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„Die Situation ist schwierig“Droht jetzt ein Zusammenbruch der Grünen in Deutschland?

Die Abgeordnete Wibke Brems (Bündnis 90/Die Grünen), spricht bei einer Plenarsitzung am 20.12.2022 im NRW-Landtag in Düsseldorf. Thema: Landeshaushalt für 2023.

Die Abgeordnete Wibke Brems (Bündnis 90/ Die Grünen) spricht bei einer Plenarsitzung am 20. Dezember 2022 im NRW-Landtag in Düsseldorf.

Keine leichte Zeit für die Grünen. Sie stehen wieder einmal in der Kritik. Von allen Seiten werden sie als der Buhmann dargestellt. Dieses Mal trifft es ihr Herzensthema, das Klima. Wie die Debatte um Lützerath die Partei beschäftigt, hat die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag NRW, Wibke Brems, im Interview mit EXPRESS.de am 14.01.2023 geschildert.

von Maria Isaak (mi)

Frau Brems, aktuell läuft in Lützerath die Räumung. Wie viel Verständnis haben Sie für die Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort, die gegen den von Ihnen zugestimmten Kohleabbau demonstrieren und auch Gewalt einsetzen? Die Polizei hat bisher 124 Strafanzeigen vermerkt.

Wibke Brems: Für friedliche Demonstrationen habe ich absolutes Verständnis. Und wir suchen mit den Demonstrierenden auch gerne den Austausch. Aber Gewalt ist für uns absolut inakzeptabel. Es demonstrieren auch grüne Abgeordnete, vor allem Junge Grüne vor Ort. Brems: Es stimmt, einige Grüne sind auch bei den friedlichen Demonstrationen dabei, um für den Erhalt von Lützerath und für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Grüne Abgeordnete sind vor Ort, um den Polizeieinsatz zu begleiten. Dabei kommunizieren sie immer wieder mit Polizei und Aktivisten und tragen so zur Deeskalation der Situation vor Ort bei.

Grüner Schicksalsort Lützerath

Schauen wir genauer auf Lützerath und die umliegende Gegend. Die Gegend wird auch als „grüner Schicksalsort“ bezeichnet. Ihre Partei hat seit den 1980er-Jahren versucht, den Tagebau dort zu stoppen, erst als Opposition. Mitte der 1990er-Jahre gelang Ihnen dann der Sprung in die Regierung, trotzdem konnten Sie Ihr Versprechen, Garzweiler zu retten, nicht halten. Jetzt sind wir bei dem nächsten Versprechen, welches Sie bei der Bundestagswahl 2021 gegeben haben. Und zwar, dass niemand mehr für den Tagebau sein Zuhause verlassen muss. Das Versprechen konnten Sie auch nicht halten. Diese gebrochenen Versprechen lassen das Vertrauen in die Grünen bröckeln. Wie soll die Gesellschaft ihnen noch vertrauen können, geschweige denn ernst nehmen?

Brems: Die Region rund um den Tagebau ist für den Klimaschutz in NRW entscheidend. Auch wenn es an manchen Stellen nicht gelungen ist, grüne Vorstellungen vollständig umzusetzen, haben wir es an vielen anderen Stellen und gerade in den letzten Jahren häufig geschafft. Wir haben beispielsweise 2016 das erste Mal einen bestehenden Tagebau verkleinert, mit der damaligen Leitentscheidung. Das war ein großer Erfolg und das war der erste Schritt in Richtung Kohleausstieg, über den damals noch kaum jemand gesprochen hat.

Und wir haben es jetzt erreicht, dass unser Wahlversprechen, nämlich der Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier, erreicht wurde. Und wir haben es geschafft, dass die fünf Dörfer, deren Zukunft unsicher war, jetzt definitiv gerettet sind. Die 500 Menschen, die dort in den fünf Dörfern und drei Höfen noch leben, können bleiben.

