Schulen hätten offen bleiben könnenRKI-Chef Wieler räumt Corona-Fehler ein

RKI-Präsident Lothar Wieler am 11. März 2022 bei einer Pressekonferenz über die Entwicklung in der Corona-Pandemie.

RKI-Präsident Lothar Wieler (hier am 11. März 2022 bei einer Pressekonferenz über die Entwicklung in der Corona-Pandemie) hat Fehler in der Vorgehensweise während der Corona-Pandemie eingeräumt.

In seinem ersten Interview seit Bekanntgabe seines vorzeitigen Ausscheidens hat sich der scheidende Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, selbstkritisch gezeigt.

Erstmals seit Bekanntgabe seines vorzeitigen Rücktritts hat Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Institus (RKI), sich einem Interviw gestellt. Darin redet er selbstkritisch über beschlossene Maßnahmen während der Corona-Pandemie.

„Es gab nie nur die Alternative: Entweder wenige Tote oder Schulen offen halten“, sagt Wieler in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Der vorhandene Spielraum ist während der ganzen Pandemie nicht ausreichend mit der nötigen Sorgfalt, Ruhe und Sachlichkeit betrachtet worden.“

RKI-Chef Wieler: Aufarbeitung der Pandemie „unbedingt“ nötig

Das RKI habe „immer Empfehlungen abgegeben, mit denen man den Betrieb in Schulen und Kitas hätte laufen lassen können, wenn auch unter Anstrengung.“

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Anfangs sei auch nicht bekannt gewesen, in welchem Maß Kinder an Corona erkranken und inwieweit sie von Langzeitfolgen betroffen seien, gab Wieler zu bedenken. „Wir mussten auch sie schützen.“ Die Umsetzung sei Aufgabe der Politik und der Verantwortlichen vor Ort. „Und es war immer klar, dass jede Maßnahme Nebenwirkungen hat“, wird er zitiert.

Nach eigenen Fehlern in der Pandemie gefragt, sagt Wieler, er er habe zu Beginn der Pandemie „nicht optimal kommuniziert“. Und weiter: „Ich hätte mehr Gespräche führen sollen, um diese komplexen Geschehnisse besser einzuordnen. Das habe ich zu wenig getan.“

Wieler spricht sich für eine Aufarbeitung der Pandemie aus: „Als Wissenschaftler will ich wissen: Welche Maßnahmen waren adäquat, welche Kosten-Nutzen-Effekte gab es?“ Dies müsse fundiert geschehen, „als saubere Analyse.“

Ähnlich sehen das offenbar auch die Menschen in Deutschland: Eine Umfrage im Auftrag der „Zeit“ zeigt, dass eine Mehrheit der rund 2500 Befragten – 58 Prozent – sich für eine Aufarbeitung von Fehlentscheidungen im Umgang mit Corona ausspricht.

RKI: Wieler erteilt Streeck-Forderung Absage

Forderungen, das RKI künftig institutionell unabhängig vom Bundesgesundheitsministerium aufzustellen, wie sie zuletzt der Virologe Hendrik Streeck im „Tagesspiegel“ erhoben hatte, erteilt Wieler eine klare Absage.

Sollte das RKI institutionell unabhängig werden, „würden wir unsere entscheidende Funktion verlieren, nämlich eine gesetzlich legitimierte Schnittstelle von Wissenschaft zu Politikberatung zu sein“. Dies sei eine Stärke des deutschen Forschungssystems: „Die sollten wir nicht einfach aufgeben, weil es vielleicht gerade populär zu sein scheint. Wer so etwas fordert, hat für meine Begriffe das RKI nicht verstanden.“

Am 11. Januar hatte Lothar Wieler bekannt gegeben, dass er sein Amt als Präsident des Robert Koch-Instituts zum 1. April 2023 niederlegen werde. Er leitet die Einrichtung seit 2015. Der Abschied vom RKI und der Zeitpunkt für diesen Schritt seien seine persönliche Entscheidung gewesen. Die Pandemie sei inzwischen beherrschbar. Das sei ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören. Und er wolle noch einmal etwas Neues machen. Was er künftig genau machen wird, ist unbekannt. (dpa)