Die gemeinsame Abstimmung von AfD und CDU sorgte noch vor wenigen Monaten landesweit für Empörung. Die neue ZDF-Dokureihe „Inside CDU“ geht nun der Frage auf den Grund, was sich im Januar 2025 hinter den Kulissen abspielte.
„Schlimmer, als ich befürchtet hatte“ZDF-Doku zeigt, wie sehr Abstimmung mit der AfD Merz belastete

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Was ging in Friedrich Merz nach der gemeinsamen Abstimmung mit der CDU vor?
Am 6. Mai soll Friedrich Merz zum Kanzler gewählt werden. Sowohl Union als auch SPD haben dem schwarz-roten Koalitionsvertrag zugestimmt; Merz’ baldiger Ernennung zum neuen Regierungschef dürfte kaum noch etwas im Wege stehen.
Beinahe vergessen scheint, was sich nur drei Monate zuvor im Bundestag und auf den Straßen der Republik abspielte. Wäre da nicht die fünfteilige ZDF-Reihe „Inside CDU“ (am Dienstag, 6. Mai, 20.15 Uhr, im ZDF und schon jetzt in der Mediathek), die pünktlich zur Kanzlerwahl zurückblickt - auf den Bruch der Ampelkoalition, den Wahlkampf, Söders Machtspielchen, aber auch auf die historische Abstimmung der Union mit der AfD.
Inside CDU: Merz-Doku dreht sich auch um AfD-Abstimmung
„Angst“ haben die Filmemacher die vierte Folge ihrer Doku-Serie passenderweise betitelt, scheint diese im Januar 2025 doch allgegenwärtig zu sein. Fürchten sich viele nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg um die innere Sicherheit, bangen andere vor allem um den Fortbestand der Demokratie: Am 29. Januar wird ein Antrag von CDU und CSU für einen verschärften Kurs in der Migrationspolitik auch mit Stimmen der AfD angenommen - ein bis dato einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestags.
Thorsten Frei spricht von „einer ganz typischen Situation“

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Philipp Amthor entschied sich, „den Kurs zu verteidigen, denn er war in der Sache richtig“.
„Die Entscheidung, nach Aschaffenburg 'all in' zu gehen, diesen Fünf-Punkte-Plan vorzustellen und im Bundestag zur Abstimmung zu stellen, hing mit der emotionalen Angefasstheit von Friedrich Merz zusammen“, erklärt RND-Hauptstadtkorrespondentin Alisha Mendgen im Film.
Es sei eine impulsive Entscheidung gewesen – getrieben von der „Angst vor der AfD“ und dem Druck aus der CDU, „jetzt noch mal einen draufzusetzen“. Innerhalb der Partei habe man sich Mendgen zufolge gesorgt, „dass die AfD den Bundestag als Bühne nutzen wird, um die Union anzugreifen – oder sogar, dass die AfD Anträge eingebracht hätte mit klarer Unionsposition, die dann die Union hätte ablehnen müssen“.
Die inhaltliche Verschiebung ist beachtlich, resümiert der stellvertretende „Welt“-Chefredakteur Robin Alexander: „Mit den fünf Punkten macht Merz das Argument: Jetzt wird an der Grenze zurückgewiesen, auch wenn jemand Asyl sagt. Das ist eine heftige Veränderung der Position der Union – auch eigentlich der deutschen Staatspraxis.“
Der designierte Kanzleramtsminister Thorsten Frei hält Merz' Vorstoß indes für „eine ganz typische Situation: Wir machen Wahlkampf, und in diesem Wahlkampf passieren Dinge, die die Prioritäten total durcheinanderwirbeln.“ Wahrscheinlich, so glaubt er, werde „einige Zeit vergehen müssen, um das aus der Rückschau wirklich ehrlich einordnen zu können“.
Abstimmung mit der AfD: Merz konnte „nicht nur Genugtuung empfinden“

