Ukraine-KriegDas berüchtigte Asow-Regiment: Nationalhelden oder Neonazis?

Ukrainische Soldaten des Asow-Regiments halten eine Standarte mit einer Wolfsangel hoch.

Urkaine-Krieg: Das berüchtigte Asow-Regiment stand bereits 2014 bei der russischen Annexion der Krym im Fokus der Medien. Das Foto ist am 15. Juni 2019 entstanden.

Das berüchtigte Asow-Regiment aus der Südukraine ist von Mythen umrankt. Aber ist der Vorwurf berechtigt, dass es sich um ein Regiment voller Neonazis handelt?

Nationalhelden oder Neonazis? Das Asow-Regiment der ukrainischen Armee ist umstritten. Die Kämpfer des berüchtigten Regiments sind inzwischen in den Mittelpunkt des Informationskrieges zwischen Moskau und Kyjiw gerückt.

Es lohnt sich daher, einen genaueren Blick auf diese sagenumwobene Einheit zu werfen. Experten warnen allerdings vor einem Schwarz-Weiß-Denken mit Blick auf das Regiment.

Das Asow-Regiment: Faschisten oder Nationalhelden?

Während Russland die Kampftruppe Asow als „faschistisch“ brandmarkt, werden die Mitglieder des Regiments seit Beginn der russischen Ukraine-Invasion von vielen Ukrainerinnen und Ukrainern gefeiert.

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Verwurzelt ist das früher als Asow-Bataillon bekannte Regiment in der seit Wochen von der russischen Armee belagerten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Als Russland zwei Wochen nach Beginn seines Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022 eine Geburtsklinik in Mariupol bombardierte, begründete der Kreml dies damit, dass sich Mitglieder des Asow-Regiments „und andere Extremisten“ in dem Gebäude verschanzt hätten.

Dies passt zur russischen Erzählung, wonach der Angriffskrieg in der Ukraine der „Entnazifizierung“ des Nachbarlandes diene – eine Darstellung, die Kyjiv und der Westen als grotesk bezeichnen. So steht an der Staatsspitze der Ukraine nicht nur der demokratisch gewählte Jude Wolodymyr Selenskyj – auch in der übrigen politischen Landschaft der Ukraine spielt die äußerste Rechte heute nur noch eine marginale Rolle, wie Anna Colin Lebedev von der Universität Paris-Nanterre feststellt.

Das Regiment Asow: Ist die Entideologisierung glaubhaft?

Komplizierter verhält es sich mit dem Asow-Regiment. Kurz nach Beginn des Ostukraine-Konflikts 2014 als Freiwilligenbataillon gegründet, sorgten seine Kämpfer in der Vergangenheit mit Neonazi-Symbolen wie der Wolfsangel für Aufsehen.

Die Wolfsangel war während des Nationalsozialismus auf dem Wappen der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ sowie auf dem Wappen der 34. SS-Freiwilligen-Grenadier-Division „Landstorm Nederland“ abgebildet.

Zu den Gründern des ukrainischen Asow-Bataillons gehörte der bekannte Rechtsextreme Andrij Bilezkyj. Im September 2014 verlieh ihm der damalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko für seinen Einsatz gegen die Annexion der Krym den Orden „für Tapferkeit“. Zwischen 2014 und 2019 saß Bilezkyj in der Werchowna Rada, dem gesetzgebenden Parlament der Ukraine.

Inzwischen wurde das Asow-Regiment mit seinen aktuell 2000 bis 3000 Kämpfern wie andere paramilitärische Verbände in die ukrainische Nationalgarde integriert. Es befindet sich damit unter dem Kommando des ukrainischen Innenministeriums.

Zum Zeitpunkt seiner Gründung 2014 habe das Asow-Bataillon tatsächlich einen „rechtsextremen Hintergrund“ gehabt, sagt der Experte Andreas Umland vom Stockholm-Zentrum für Osteuropastudien. Mittlerweile habe sich das Regiment aber „entideologisiert“ und zu einer normalen Kampfeinheit entwickelt.

Ukraine-Krieg: Der Faschismus gilt in Russland als Inbegriff des Bösen

Viele Rekruten schlössen sich der Einheit nicht mehr aus ideologischen Gründen, sondern wegen seines Rufs an, „besonders hart“ zu kämpfen, sagt Umland. Auch das nach wie vor vom Asow-Regiment verwendete Wolfsangel-Symbol habe in der Ukraine keine faschistische „Konnotation“ mehr.

Dass sich die russische Propaganda gegen die Ukraine nach wie vor in hohem Maße auf das Asow-Regiment und seinen angeblich rechtsextremen Charakter konzentriert, hat nach Experten-Angaben mit der kollektiven russischen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zu tun, die sich damit beschwören lasse.

„Die Begriffe ‚Nazismus‘ und ‚Faschismus‘ meinen im russischen Kontext das absolut Böse, mit dem sich nicht verhandeln lässt: Man kann es nur bekämpfen und versuchen, es auszurotten“, sagt der Politikwissenschaftler Sergei Fediunin vom französischen Nationalinstitut für orientalische Sprachen und Gesellschaften.

Erinnert wird in der russischen und prorussischen Propaganda derzeit auch immer wieder an den ukrainischen NS-Kollaborateur Stepan Bandera sowie an dessen noch nach 1945 aktive nationalistische Anhänger.

Ukraine-Krieg: Das Asow-Regiment nimmt am Informationskrieg teil

In dem Informationskrieg mit Russland mischt derweil auch das Asow-Regiment selbst kräftig mit. Im Messengerdienst Telegram veröffentlichen seine Mitglieder regelmäßig Erklärungen über angebliche Teilsiege über die russische Armee. Die „wahren Faschisten“ seien die Russen, heißt es darin.

Das Asow-Regiment unterscheide sich kaum noch von anderen ukrainischen Kampfeinheiten, sagt Wjatscheslaw Lichatschew von der in Kyjiw ansässigen Menschenrechtsorganisation Zmina. Allerdings verfüge das Regiment über „bessere PR“ und ziehe zudem besonders viele Kämpfer an. Es könne sich daher „die Besten“ aussuchen. (afp/jm)