Video aus dem Untergrund aufgetauchtVerbarrikadierte Tunnel stoppen Polizei in Lützerath

Umweltaktivistin Luisa Neubauer (M) protestiert während einer Demonstration gegen den Kohleabbau am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath.

Umweltaktivistin Luisa Neubauer hält am 12. Januar 2023 in einer Sitzblockade vor Lützerath.

Zunächst verlief die Räumung des Weilers Lützerath durch die Polizei nahezu mühelos. Doch dann meldeten sich zwei Aktivisten aus einem Tunnelsystem. Sie wollen die Räumung in die Länge ziehen. Luisa Neubauer wusste über diesen Trumpf offenbar Bescheid!

von Alexander Haubrichs (ach)

Schon am Donnerstagmorgen (12. Januar 2023) hielt Luisa Neubauer (26) bei jedem Interview ein Pappschild in der Hand. „Klimaschutz ist Handarbeit“, stand auf dem Papier der „Fridays for Future“-Aktivistin – und niemand konnte sich so recht einen Reim darauf machen, was die Hamburgerin damit meinte.

Auch als sie sich mit einigen Prominenten wie dem Greenpeace-Chef auf dem Zuweg zum Weiler in Lützerath in eine Sitzblockade begab und von der Polizei eingekesselt wurde, hatte sie den Slogan weiter sichtbar in der Hand. „Die Lage ist dramatisch“, hatte sie in einer Pressekonferenz gesagt.

Polizei dringt in die Höfe in Lützerath ein

Während im Dorf der Aktivistinnen und Aktivisten die Räumungen weitergingen und die Polizei auch nach und nach in die verbarrikadierten Höfe eindrang (alle aktuellen Entwicklungen gibt es hier im Live-Ticker), schien es, als könnte es schon sehr zeitnah zu einem Ende der Besetzung von Lützerath kommen.

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Doch dann meldeten sich „Pinky“ und „Brain“ – in Anlehnung an die bekannten Zeichentrick-Mäuse. Oder vielmehr wies erst einmal die Initiative „Lützerath lebt“ auf die Existenz eines Tunnelsystems hin. Die Polizei stoppte daraufhin die Arbeit mit schwerem Gerät sowie die Baumfällarbeiten, fuhr aber später trotz gegenteiliger Forderungen der Klimaschutz-Verbände mit der Räumung fort. Hier sehen Sie ein Video aus dem Tunnel:

Offenbar haben die Aktivistinnen und Aktivisten wortwörtlich Handarbeit geleistet – und zwar monatelang. „Tunnel sind eine sehr effektive Verteidigungsform gegen eine Räumung. Es ist viel schwieriger, den Tunnel zu räumen als ein Baumhaus. Die Polizei weiß nicht, wo die Menschen drin sind.“ Die Behörden bestätigten kurz darauf, dass es einen Tunnel gebe, von einem System wollten sie nicht sprechen. 

Die Ziele der beiden Tunnelgräber: „Wir wollen Zeit gewinnen, weil sie nicht wissen, wie sie vorgehen und dass sie sich Konzepte überlegen müssen, wie sie vorgehen. Wir hoffen, dass wir den Aktivisti oben die Zeit geben, genug Leute zu mobilisieren, damit die Räumung vielleicht noch gestoppt werden kann.“

Ob das nicht gefährlich ist, fragt der Produzent des Videos. „Im Grunde nicht, wir haben sehr sorgfältig gebaut und sehr gut durchdacht. Die ganzen Gänge sind mit Türen verbarrikadiert. Vielleicht trifft die Polizei oben Entscheidungen, die nicht optimal sind. Das würde uns helfen.“

Die beiden seien entschlossen, sich anzuketten, sobald versucht werde, sie herauszuholen, sagte eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“ am Freitagmorgen. Das Technische Hilfswerk hatte in der Nacht versucht, die Aktivisten herauszuholen, den Einsatz aber später beendet. Wann ein neuer Versuch unternommen wird, blieb zunächst unklar. Nach Angaben von „Lützerath lebt“ sind die Personen in gut vier Metern Tiefe. Es gebe ein „Belüftungssystem“.

Bislang kam die Polizei in Lützerath mit ihrer gewaltigen Übermacht rasend schnell voran. Mit den Tunneln steht sie aber vor einem neuen Problem. „Wie lange jetzt die Räumung aus den unterirdischen Bodenstrukturen dauern wird, das ist nicht abzusehen. Da wird es auch darauf ankommen, ganz vorsichtig vorzugehen und keine Risiken einzugehen“, sagte Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach am Donnerstagabend.