Zeichen der Abschreckung nach Moskau - und ein starkes Europa: Das erhoffte sich Sicherheitsexperte Nico Lange bei „Caren Miosga“ von den Ukraine-Verhandlungen in Berlin. Während eine Journalistin Zweifel anmeldete, diagnostizierte Norbert Röttgen das Ende „einer geschichtlichen Epoche“.
Experte fordert bei Miosga Unabhängigkeit Europas von Trump„Die 'Methode Daddy' ist vorbei“

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Politikwissenschaftler Nico Lange forderte bei „Caren Miosga“ eine starke Rolle Europas bei den Verhandlungen über den Frieden in der Ukraine. (Bild: NDR / Thomas Ernst)
Zum ersten Mal wird in Berlin über ein Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine verhandelt. Am Sonntag ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj angekommen. Doch wie erfolgreich können die Verhandlungen sein? Und wie geht es weiter mit Europa nach der Distanzierung von US-Präsident Donald Trump weiter? Zwar hat sich Caren Miosga zur Klärung dieser Frage am Sonntagabend kompetente Gäste eingeladen. Weil sowohl CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen als auch Sicherheitsexperte Nico Lange und Journalistin Annet Meiritz dem konservativen Lager angehören, bleibt ein echtes Streitgespräch aus.
Bisher saßen die europäischen Staaten bei den Friedenverhandlungen immer am Katzentisch. Jetzt ist einer von ihnen Gastgeber und empfängt unter anderem wichtige Unterhändler aus den USA. „Das konnte passieren durch entschiedene und entschlossene Diplomatie unter der Führung des Bundeskanzlers“, lobte Röttgen Kanzler Friedrich Merz. Damit sei eine Phase vorbei, die „die US-Regierung geprägt und gebildet hat“.
Bis dato sei es die US-Strategie gewesen, Druck auf die Gesprächspartner der Ukraine auszuüben. „Dabei stören die Europäer. Das muss man leider so sagen, dass das die amerikanische Politik ist“, skizzierte Röttgen. Dank der „europäischen Initiative“ sehe es nun anders aus: „Wir übernehmen den Prozess, wir schalten uns ein, wir engagieren uns. Wir schaffen Fakten, indem wir ein solches Treffen machen. Und dieser Dynamik kann sich dann keiner entziehen.“
Röttgen über Verhältnis zur USA: „Diese geschichtliche Epoche ist beendet“

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Angesichts des Knacks in den Beziehungen Europas zu den USA sah Norbert Röttgen das Ende „einer geschichtlichen Epoche“. (Bild: NDR / Thomas Ernst)
An einen Erfolg der Verhandlungen wollte Annett Meiritz indes nicht so recht glauben. „Ich frage mich, wie viel Vertrauen bei diesen Verhandlungen tatsächlich vorherrscht seitens der Deutschen und Europäer in das Verhandlungsgeschick von Jared Kushner.“ Der US-Verhandlungspartner höre schließlich auf den US-Präsident Trump. Unklar sei, ob beide im Sinne der europafreundlichen Diplomatie agieren oder ob sie die Wirtschaftsinteressen Trumps vertreten würden. Entsprechend zweifelte die Journalistin: „Ich bin nicht sicher, ob sie die Richtigen sind.“
Europa müsse jetzt handeln, forderte derweil Nico Lange, denn: „Die 'Methode Daddy' ist ans Ende gekommen, also sich zu besprechen und dann Trump anzurufen, damit der die europäische Sicherheit für uns löst.“ Wichtig sei etwa, dass die in Europa eingefrorenen russischen Vermögen von 140 Milliarden Euro an die Ukraine weitergegeben würden. Lange: „Die Europäer zeigen, dass sie handeln. Sie geben nicht nur Erklärungen ab. Dazu kommt, dass die Ukraine finanzielle Stabilisierung braucht, aber auch weitere Ausrüstung für ihre Streitkräfte. Das wollte man mit diesem Geld finanzieren.“
Norbert Röttgen forderte mit Blick auf den anstehenden EU-Gipfel: „Jetzt müssen wir am Donnerstag mal zeigen, was europäische Souveränität ist.“ Das sei auch aus einem anderen Grund wichtig: „80 Jahre lang hat die amerikanische Europapolitik Sicherheit und Frieden in Europa als wichtigstes Interesse definiert und das auf Werte gestützt: Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, die Wiedervereinigung. Diese geschichtliche Epoche ist beendet.“
Politikexperte glaubt an „Missverständnis von Herrn Witkoff“
Streitpunkt in den bisherigen Friedensentwürfen sind stets auch mögliche Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland. „Ich fürchte, dass ist ein Missverständnis von Herrn Witkoff“, glaubte Nico Lange. „Ich befürchte, wir reden da über etwas, das als Vorschlag von russischer Seite gar nicht auf dem Tisch ist.“ Laut russischen Angaben wird der Donbass zwar nicht von der russischen Armee, aber von der russischen Nationalgarde kontrolliert. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass sich die Vereinigten Staaten sehr deutlich von Europa abkoppeln wollen. In Washington zähle Europa nicht zu den wichtigen Weltmächten.
Darum forderte Nico Lange von Europa „eine Vision, dass wir selbst in diesem Friedensprozess einsteigen und nicht immer nur miteinander reden, um dann den Mut zu fassen, Donald Trump anzurufen. Das kann nicht funktionieren.“ Europa müsse sich selbst um die Sicherheit auf dem Kontinent kümmern. Das gehe laut Lange nur nach dem Motto; „Europäische Sicherheit und die Sicherheit der Ukraine ist das Gleiche.“ In Osteuropa werde das in vielen Ländern längst so praktiziert, schilderte der Sicherheitsexperte.
„Wenn das das Gleiche ist, dann müssen wir sagen: Wir müssen die Ukraine in die Lage versetzen, Putin zum Waffenstillstand zu drängen“, forderte Lange. Auch weitere Dinge müsse man dann forcieren: die Verwendung russischen Vermögens, ein Fahrverbot der russischen Flotte in der Ostsee und den Kaufstopp von russischem Gas aus Indien. Damit sende man ein wichtiges Zeichen der Abschreckung nach Moskau. Zeige man Durchsetzungsvermögen, spreche „auch Trump anders mit uns“, hoffte Lange, (tsch)
