„Dann haben wir ein Problem“Corona-Diskussion bei Lanz nimmt überraschende Wendung

Markus Lanz Thea Dorn

Thea Dorn hat bei Markus Lanz eine klare Meinung vertreten. 

von Sebastian Oldenborg (so)

Köln – Mit seinen Aussagen zum Mund-Nasen-Schutz hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, vor einer Woche eine heftige Diskussion bei Markus Lanz ausgelöst.

Und auch sechs Tage später war das Thema noch nicht durch. Am Dienstagabend (27. Oktober 2020) rückte Reinhardts Auftritt bei Lanz überraschend erneut in den Fokus – und sorgte wieder für ordentlich Gesprächsstoff.

Zu Gast bei Lanz waren:

  • Elmar Theveßen, Journalist
  • Tobias Hans, Ministerpräsident des Saarlands
  • Dr. Christine Dahlke, Virologin
  • Manfred Lütz, Psychiater
  • Thea Dorn, Autorin

Markus Lanz: Tobias Hans spricht über Corona-Regeln im Privaten

Beim Thema Corona hat zunächst CDU-Politiker Tobias Hans das Wort. Dabei geht es in erster Linie um die aktuelle Situation sowie die für den Mittwoch geplanten neuen Corona-Einschränkungen im Alltag.

Alles zum Thema Corona

Hans stellt klar: „Wenn wir jetzt nicht einschreiten, haben wir Anfang Dezember eine Überforderung unseres Krankenhaussystems.“ Welche Maßnahmen genau getroffen würden, könne er noch nicht sagen. Doch sei es wichtig, gerade im privaten Bereich die Kontakte zu reduzieren – auch wenn es wehtue.

„Wir sollten analysieren, wo wirklich Infektionsgeschehen passiert und das ist vor allem im privaten Bereich, da darf man den Menschen auch nichts vormachen“, so Hans.

Markus Lanz: Welchen Preis fordert der Kampf gegen Corona?

Da wird Autorin Thea Dorn hellhörig – oder wie sie es sagt: „natürlich sehr mulmig“. Sie sorgt sich vor allem um die vielen Single-Haushalte in Deutschland, um die „Rentnerin, die alleine zuhause sitzt“. Der jetzt die Kontakte verbieten? Das finde Dorn „unmenschlich“.

Sie hat mit dem Vorgehen der Politik ein großes Problem: „Mir schleicht sich zu früh, dieses furchtbare Wort der Alternativlosigkeit in den Diskurs“, sagt die Autorin. Man müsse sich überlegen, ob man nicht vielleicht „furchtbare Risiken“ in Kauf nehme, weil es zum Kern des Menschseins dazugehöre.

Dann nimmt die Debatte eine überraschende Wendung und dreht auf die Diskussion mit dem Ärzte-Präsidenten von vergangener Woche. Thea Dorn: „Herr Reinhardt musste zu Kreuze kriechen, weil er gewagt hat, Bedenken daran zu formulieren, dass die Ausweitung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum – wir reden über Freiluft – aus seiner Sicht auch einen Preis hat.“

Markus Lanz: Diskussion über kritische Corona-Meinungen

Da hakt Markus Lanz direkt ein und stellt klar: „Es konnte der Eindruck entstehen, dass ausgerechnet der Präsident der Bundesärztekammer, der nicht irgendwer ist, dass der in Frage stellt, ob das sinnstiftend ist, so eine Maske zu tragen oder nicht. Der Eindruck konnte entstehen.“

Doch Thea Dorn bleibt bei ihrer klaren Meinung: „Ich bin schockiert gewesen, mitzukriegen, wie sehr dieser Mann in die Mangel genommen wurde, weil ich den Eindruck habe, dass es den Diskurs, den wir so dringend brauchen – weil ganz ehrlich, wir haben wundervolle Wissenschaftler, wir haben aber noch eine andere Waffe in der freien, westlichen Welt: Das ist der offene, möglichst angstfreie, Diskurs, wo kritische Köpfe ihre Meinung sagen.“

Und weil sie diesen Diskurs in Gefahr bzw. nicht mehr gegeben sieht, kritisierte sie die Reaktionen auf den Auftritt von Klaus Reinhardt. Etwa die von SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der auf Twitter gefordert hatte, der Mediziner müsse alles zurücknehmen oder zurücktreten.

