„Die Lage ist dramatisch“Luisa Neubauer vor Lützerath: PR-Stunt? Bohrende Fragen an Herbert Reul

Nordrhein-Westfalen, Keyenberg: Umweltaktivistin Luisa Neubauer spricht vor Beginn einer Demonstration gegen den Kohleabbau in die TV-Kameras. Die Polizei hat die Räumung des von Aktivisten besetzten Braunkohleortes Lützerath fortgesetzt.

Umweltaktivistin Luisa Neubauer spricht vor der Demonstration in Keyenberg am 12. Januar 2023.

Es könnte alles ganz schnell gehen in Lützerath. Der massive Polizeieinsatz zeigt Wirkung. Kritik am Vorgehen gibt es von den Klimaschützern und -schützerinnen von „Fridays for Future“. Die werfen der Polizei vor, die Aktivisten zu gefährden und sprechen von einem „gigantischen PR-Stunt“ von NRW-Innenminister Herbert Reul.

von Alexander Haubrichs (ach)

Es ist ein gewaltiger Polizeieinsatz, den das Land NRW da auffährt, um die anfangs rund 1000 Demonstrierenden aus Lützerath zu räumen. Und es scheint, als könne alles ganz schnell gehen.  Aus Sicht der Klimaschützer und Klimaschützerinnen wohl zu schnell.

„Die Lage ist ernst“, sagt Pauline Brünger vom Bündnis „Fridays for Future“ aus Keyenberg, einem Ortsteil von Erkelenz, auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. „Es wurde bis tief in die Nacht geräumt. Dabei ist immer wieder von einer friedlichen Räumung gesprochen worden, doch das Gegenteil ist der Fall. Die Aktivisten und Aktivistinnen konnten nicht schlafen, nicht essen. Das alles ist ein riesiger PR-Stunt von Innenminister Herbert Reul, mit möglichst viel Polizisten und Polizistinnen in das Dorf einzumarschieren und alles kurz und klein zu schlagen.“

Luisa Neubauer: Gefangenentransporter von RWE?

Luisa Neubauer bekräftigte die Vorwürfe: „Wovor hat die Regierung solche Angst? Unter extrem gefährlichen Bedingungen werden die Aktivisten und Aktivistinnen aus den Bäumen geholt. Es wurde nachts noch geräumt, vereinbart, dass die Küche ein neutraler Ort ist, kurz später wurde sie eingenommen.“

Alles zum Thema Fridays for Future

Neubauer: „Fragwürdig ist auch, dass RWE-Gefangenentransporter mit eigenem Logo für die Polizei die Aktivisten und Aktivistinnen wegbringen. Auch da haben wir Fragen an Herbert Reul und auch den grünen Koalitionspartner.“

Die bekannte FFF-Aktivistin kommt zu dem Schluss: „Die Lage ist dramatisch. Aktivisten und Aktivistinnen harren vor Ort aus, um Widerstand zu leisten. Es geht nicht nur um ein Dorf. Es geht um die Kohle darunter. Ein Bündnis von Landwirten, die Kirchen, über 500 Wissenschaftler haben sich für unser Anliegen ausgesprochen. Die Kohle muss im Boden bleiben. Am Samstag werden tausende Menschen kommen, auch Greta Thunberg wird kommen, um mit uns deutlich zu machen, dass wir eine andere Politik brauchen – auch wenn die Grünen sich das nicht trauen.“

Florian Özcan, Wissenschaftler vom Bündnis „Lützerath lebt“ macht ebenfalls deutlich: „Wir brauchen die Kohle nicht. Wir können uns die Energie aus Braunkohle auch nicht mehr leisten. Alle Zahlen, die dieses Gutachten stützen, kommen von RWE. In was für einer Demokratie wollen wir leben? In einer, in der ein Konzern die Rahmenbedingungen setzt? In der wir alle für den Profit von ihnen zahlen? Wollen wir uns von Konzernen bestimmen lassen, wie die Politik läuft?“

Dann rechnet der Aktivist mit den Grünen ab: „Die Grünen sind keine Fortschrittspartei sind.“

Pauline Brünger: „Die Grünen haben sich von RWE über den Tisch ziehen lassen, mit einem Deal, der nur ihre Profite wieder steigert. Zudem erleben wir seit Wochen eine Kriminalisierung des friedlichen Protests.“

Die Aktivisten und Aktivistinnen haben keinen Zugang mehr zu Lützerath. „Das Dorf ist von der Polizei umstellt und eingezäunt. Nur Journalisten und Journalistinnen und parlamentarische Beobachtende sind zugelassen.“

Brünger: „Der Einsatz soll wohl zeigen, dass man so ein Dorf in drei Tagen in Schutt und Asche legen kann. Aber die Leute vor Ort sind entschlossen, sie sind gewappnet und was genau dort passiert, das müssen die nächsten Tage zeigen.“