„Ukraine wird in Russland einmarschieren“Aussagen im russischen Staats-TV immer brisanter

Sergei Markow, Professor für internationale Beziehungen an einer Moskauer Universität, erklärt am 15. Juni im russischen Sender Rossija 1, dass Russland gar keinen Krieg wolle.

Sergei Markow, Professor für internationale Beziehungen an einer Moskauer Universität, erklärt am 15. Juni in einer „Sonderausgabe“ der Talkshow „60 Minuten“ im russischen Sender Rossija 1, dass Russland gar keinen Krieg wolle.

Es ist eine Behauptung, die zynischer nicht sein kann: Der Gast einer Talkshow im russischen Staatsfernsehen, ein Professor aus Moskau, erklärte, Putin habe die Ukraine angegriffen, um den „großen Krieg“ zu verhindern. Die Ukraine habe sich auf einen Einmarsch Russlands vorbereitet. Eine Lüge aus dem Kreml, die nicht neu ist.

von Martin Gätke (mg)

Sergei Markow, Professor für internationale Beziehungen an einer Moskauer Universität, war früher im russischen Parlament als Vertreter für Putins Partei „Einiges Russland“ tätig. Und ist des Öfteren auch Gast im russischen Staatsfernsehen.

Die Ukraine hat im Zuge ihrer Gegenoffensive in den vergangenen Wochen einige Gebiete im Osten und Süden des Landes zurückerobern können – auch in Putins Propaganda-Shows ein großes Thema dieser Tage. 

Russland: Sergei Markow nimmt sich Hillary Clinton vor

Dort wird die Gegenoffensive auch als Vorwand für die angeblich gefährliche Ukraine genommen. Ein Deckmantel für den russischen Angriffskrieg, der nicht neu ist.

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Als Markow am 15. Juni in der Talkshow „60 Minuten“ bei Moderator Yevgeny Popov zu Gast war, nahm er sich zunächst die ehemalige First Lady Hillary Clinton vor. Während einer Aufzeichnung des Podcasts „Pod Save America“ am Dienstag in New York City brachte sie Putins Wunsch, „auf der Seite der Gewinner zu stehen“, mit dem Leiden seiner Familie während der Schlacht von Stalingrad im Zweiten Weltkrieg in Verbindung.

Für den russischen Patriotismus ist Stalingrad ein sehr wichtiges Symbol. Durch Putins Krieg gegen die Ukraine bekommt die Schlacht und die Erinnerung daran eine zusätzliche Bedeutung.

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Unter Bezugnahme auf ein Gespräch, das Clinton 2011 mit Putin geführt hat, sagt die Politikerin nun: „Denken Sie an das Trauma, das seine Familie und so viele andere russische Familien damals erlebt haben. Und bei manchen Menschen führt diese Art von Trauma dazu, dass sie das Gefühl haben: Nie wieder Krieg, wir müssen mitfühlender und fürsorglicher sein, wir müssen den Menschen helfen.“

Russland: Zynische Behauptung im Staats-TV - „Ukraine bereitet Einmarsch vor“

Bei anderen Menschen wiederum würde der Krieg zu anderen Gedanken führen, so die US-Demokratin weiter: „Ich will auf der Seite der Gewinner stehen und all die Leute, die sterben, tun es zu Recht.“

Markow widersprach den Ausführungen von Clinton in der Talkshow: „Die Hauptsache ist doch, dass wir gar keinen Krieg wollen. Wenn es nur keinen Krieg gäbe – das sind die wichtigsten Gedanken in den Köpfen unseres Volkes. Und diese Worte werden von Putin geteilt“, behauptet der Professor.

Das sei der eigentliche Grund für die „spezielle Militäroperation“ gewesen, führt Markow zynisch fort. Russland habe sich vor einem Angriff der ukrainischen Armee wappnen müssen, erklärt er mit Blick auf die laufende ukrainische Gegenoffensive. „Weil diese mächtige Armee sich vorbereitet, Sklaven, die hier einmarschieren werden, und es dann einen großen Krieg geben wird. Um diesen großen Krieg zu vermeiden, mussten sie diese spezielle Militäroperation starten.“

Russland: Propaganda-Lüge über „bedrohliche Ukraine“ ist nicht neu

Markow lieferte weder Beweise dafür, dass die Ukraine jemals eine Invasion Russlands plante, noch ging er auf Putins Angriff gegen die Ukraine selbst ein. Es waren russische Streitkräfte, die am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschierten. 

Der Ausschnitt wurde auch von Anton Geraschenko, Berater des ukrainischen Innenministeriums, auf Twitter geteilt. „Wir haben einen Krieg begonnen, weil wir keinen Krieg wollen – so die Logik der russischen Propaganda“, schreibt er dazu. 

Hier den Tweet ansehen:

Krieg, um Krieg zu verhindern – diese Behauptung aus dem Kreml ist nicht neu, auch Putin warf der Ukraine vor, Russland militärisch zu bedrohen, Russland müsse dies verhindern.

Dabei macht schon ein Blick auf die Truppenstärke kurz nach Beginn von Putins Krieg deutlich, dass das nicht stimmen kann: Die Ukraine besaß zu dem Zeitpunkt des Angriffs nur einen Bruchteil der Kampfkraft von Russland.