„Das ist für mich unfassbar”RKI-Chef mit bedrückender Bilanz und wichtiger Mahnung

Lothar Wieler am 22. Januar

RKI-Präsident Lothar Wieler am 22. Januar 2021 bei der Pressekonferenz.

von Martin Gätke (mg)

Berlin – Nach den Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag gab am Freitag (22. Januar) ab 10 Uhr auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seine Einschätzung zur aktuellen Corona-Lage ab.

  • Jens Spahn mahnt: „Es ist noch nicht vorbei”
  • Auch RKI-Chef Wieler sieht einen positiven Trend, mahnt aber dazu, Impfangebote wahrzunehmen
  • Für Wieler ist die bisherige Bilanz von 50.000 Corona-Toten seit Pandemie-Beginn sehr bedrückend

Neben Spahn, der wegen mehrerer Rückschläge bei den Corona-Impfungen zuletzt in die Kritik geraten war, traten außerdem RKI-Präsident Lothar H. Wieler, Virologe Christian Drosten und DIVI-Präsident Gernot Marx vor die Presse.

Jens Spahn, Christian Drosten und Lothar Wieler: Corona-Pressekonferenz am 22.01. im Liveticker

  • Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) blickt zu Beginn der Pressekonferenz auf den ersten Coronavirus-Fall vor ziemlich genau einem Jahr zurück. Keiner habe geahnt, was sich daraus entwickeln würde, wieviel persönliches Leid sich daraus ergeben würde – und welche wirtschaftliche Situation daraus entstehen würde, so Spahn.
  • Die Zahlen der letzten Tage seien ermutigend, so Spahn. „Wir sehen eine erste Entlastung. Aber es ist immernoch eine ziemliche Belastung.“ Die Zahlen seien noch auf einem zu hohen Niveau. Deshalb sei die Eindämmung weiter wichtig.
  • Sollten die Zahlen noch einmal nach oben schnellen, wäre das Gesundheitssystem „sehr schnell überlastet”. Hinzu kämen die Virus-Mutationen, die in Großbritannien und Südafrika gefunden worden sind. Die verschärften die Situation noch einmal.
  • Spahn: „Das Gute an der aktuellen Situation ist: Es gibt Hoffnung.” Der Gesundheitsminister meint die gestarteten Maßnahmen zu Impfungen. „Ich weiß, es geht nicht schnell genug aktuell. Auch ich hätte gern mehr Impfstoff. Aber wir müssen realistisch bleiben und müssen priorisieren.”
  • Man solle auch sehen, dass bereits 1,5 Millionen Menschen geimpft worden seien. Zudem seien sehr viele Menschen in den Pflegeheimen bereits geimpft worden.
  • Die Pandemie-Bekämpfung sei „keine abstrakte Angelegenheit”, jeder könne einen Unterschied machen. „Gemeinsam gehen wir gestärkt aus der Lage raus.” Schließlich mache eine „übergroße Mehrheit der Bürger” bei der Pandemiebekämpfung gut mit.
  • Anschließend spricht Dr. Lothar Wieler, Präsident des RKI: „Wenn wir weiter konsequent die Kontakte reduzieren, sind wir auf einem guten Weg.” Er sieht einen „leicht positiven Trend.” Das seien Erfolge des Lockdowns.
  • Wieler: „Leider sehen wir nach wie vor zu viele Ausbrüche in Pflegeheimen.”
  • Menschen ab 80 Jahren seien weiter sehr stark betroffen, „an vielen Tagen sind es weit über 1000 Todesfälle”, so der RKI-Chef. Er blickt auf die über 50.000 Corona-Toten in Deutschland seit Ausbruch der Pandemie, das sei sehr bedrückend für ihn. „Das ist für mich eine schier unfassbare Zahl”, so Wieler.
  • Wieler mahnt: „Bitte lassen Sie sich impfen, sobald Sie ein Impfangebot haben.” Das helfe sehr gut dabei, die Pandemie weiter einzudämmen. Auch die Maske sollte nicht vergessen werden.