Das sind die Versprechen, die wir gemacht haben, und das ist auch das, was wir nach wenigen Monaten in der Regierung halten konnten. Natürlich verstehe ich, dass es Enttäuschung gibt, dass es den Wunsch gibt nach mehr. Natürlich sind für den Klimaschutz weitere Schritte nötig. Wir müssen in allen anderen Bereichen wie bei der Energiewende, bei der Verkehrswende, bei der Wärmewende oder beim Klimaschutz in der Industrie noch sehr große Aufgaben bewältigen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Ich gehe davon aus, dass wir in der Zukunft, wie schon in der Vergangenheit, gemeinsam mit der Klimabewegung genau diese Herausforderungen stemmen werden.

Wibke Brems (Grüne): „Haben unser Wahlversprechen gehalten“

Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie die fünf Dörfer rund um Lützerath und die Menschen, die dort leben, gerettet haben. Aktivistinnen und Aktivisten bezeichnen Ihren „Gewinn“ als Greenwashing-Deal. Durch den Kohleabbau unter Lützerath wird genauso viel CO₂ ausgestoßen, als würde der Tagebau bis 2038 weiterlaufen. Verschiedene Gutachten belegen dies. Das widerspricht Ihrer Schilderung. Brems: Durch die Vereinbarung mit RWE bleiben 280 Millionen Tonnen Kohle in der Erde. Das ist, was durch das Vorziehen um acht Jahre auf 2030 erreicht wurde. Die Gutachten kommen vor allem deshalb zu unterschiedlichen Ergebnissen, weil sehr unterschiedliche Energiebedarfe zugrunde gelegt werden. Mit dem Kohleausstieg 2030 gibt es endlich Planungssicherheit. Wir müssen jetzt Entscheidungen treffen. Und wir haben jetzt die Situation, dass wir in einer Energiekrise sind, in der die Kohlekraftwerke leider länger laufen müssen. Wir sind in dieser Situation, weil vor Jahren versäumt wurde, die erneuerbaren Energien auszubauen und mit RWE zu verhandeln, bevor Urteile gefällt sind. Dadurch hätte sich Lützerath retten lassen. Jetzt ist es nicht mehr möglich. RWE hat im März 2022 vor Gericht durchgesetzt, dass das Unternehmen die Kohle unter Lützerath abbauen darf. In einem Rechtsstaat müssen die Urteile von Gerichten akzeptiert werden.

Der Rechtsbeschluss kam im März 2022 und im Dezember gab es eine Abstimmung zu Lützerath im Bundestag. Alle Grünen haben für den Abriss Lützeraths gestimmt. Hätte man da nicht noch einmal versuchen können, Lützerath zu retten? Brems: In unserem Rechtsstaat sind Gerichtsurteile bindend. Sie können einem als Abgeordnete auch persönlich nicht gefallen, aber wir haben sie zu akzeptieren. Die Grünen haben im Bundestag die Hand dafür gehoben, dass der Kohleausstieg 2030 kommt. Das war sehr wichtig. Ich halte fest: Wenn es diese Abstimmung und diese Vereinbarung mit RWE nicht gegeben hätte, dann würde Lützerath trotzdem abgebaggert werden, aber wir hätten eben nicht den früheren Kohleausstieg und nicht die fünf Dörfer und drei Höfe gerettet.

Wie wollen sie dieses Argument Ihrer grünen Jugend und Wähler erläutern? Nach außen wirken Sie zerstritten, uneinig. Das Vertrauen scheint gebrochen zu sein.

Brems: Für uns als grüne Partei ist es schon immer üblich, dass wir viel diskutieren, auch miteinander. Manchmal gehen wir dabei miteinander hart ins Gericht. Trotzdem teilen wir gemeinsame Werte, wie das Engagement für den Klimaschutz. Das ist das, was uns wieder eint.

Ich bin fest davon überzeugt und weiß es auch aus persönlichen Gesprächen mit der Grünen Jugend, dass wir beim Klimaschutz zusammenstehen. Es stimmt, dass wir beim Thema Lützerath verschiedene Positionen haben. Aber trotzdem bleiben wir im Dialog. Wir sind geeint im Ziel und werden daran weiter arbeiten.

Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien, Fortschritte beim Klimaschutz in der Industrie und die Verkehrswende endlich voranbringen. Daran werden wir gemeinsam auch weiterarbeiten innerhalb der grünen Partei. Da sehe ich keine Zerrissenheit, sondern eine große Geschlossenheit. Dazu gehört auch, dass wir mit der Klimabewegung weiter zusammenarbeiten wollen.

NRW-Grüne: „Glaube, wir machen deutlich, worauf es ankommt“

Dennoch wirkt es nach außen so, als wären Sie zerstritten. Einigkeit und Geschlossenheit sieht anders aus.

Brems: Wir gehen auf jede Bürgerin und jeden Bürger zu, nicht nur auf unsere Wählerinnen und Wähler. Wir erklären, wir tauschen uns aus und wir hören uns die Sorgen und Nöte der Menschen an. Ich glaube, dass wir auf allen Kanälen, seien es persönliche Gespräche oder Social Media, deutlich machen, worauf es in Zukunft ankommt.

Nämlich, dass wir gemeinsam an dieser großen Aufgabe, das 1,5-Grad Ziel zu erreichen, arbeiten. Der Dialog ist auch weiterhin da, er ist nicht abgebrochen.

Also von Zäsur für die Grünen, kann nach Ihrer Meinung, keine Rede sein?

Brems: Die Situation für unsere Partei ist schwierig. Das ist so, aber sie ist auch für jeden Einzelnen von uns schwierig. Diese Räumung gefällt niemandem von uns. Wir hätten uns gewünscht, dass es auch ohne geht. Aber ich sehe keine Zäsur innerhalb der Partei.

Greta Thunberg demonstrierte am Wochenende mit ca. 8000 Menschen bei Lützerath, auch gegen die Grünen.

Brems: Ich sehe es nicht gegen die Grünen gerichtet, sondern als Ausdruck des Protests vieler, vor allem jungen Menschen, die unzufrieden damit sind, wie langsam Klimaschutz seit Jahrzehnten voranschreitet. Diese Unzufriedenheit kann ich nachvollziehen. Weil es eben in den letzten Jahren viel zu langsam voranging. Wir stehen aber vor der Situation, dass wir politische Mehrheiten brauchen. Wir als Grüne müssen in bestimmten Koalitionen und Konstellationen sehr hart darum kämpfen, dass es Maßnahmen für den Klimaschutz gibt. Ich sehe diese Demonstration als Ausdruck der Erwartung an die Politik, noch mehr zu tun, und die Anstrengung noch weiter aufzunehmen. Genau das ist auch der Ansporn, mit dem wir angetreten sind, und mit dem wir weiterarbeiten.

Zum Thema Koalition und Diskurse mit den Koalitionspartnern: Was die Kernkraft angeht, Ihre Haltung ist klar dagegen, aber wäre es nicht eine Option, die Atomkraft als Übergangstechnologie zu nutzen, anstatt die dreckige Kohle zu fördern?

Brems: Nein, das ist ganz klar. Die Atomkraftwerke in Deutschland sind seit Jahren so ausgelegt, dass jetzt Schluss ist. Schon diese dreieinhalbmonatige Verlängerung ist eine große technische Belastung für die Atomkraftwerke gewesen. Jetzt aber neue Brennstäbe zu kaufen und damit nochmal in das höhere Risiko reinzugehen, das wäre unverantwortlich. Die Atomkraft ist ein Spiel mit dem Feuer. Und sie kommt uns auch finanziell teuer zu stehen. Deswegen ist sie keine Alternative, und es bleibt dabei, dass die Atomkraftwerke Mitte April abgeschaltet werden.

Kommen wir zum Abschluss nochmal auf die jungen und alten Menschen zurück, die heute und fast täglich für das Klima demonstrieren. Warum sollen sich die Menschen auf die Grünen in Zukunft verlassen können?

Brems: Wir als Grüne versprechen, dass wir weiterhin daran arbeiten, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und unsere Verantwortung wahrnehmen, die erneuerbaren Energien stark auszubauen, dass wir die Wärmewende hinbekommen, dass wir endlich in der Verkehrswende weiterkommen. Das sind die Versprechen, die wir geben können und an denen wir arbeiten.