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„Meines Erachtens hätte die SPD da mitstimmen müssen“, glaubt Carsten Linnemann im Rückblick.
Merz selbst wirkt nach der Abstimmung am 29. Januar sichtlich angefasst. Nur kurz spricht er mit dem ZDF-Kamerateam, bevor er den Bundestag verlässt. Der unverhohlene Jubel der AfD scheint ihm ebenso zuzusetzen wie die heftige Kritik aus den Reihen der anderen Parteien: „Wenn so ein Antrag, der in der Sache richtig ist, die Zustimmung von denen bekommt, mit denen wir nicht zusammenarbeiten, und wenn ich dann gleichzeitig die Reaktionen dort gesehen habe, die noch schlimmer ausgefallen sind, als ich sie befürchtet hatte – dann kann man da nicht nur Genugtuung empfinden“, sagt er. „Das ist eine schwierige Situation für uns alle gewesen.“
Nicht nur im Bundestag selbst, auch auf den Straßen regt sich lautstarker Widerstand. Als Tausende vor der CDU-Zentrale in Berlin demonstrieren, muss unter anderem Merz' Pressesprecher Hero Warrings die Flucht ergreifen. „Das soll abschrecken, aber das funktioniert nicht. Das bringt uns jetzt eher noch enger zusammen“, sagt er gegenüber dem ZDF, während er seine Sachen packt. „Es soll heute ein bisschen voller werden und deswegen sollen wir das Haus verlassen, damit die Polizei ihre Arbeit machen kann“, erklärt er am Telefon. Draußen skandiert die Menge: „CDU, shame on you.“
Vom ursprünglichen Plan wieder abzurücken, sei keine Option, stellt Warrings klar. Man müsse den nun beschrittenen Weg weitergehen, „um am Ende dann bei der Bundestagswahl erfolgreich zu sein“. Auch Merz betont, dass der Antrag wohlüberlegt gewesen sei: Man habe sich „sehr intensiv beraten“ und „sehr wohl abgewogen, ob wir das machen sollen oder nicht. Aber mir war wichtig zu sagen: Wo steht die Union eigentlich?“
Carsten Linnemann hielt den Gesetzesentwurf für „harmlos“
Merz öffentlich zu widersprechen, ist zu diesem Zeitpunkt innerhalb der CDU und CSU kaum möglich, glaubt auch Veit Medick, Ressortleiter Politik beim „stern“: Merz sei mit seiner Idee durchmarschiert, „die dann öffentlich natürlich niemand infrage stellen konnte, ohne den eigenen Kanzlerkandidaten infrage zu stellen“.
Umso größer die Wirkung, als sich ausgerechnet die Altkanzlerin öffentlich gegen Merz stellt. Robin Alexander nennt Angela Merkels Äußerungen „einen kalten Griff ans Herz“, CDU-Mann Philipp Amthor versucht es diplomatisch: „Ich finde es in der Sache natürlich besser, wenn man von Angela Merkel zustimmende Worte erhält statt Kritik.“ Er habe sich gewünscht, „inhaltliche Unterschiedliche in der Öffentlichkeit zu vermeiden“, sagt der künftige Staatssekretär im Digitalministerium und erinnert sich, selbst „abgewogen“ zu haben, „ob und wie ich mich dazu äußere. Ich fand es aber richtig, den Kurs zu verteidigen, denn er war in der Sache richtig.“
Auch Carsten Linnemann bringt im Laufe der ZDF-Dreharbeiten seinen Unmut zum Ausdruck. Dieser richtet sich allerdings nicht gegen Angela Merkel, sondern den baldigen Koalitionspartner. „Das, was im Gesetzesentwurf stand, ich sag’s jetzt mal in Anführungsstrichen, war harmlos. Meines Erachtens hätte die SPD da mitstimmen müssen.“ Man habe unterschätzt, wie sehr „die Mobilisierung der Linken“ zugenommen habe, räumt Linnemann ein. Die entscheidende Frage im Rückblick: „Hätte man die komplette Sitzungswoche verhindern können im Bundestag?“
Ein Zurück gibt es nun ohnehin nicht mehr. Friedrich Merz wird schon bald der neue Bundeskanzler sein – ungeachtet des historischen Dammbruchs im Parlament. Oder, um es in Carsten Linnemanns Worten zu sagen: „Es ist jetzt verschüttete Milch.“
„Inside CDU“ ist in einer gekürzten Fassung am Dienstag, 6. Mai, 20.15 Uhr, im ZDF zu sehen und vorab als Fünfteiler in der ZDF-Mediathek. (tsch)