  • Anschließend spricht Virologe Christian Drosten über die Sequenzierung in Deutschland, er geht auf die Virus-Mutationen ein. Die Mutante sollte unbedingt ernst genommen werden, so Drosten.
  • Die englische Variante sei vermutlich mit dem Reiseverkehr über die Weihnachtsfeiertage nach Deutschland eingeschleppt worden. Mittlerweile würden auch einzelnen Cluster in Deutschland mit der neuen Virus-Variante entstehen. Man arbeite mit äußerster Anstrenung an einem klaren Datenbild.
  • Prof. Dr. Gernot Marx (Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner) gibt eine Bilanz zu den Intensivbetten in Deutschland: Erste positive Wirkungen des Lockdowns seien auch auf den Intensivstationen zu spüren.
  • Aber: „Wir sind weit weg von Entspannung.” Erst im April könnte die Zahl der Corona-Intensivpatienten unter 1000 fallen. Man dürfe nicht vergessen, dass Corona-Patienten lange auf den intensivstationen liegen, im Schnitt 25 Tage. „Wir müssen die Infektionszahlen deshalb weiter drastisch reduzieren.”
  • Es folgen die Fragen der Journalisten. Die erste Frage bittet um eine Erklärung der sinkenden Zahlen. Wieler: „Für mich sind die Zahlen einfach nachvollziehbar. Wir erinnern sich an die nachgeschärften Maßnahmen ab 16. Dezember.” Man habe die Menschen auch über Weihnachten um wenig Kontakte gebeten, „das wurde von der überwältigen Mehrheit eingehalten”.
  • Die nächste Frage bezieht auf
  • Eine Frage bezieht sich auf eine mögliche Impfstrategie, die von einigen Experten wie zum Beispiel Karl Lauterbach (SPD) vorgeschlagen wurde: Mehr Erstimpfungen, dafür die Zweitimpfungen nach hinten verschieben, um dafür im ersten Schritt mit knappen Impfdosen mehr Menschen zu erreichen. Spahn: „Die klare Empfehlung bleibt: maximal 6 Wochen zwischen beiden Impfungen einzuhalten.” Besonders für Hochbetagte sei ein umfassender Impfschutz wichtig.
  • Auf Nachfrage hat Prof. Marx eine gute Nachricht: „Triage werden wir in Deutschland nicht erleben.” Davon sei er fest überzeugt. Damit meint Marx den möglichen Fall, dass mehrere Corona-Patienten auf ein Intensivbett kommen. Der Grund: „Wir haben erstens noch eine Notfallreserve von 10.000 Intensivbetten. Zweitens haben wir in Deutschland eine aufmerksame politische Veranwortung, um dies zu verhindern.”

Lockdown und verschärfte Maskenpflicht: Neue Corona-Maßnahmen ab Montag gültig

Nachdem die Bundesregierung am Dienstag gemeinsam mit den Ministerpräsidenten die Verlängerung des Lockdowns und eine Teil-Verschärfung der Corona-Maßnahmen beschlossen haben, wurde in den 16 Bundesländern die jeweils ab Montag geltende neue Coronaschutzverordnung beschlossen.

Alles zum Thema Corona

In Nordrhein-Westfalen etwa gilt ab Montag (25. Januar) die Pflicht für medizinische oder FFP2-Masken beim Einkaufen oder bei Nutzung von Bus und Bahn. Auch die Pflicht zum Home-Office, die bislang lediglich eine eindringliche Empfehlung war, wird ab Montag strenger festgehalten.

Auch wenn die Corona-Zahlen im Laufe des Januars kontinuierlich abfielen, betonte Angela Merkel am Donnerstag noch einmal, dass die Lage auch in Deutschland weiterhin akut bleibt. „Es ist eine schwere Zeit, da gibt es nichts drumherum zu reden“, so die Bundeskanzlerin. (bc)