ich liebe ihre außergewöhnliche Stimme und ihre Lieder. Vor fünf Jahren war ihr „Du gehörst zu mir“ mein Hochzeitslied. Da lag es nahe, sie zu fragen.

Viele Fans mussten mehrere Male hingucken, um Sie bei diesem Auftritt zu erkennen. Auch zu unserem Treffen sind Sie in diesem besonderen Outfit gekommen: Kutte, Kette, Hut, dazu der weiße Bart. Warum ist das so?

Joachim Witt: Na ja, Kutte würde ich es nicht nennen wollen, dazu ist das Oberteil viel zu edel. Ich trage das alles, weil es mir gefällt, weil ich es cool finde. Ich denke mir gern etwas aus, womit ich mich wohlfühle und was gleichzeitig was Besonderes ist.

Und der weiße Bart?

Joachim Witt: Ich mag mich damit, er passt zu meinem Alter.

Talk Horst Stellmacher mit Joachim Witt

EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher im angeregten Gespräch mit Joachim Witt.

Äußerliche Auffälligkeiten waren bei Ihnen immer festzustellen. Damals, als Sie die Neue Deutsche Welle aufmischten, fiel in den Videos ihre Art der Bewegung auf. Konnten Sie nicht tanzen – oder wollten Sie nicht?

Joachim Witt: Beides ist falsch. Wie ich mich auf der Bühne bewegte – das war eine besondere Kunstform. Ich konnte sehr gut tanzen, habe mir deswegen Tanz-Bewegungen ausgedacht, die nicht jeder machte. Das war eine gewisse Strategie, damit wollte ich Aufmerksamkeit erregen. Ist ja oft bei Künstlern so: Sie machen bestimmte Dinge, die so auffällig sind, dass sie in Erinnerung bleiben. Allerdings habe ich mir damit auch mal eine Leistenzerrung zugezogen! (lacht)

Wenn wir heute an die Neue Deutsche Welle denken, geht es oft um Spaßmusik und die Leichtigkeit der 80er. War das so gewollt?

Joachim Witt: Nein, wir hatten zu Beginn ein politisches Anliegen. Die Musik war am Anfang eher subversiv, sie war ungewöhnlich. Sie wendete sich gegen allzu Traditionelles und die überholten musikalischen Ausdrucksformen der 70er. Wir wollten uns von dem vorherrschenden Angloamerikanischen lösen und eine eigene Musikkultur aufbauen. Es sollte deutschsprachig sein, und es klappte auch. Doch als dann erkannt wurde, dass sich diese neue, deutschsprachige Musik so gut vermarkten lässt, wurde alles oberflächlicher.

Am 16. September 2023 treten Sie im „Club Volta“ an der Kölner Schanzenstraße auf. Da stellen Sie Ihr neues Album, „Der Fels in der Brandung“ vor, das einen Tag früher erscheint. Was bedeutet der Titel?

Joachim Witt: Standhaftigkeit, Willensstärke, Rückhalt und Vertrauen, Verlässlichkeit und Charakterstärke.

Wer ist eigentlich der Fels in Ihrem Leben?

Joachim Witt: Der Goldene Reiter!

Sie haben schon einiges durchgemacht – Erfolge, Abstürze, Neuanfänge, Reichtum und Pleiten. Gab es in Ihrem Leben den Fels, auf den Sie bauen konnten?

Joachim Witt: Ja, er besteht aus meiner Ausdauer, meiner Beharrlichkeit und meinen Ideenreichtum!

Joachim Witt mit Band 1982

In den 80ern war Joachim Witt einer der großen Stars der „Neuen Deutschen Welle“, berühmt für seinen Tanzstil. Das Foto zeigt ihn und seine Band 1982.

Welche Songs Ihres Albums sollten wir besonders hören? Ich empfehle da zwei.

Joachim Witt: Da ist einmal der Titel „Jung“, ein sentimentaler Rückblick in die Kindheit und Jugend, in die Zeiten des Aufbruchs. Aber er sagt auch, dass bestimmtes Erleben nie wiederkehren wird. Und den Titel „Revolution“, in dem ich zur Besinnung auffordere. Besinnung auf das, was uns vereint und nicht auf das, was uns auseinander bringt. Dass Fairness und soziale Gerechtigkeit besser umgesetzt werden müssten. Es geht um positiv aufgeladene Veränderung. Der Mensch im Mittelpunkt! Wir sollten uns nicht länger gegeneinander ausspielen lassen! Der Gesinnungsterror im Moment ist für mich unerträglich.

Joachim Witt wird bald 75 – und spricht über seinen Lebenswandel

Sie sind seit 17 Jahren mit Ihrer Frau Juliane zusammen. Hat diese Liebe Einfluss auf Ihre Musik genommen?

Joachim Witt: Der Einfluss ist indirekt. Er entsteht dadurch, dass wir über alles miteinander sprechen. Dann nehme ich die Stimmung auf und lasse das meistens in meine Entscheidungen mit einfließen.

(In diesem Augenblick kommt Juliane dazu, eine zarte, selbstbewusste, ruhige Frau.)

Juliane: Ich möchte keinen Einfluss auf seine Musik nehmen. Aber ich denke schon, dass sich manches, was wir gemeinsam privat erleben und machen, in der Musik wiederfindet.

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Herr Witt, Sie werden im nächsten Jahr 75. Angst vorm Alter?

Joachim Witt: Mal so, mal so. Wobei ich glaube, dass sie bei Juliane stärker vorhanden ist.

Juliane: Es macht mir bewusst, dass alles endlich ist und unsere Beziehung eines Tages auf ganz natürliche Art endet. Das ist für mich heute schon ein schmerzhafter Gedanke.

Joachim Witt: Weil ich das weiß, achte ich auf mich. Ich will und werde auch mit 75 flexibel und wach bleiben. Mir ist schon lange klar, dass ich die Chance auf mehr gute Lebensjahre habe, wenn ich auf meinen Lebenswandel achte. Ich ernähre mich gesund, treibe Sport, rauche seit 1979 nicht mehr und trinke kaum noch Alkohol. Ich versuche, gegen die Nachteile des Alters anzusteuern. Bisher hat es geklappt, und das soll so bleiben.

Joachim Witt: Schlager, Schauspiel und „Promi Big Brother“

Joachim Witt (geboren am 22. Februar 1949 in Hamburg) betritt 1974 als Julian die Schlagerbühne („Ich bin ein Mann“). Schauspielausbildung, bis 1977 am Hamburger Thalia-Theater zu sehen. 1976 in der Rockband Duesenberg aktiv. 1980 folgt sein Solo-Album „Silberblick“. Der „Goldene Reiter“ (1981) wurde 2023 für 500.000 verkaufte Exemplare mit Platin ausgezeichnet. „Tri Tra Trullala (Herbergsvater)“ hieß ein weiterer Hit.

1998 sein Comeback mit Peter Heppner und „Die Flut“ (900.000 Exemplare verkauft). 2016 war er in der TV-Shows „Promi-Big-Brother“ zu sehen. 2018 sang er mit Lotto-King Karl die HSV-Hymne „Aufstehen!“ Am 15. September veröffentlicht er sein 20. Album „Fels in der Brandung“, tritt am 16. September in Köln auf. Er lebt in dritter Ehe mit der 39 Jahre jüngeren Juliane in Hamburg.