Autorin kritisiert bei Lanz den öffentlichen Diskurs

Die Autorin stellt klar: „Herr Reinhardt hat sich mitnichten gemein gemacht mit irgendwelchen Aluhütchen-Trägern oder irgendwelchen Verschwörungswirren, die sagen ‚schmeißt die Masken weg‘. Und wenn wir in diesem Land ein Klima erzeugen, wo wir nicht mehr unterscheiden, wie wir auf Wirrköpfe reagieren und mit kritischen Köpfen. Wenn wir sagen, wir müssen auch die kritischen Köpfe tendenziell zum Zurückrudern bringen, weil die könnten ja den Wirrköpfen Munition liefern, dann haben wir ein Problem.“

„Sie sind da wirklich auf dem Holzweg“, entgegnet Lanz und weist auf den „kurzen Moment“ hin, wo bei Klaus Reinhardt das Gefühl entstanden sei, dass das Tragen der Maske eine Frage der Meinung sei. „Ich finde, das ist keine Frage von Meinung. Entweder es bringt etwas oder es bringt nichts.“

Dieser Aussage stimmt Virologin Christine Dahlke zu. Und der Mund-Nasen-Schutz bringe ganz klar etwas. Sie sagt aber auch: „Wir sind keine Maschinen.“ Gerade wenn es emotional werde, könne man sicher auch mal die Maske ablegen. Dahlke: „Aber trotzdem brauchen wir diese Regeln.“ Denn viele Menschen seien verunsichert, weil besonders im Netz vieles kommuniziert werde, was gar nicht wahr sei.

Markus Lanz (ZDF): Gutes Zeugnis für deutsche Corona-Politik

Nun hakt auch Psychiater Manfred Lütz ein: „Zum kritischen Diskurs gehört dann auch Herr Lauterbach, auch wenn er sich manchmal etwas scharf ausdrückt.“

Er rückt einen ganz anderen Punkt in den Vordergrund: „Das entscheidende Problem ist nicht, dass er (Klaus Reinhardt, d. Red) als Arzt sehr sympathisch ist. Das entscheidende Problem ist die Rolle: Er ist Präsident der Bundesärztekammer.“ Und weiter: „Da kann man nicht einfach sagen: ‚Ich hab da mal ne Studie gelesen, also ich sehe das so‘ und dann mal einen Witz machen mit Vermummungsgebot.“

Markus Lanz Manfred Lütz

Psychiater Manfred Lütz plädiert dafür, dass jeder Einzelne im Kampf gegen Corona mehr tut, als er müsste.

Allgemein findet Lütz, dass wir „auf hohem Niveau“ klagen. „Ich finde, dass die Politiker in Deutschland es eigentlich sehr gut machen. Ich kenne kein Land der Welt, wo ich den Eindruck habe, die Politiker machen sich so ernsthafte Gedanken über diese Dinge.“

Provokante These bei Lanz: „Staatliche Regeln müssen unlogisch sein“

Und dann stellt er eine provokante These auf: „Die staatlichen Regelungen müssen aus meiner Sicht – um es provozierend zu sagen – immer unlogisch sein. Sie sind immer unlogisch, weil sie generalisierend sind.“

Um die Corona-Pandemie wirklich in den Griff zu bekommen, müsse jeder einzelne von uns „mehr tun, als erlaubt ist“. Damit meint er, sich noch strenger an die Vorgaben zu halten als vorgesehen. Manfred Lütz nennt als Beispiel, dass man sich mit zwei Familien ohne Mundschutz treffen könne. „Aber es spricht nichts dagegen, sich nicht vielleicht mit Mundschutz zu treffen.“

Lütz plädiert dafür, sicherheitshalber mehr zu tun als vorgeschrieben ist. „Dann könnte auch der Druck auf die Politik, jetzt in den Privatbereich einzugreifen – da bin ich ganz bei Frau Dorn – zurückgefahren werden. Denn das wird natürlich sehr gefährlich, wenn das Ordnungsamt und die Polizei bei uns im Wohnzimmer steht, dann geht’s mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schon bergab.“ (so)