Kommentar zu Olaf ScholzWarum der Kanzler gerade so viel kaputt macht

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) geht am 27. Januar nach ihrer Rede bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorbei.

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) geht am 27. Januar nach ihrer Rede bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorbei. 

Im Ukraine-Konflikt agiert Olaf Scholz ungeschickt und undeutlich. Das sorgt nicht nur in Deutschland für Wut und Verunsicherung. Das Schweigen des deutschen Kanzlers macht womöglich vieles kaputt...

von Martin Gätke (mg)

Die internationale Presse ist entsetzt über das Schweigen aus Berlin und vor allen Dingen die USA blickt zunehmend besorgt auf einen deutschen Kanzler, der sich aus dem Ukraine-Konflikt raushält. Es wird Zeit, dass Scholz sich in der Frage bewegt. Denn schon jetzt hat sein Schweigen womöglich vieles kaputt gemacht, findet unser Autor.

Der Westen blickt seit Monaten nervös in den Osten, dort sorgt Putin – wieder einmal – für ein heikles Ratespiel: Wird er einmarschieren? Wird er einen Krieg beginnen? Und wenn nicht: Was will er eigentlich dann?

Es scheint, als liege eine Strategie von Russlands Präsident darin, erst einmal für eine Krise zu sorgen. Um dann die Nato-Staaten dazu zu zwingen, Zugeständnisse zu machen. Die Nato wird mit Sicherheit nicht seiner Forderung nachgeben, die Osterweiterung zu beenden. Aber irgendeinen Kompromiss, der Putins großem Ziel entgegenkommt, wird es schon geben, mag er denken.

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Einen jedenfalls braucht er in seiner Kalkulation nicht zu fürchten: Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Der tut nämlich gerade das am Besten, was er schon im Wahlkampf gut konnte. Was er vielleicht schon in seiner gesamten politischen Laufbahn perfektioniert hat: Unauffällig an der Seitenlinie stehen. Niemandem auf die Füße treten. Er ist wieder das Chamäleon, bei dem man schwer einschätzen kann, wo er derzeit eigentlich steht.

Ukraine: „Scholz zögert in einer Zeit, in der es Handlungsbereitschaft braucht“

War es damals, im heißen Wahlkampf zwischen Kanzlerkandidaten, die sich nach und nach selbst ins Aus beförderten, noch von Vorteil, möglichst ruhig und unauffällig zu sein, sorgt diese Art jetzt für jede Menge Wut und Verunsicherung – nicht nur in Deutschland.

Scholz zögert in einer Zeit, in der es Handlungsbereitschaft benötigt. Er schweigt, obwohl es klare und eindeutige Worte braucht – und das in einer heiklen Situation, die im Osten Europas für jede Menge Ängste sorgt. Das kann sich der Kanzler von Europas größter und reichster Demokratie, das seit jeher ein wichtiges Scharnier zwischen Ost und West ist, nicht leisten.

Ukraine-Konflikt: Olaf Scholz agiert ungeschickt und undeutlich

Bislang ist es vor allen Dingen Olaf Scholz' Chef-Diplomatin Annalena Baerbock (Grüne), die sich zu einem härteren Vorgehen gegen Russland äußerte. Sie fährt eine Politik der Diplomatie und Härte: Sie vermittelt zwischen den Konfliktparteien, führt sie allesamt an einen Tisch. Und sagt Putin gleichzeitig, wo die Grenzen sind.

Von Scholz? Kam erst einmal lange nichts. Im Gegenteil: Er wollte Außenpolitik zur „Chefsache“ machen, hat sich dagegen ausgesprochen, die Entwicklungen an der Grenze zur Ukraine an Nord Stream 2 zu knüpfen. Und sagte, das sei ein rein „privatwirtschaftliches Vorhaben“.

So etwas während solch einer Krise zu sagen, zeugt entweder von Naivität. Oder zeigt, wie gespalten seine SPD in der Frage ist, auf die Scholz wohl Rücksicht nehmen will. In jedem Fall ist sie ungeschickt. Denn natürlich schaltet Russland mit Nord Stream 2 die Ukraine beim Gastransit komplett aus. Handel mit Europa, ohne die Ukraine – das kann nicht nur ein „privatwirtschaftliches Vorhaben“ sein. Die Ängste des Landes, dass Nord Stream 2 eine russische Invasion oder zumindest Aggressionen vorbereiten könnte, sollten in jedem Falle ernst genommen werden.

Kann Olaf Scholz führen?

Erst spät änderte Scholz hier seine Meinung. Er korrigierte leicht seinen Kurs, sagte, dass alle Optionen auf dem Tisch lägen. Doch weiterhin sehr leise und undeutlich – das lässt abermals Zweifel aufkommen an einer wirklich klaren Haltung Deutschlands. Ganz Brüssel, meldete auch das europäische Politikportal „Politico”, diskutiere derzeit über die Frage nach der Führungskraft des neuen deutschen Regierungschefs: „Can Scholz lead?“ Kann Scholz führen?

Selbst als Altbundeskanzler und Gaslobbyist Gerhard Schröder, enger Freund von Putin, dann mit seinen untragbaren Aussagen zum Ukraine-Konflikt für Aufsehen sorgte und auch innerhalb der SPD für heftige Gegenstimmen, kam von Scholz: nichts.

Olaf Scholz: Sein Schweigen macht womöglich vieles kaputt

Das Schweigen des Kanzlers, seine Unsichtbarkeit macht in der deutschen Außenpolitik womöglich vieles kaputt. Auch die internationale Presse reagiert mit viel Häme und scharfer Kritik auf das Nichtstun. Dabei ist wohl kein europäisches Land wichtiger für die europäische Einheit und das westliche Bündnis. Deshalb sollte Deutschland auch in Sicherheitsfragen weiterhin eine Führungsrolle übernehmen und sich klar und vor allen Dingen geschlossen positionieren.

Doch das Zögern und Zaudern sorgt derzeit bei den Verbündeten für das Gegenteil: Die Zuverlässigkeit Deutschlands leidet. Bis heute müssen sich die Partner fragen, welche Kosten das Land eigentlich zu tragen bereit ist, um einer möglichen russischen Aggression entgegenzutreten.

Putins Ziel ist es auch, die Europäer zu spalten. Das darf ihm nicht gelingen. Am Montag tritt die SPD zusammen, um eine klare Linie in der Ukraine-Krise zu finden. Und das ist dringender denn je. Schon jetzt hat Deutschlands Ruf in der Welt gelitten. Es wird jede Menge geschehen müssen, um diesen Schaden wieder zu beheben.