Außenministerin auf StaatsbesuchBaerbock besucht Butscha: „Können für Gerechtigkeit sorgen“

Außenministerin Annalena Baerbock (M, Bündnis 90/Grüne) entzündet am 10. Mai 2022 eine Kerze für die Opfer in einer Kirche in Butscha.

Außenministerin Annalena Baerbock (M, Bündnis 90/Grüne) entzündet am 10. Mai 2022 eine Kerze für die Opfer in einer Kirche in Butscha.

Annalena Baerbock ist am Dienstag zu einem Besuch in der Ukraine eingetroffen. Die Außenministerin ist das erste Mitglied der Bundesregierung, das den Weg ins Kriegsgebiet antrat.

Die Außenministerin zu Besuch im Kriegsgebiet: Mit Schutzweste bekleidet und von Sicherheitspersonal umringt, hat sich Annalena Baerbock (41) als erstes deutsches Kabinettsmitglied seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor Ort ein Bild von der Lage gemacht.

Die Grünen-Politikerin reiste in die Hauptstadt Kyjiw, wo sie am Dienstag, 10. Mai 2022, zunächst den Vorort Butscha besuchte. Dort waren nach dem Abzug der russischen Truppen mehr als 400 Leichen gefunden worden - teils mit auf den Rücken gebundenen Händen. Annalena Baerbock wurde von einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft an dessen Haus empfangen.

Baerbock zeigte sich sichtlich bewegt und entzündete im Gedenken an die Opfer des Massakers eine Kerze unweit der Stelle, wo nach dem Abzug der russischen Truppen die Massengräber entdeckt wurden.

Nachdem Baerbock die Kerze entzündet hatte, sagte sie, man glaube, in einer ganz normalen Kirche zu sein. Zugleich sei dies ein Ort, an dem „die schlimmsten Verbrechen, die man sich nur vorstellen kann, nicht nur sichtbar geworden sind, sondern passiert sind“. Der größte Wunsch der Menschen sei es, der Welt deutlich zu machen, welche Verbrechen passiert seien und wie groß der Schmerz sei.

Annalena Baerbock in Butscha: „Wir können für Gerechtigkeit sorgen“

Diesen Schmerz könne niemand nehmen, „aber wir können für Gerechtigkeit sorgen“, sagte Baerbock. Man könne einen „kleinen Beitrag dadurch leisten, dass wir diese Aufklärung von Kriegsverbrechen, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterstützen, als internationale Gemeinschaft Beweise sammeln, dafür sorgen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Das sind wir den Opfern schuldig.“

Begleitet wurde sie von der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa. Am Nachmittag ist unter anderem ein Gespräch Baerbocks mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba geplant.

Die Ministerin wollte zudem die seit Mitte Februar geschlossene deutsche Botschaft in Kyjiw wiedereröffnen. Die letzten entsandten Mitarbeiter der Botschaft waren am 25. Februar nach Polen ausgereist und hatten teils von dort und teils von Berlin aus weitergearbeitet.

Deutschland ist eines der letzten westlichen Länder, das die Wiedereröffnung seiner Botschaft in Kyjiw ankündigt. Am Sonntag (8. Mai 2022) hatten die USA und Kanada die Rückkehr von Botschaftsmitarbeitern verkündet. Davor waren bereits Vertretungen der EU, Frankreichs, Italiens, Großbritanniens, Österreichs und anderer Staaten in Kiew wieder eröffnet worden. Aus der Gruppe der G7-Staaten der führenden demokratischen Industrienationen fehlt nur noch Japan, das die Wiedereröffnung seiner Botschaft noch nicht angekündigt hat.

In den vergangenen Wochen hatte es um Besuche deutscher Politiker in der Ukraine viele Diskussionen gegeben. Eine Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der zusammen mit den Präsidenten Polens und der drei baltischen Staaten nach Kyjiw reisen wollte, sorgte in Berlin für erhebliche Verstimmung.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Ausladung Steinmeiers als Hindernis für eine eigene Reise nach Kiew bezeichnet. Nachdem Steinmeier und Selenskyj die Irritationen vergangene Woche in einem Telefonat ausgeräumt hatten, kündigte Scholz an, dass Baerbock bald reisen werde. Ob und wann Scholz nach Kiew reisen könnte, blieb zunächst unklar.

Am Sonntag hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) als zweithöchste Repräsentantin des Staates nach dem Bundespräsidenten Kyjiw besucht. Vor ihr war am vergangenen Dienstag der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in Kyjiw.

Selenskyj hatte den Kanzler für den 9. Mai eingeladen - an diesem Montag feierte Russland den sowjetischen Sieg über das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Selenskyj hatte erklärt, Scholz könne einen „sehr starken politischen Schritt“ unternehmen und an diesem Tag in die ukrainische Hauptstadt kommen. Der Bundeskanzler hatte allerdings auf eine Reise verzichtet. (dpa)