Bei Markus LanzSchulleiterin schlägt wegen „verheerender“ Situation auf Schulhof Alarm: „Wir haben Gewalt“

„Rohe Sprache“, Gewalt und Polizeieinsätze an deutschen Schulen: Die Schulleiterin Anja Mundt-Backhaus gab einen ungeschönten Einblick in ihren Alltag. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

„Rohe Sprache“, Gewalt und Polizeieinsätze an deutschen Schulen: Die Schulleiterin Anja Mundt-Backhaus gab einen ungeschönten Einblick in ihren Alltag. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Messer in Schulranzen, „rohe Sprache“ und Gewalt: Bei „Markus Lanz“ berichtete eine Schulleiterin von Gewaltdelikten und Übergriffen an ihrer Schule. CDU-Politikerin Karin Prien zog vor allem die Eltern in die Pflicht – und plädierte für ein Handyverbot.

Von Messerattacken bis hin zu regelmäßigen Polizeieinsätzen: Das Thema Gewalt an deutschen Schulen ist aktuell wieder in aller Munde. Laut ZDF-Moderator Markus Lanz müsse alleine in Berlin die Polizei mittlerweile fünfmal am Tag zu Einsätzen an Schulen ausrücken. In seiner Sendung wollte der Moderator dem Thema auf den Grund gehen, denn sicher ist: Die Anzahl der Gewaltdelikte an deutschen Schulhöfen steigt.

Das bestätigte auch Pädagogin Anja Mundt-Backhaus. Als Schulleiterin der „Integrierten Gesamtschule in Hannover“ (IGS) trägt sie Verantwortung für knapp 900 Kinder, die aus rund 40 unterschiedlichen Nationen stammen.

„Verheerend“: Schulleiterin klagt über Polizeeinsätze und Gewalt

Doch nicht unbedingt der Migrationshintergrund der Schüler führe zu mehr Gewalt, sondern die Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen. Anja Mundt-Backhaus erklärte dazu energisch, dass alleine Social Media „einen ganz verheerenden Einfluss auf viele Kinder“ habe. Zudem werde vielen Kindern zu Hause „nicht mehr vorgelesen“, und Kinder seien nur „mit dem Smartphone unterwegs“ anstatt mit Worten zu kommunizieren.

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Auch Theologe Manfred Lütz merkte sorgenvoll an, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kindern nicht mehr so wie vor 20 Jahren sei: „Ich glaube, es hat sich Erhebliches verändert.“ Dies führe laut CDU-Politikerin Karin Prien dazu, dass Schulen „viel mehr als früher Erziehungsaufgaben leisten“ müssten. Sie ergänzte: „Heute geht es erstmal um Erziehung, und dann geht es um Bildung. Und das ist natürlich ein völlig anderer Beruf geworden.“

Ein Handyverbot für Schülerinnen und Schüler könne laut Anja Mundt-Backhaus die Situation verbessern. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Ein Handyverbot für Schülerinnen und Schüler könne laut Anja Mundt-Backhaus die Situation verbessern. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Dem stimmte Soziologe Aladin El-Mafaalani zu und sagte, dass dadurch auch erkennbar sei, „dass Schulen überfordert sind, dass Lehrkräfte überfordert sind“. Dies nahm Karin Prien zum Anlass, die Forderung zu stellen, dass Eltern wieder mehr in die Pflicht genommen werden müssen: „Wer Kinder hat, der muss sich kümmern.“ In dem Zusammenhang sprach Markus Lanz auch den Brandbrief an, den Anja Mundt-Backhaus Mitte Januar an die Stadt Hannover geschrieben hat. Darin offenbarte sie unter anderem Reizgas-Angriffe, denen Kinder auf dem Schulweg ausgesetzt sind, Belästigungen auf Schultoiletten sowie Messer in Schulranzen. „Wir haben Gewalt. Wir haben ab und zu die Polizei im Haus“, schlug die Pädagogin Alarm.

Sie ergänzte im Gespräch mit Lanz: „Wir haben ganz schwierige Verhältnisse (...) an ganz, ganz vielen Schulen, die nicht Gymnasien sind. Auch an Gymnasien wird es schwieriger (...), und wir merken, dass wir deutlich an unsere Grenzen kommen.“ Sie nannte die Situation „verheerend“ und erklärte weiter: „Wir haben ganz viele Konflikte unter den Kindern. Wir haben eine aufgeladene Spannung, viel (...) rohe Sprache, die wir jetzt schon als Beleidigungen empfinden würden, Machtkämpfe.“ Laut der Schulleiterin sei in dem Zusammenhang auch das Problem, dass viele Kinder tatsächlich „nicht mehr einordnen“ können, wann sie übergriffig sind.

Aladin El-Mafaalani über deutsche Lehrkräfte: „Die gehen auf dem Zahnfleisch“

Als Lanz nach Lösungen fragte, gab Anja Mundt-Backhaus an, dass zumindest der städtische Ordnungsdienst mittlerweile den Schulweg absichere, „dass die Kinder sich wenigstens erst mal auf dem Schulweg sicher fühlen“. Gleichzeitig plädierte sie für „ein Handyverbot“. Dem schloss sich auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien an, die forderte, die Handynutzung „altersgerecht zu begrenzen und zu beschränken“.

Auch Soziologe Aladin El-Mafaalani konnte dem nur zustimmen und warnte davor, dass Pornos, Gewaltvideos oder auch Verschwörungstheorien mittlerweile „nur noch einen Klick entfernt“ seien und „immer früher konsumiert“ werden. In dem Zusammenhang warnte der Bildungs-Experte auch vor einer immer weiteren Überforderung der Lehrkräfte. Sie müssten mittlerweile mit immer größer werdenden Klassen und unterschiedlichen Kulturen sowie Religionen fertig werden. „Die gehen auf dem Zahnfleisch“, warnte Aladin El-Mafaalani.

Er erklärte in dem Zusammenhang, dass es zu wenig Personal an deutschen Schulen gebe, um den vielen Aufgaben gerecht zu werden. „Die Rahmenbedingungen, die sind noch aus einer anderen Zeit (...), die Rahmenbedingungen sind so 20 Jahre zurück“, erklärte der Soziologe. Dem widersprach Karin Prien jedoch vehement und merkte an: „Wir hatten noch nie so viel Personal an Schulen. (...) Wir haben viel mehr Lehrkräfte, wir haben viel mehr Schulsozialarbeiter, wir haben Schulassistenten.“

Lanz unterbrach die CDU-Politikerin streng: „Aber es reicht nicht.“ Prien musste sich daraufhin geschlagen geben, warnte in dem Zusammenhang jedoch auch vor dem baldigen Renteneintritt unzähliger Lehrkräfte. Aus diesem Grund gab sie zu: „Ich komme auch an meine Grenzen.“ (tsch)