„Apokalypse biblischen Ausmaßes“Zahl der Todesopfer ist gestiegen – Slowenien fordert Nato an

Slowenien kämpft seit dem Wochenende mit der schwersten Naturkatastrophe seit Jahrzehnten, auch in Österreich halten Überschwemmungen und Hangrutsche die Menschen in Atem. Die Gefahr neuer Erdrutsche bleibt.

Evakuierte Dörfer, ein Dammbruch und schon jetzt historische Schäden: Das kleine Slowenien kämpft mit der schwersten Naturkatastrophe in der Geschichte des seit 1991 unabhängigen Landes.

Nach den starken Regenfällen Ende vergangener Woche standen am Montagmorgen (7. August 2023) weiterhin Gebiete in den Tälern der Flüsse Save, Drau und Mur unter Wasser, wie die Nachrichtenagentur STA berichtete. In der Nacht zum Montag verzeichneten die Feuerwehren 57 Einsätze, vor allem in der Umgebung der Städte Murska Sobota und Slovenj Gradec im Norden des Landes. 

Unwetter in Slowenien: Mindestens sechs Menschen gestorben

Nach den schlimmsten Überschwemmungen in Slowenien seit 30 Jahren ist die Zahl der Todesopfer auf sechs gestiegen. Um bei der Überwindung der Katastrophe zu helfen, brachen Einsatzkräfte aus Deutschland und anderen Staaten am Montag (7. August 2023) in das Krisengebiet auf. Unter anderem machte sich ein Vorausteam des Technischen Hilfswerks (THW) auf den Weg in die Überschwemmungsgebiete. Auch in den Regengebieten Österreichs blieb die Lage kritisch.

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Unter den nunmehr laut Medienberichten sechs Todesopfern in Slowenien war auch ein Mann, der an Aufräumarbeiten teilgenommen hatte. Er sei tot aufgefunden worden, nachdem er in der Nähe von Ljubljana in eine Jauchegrube gefallen sei. Zudem hätten Rettungskräfte am Sonntag die Leiche eines 35-jährigen Mannes in einem Fluss im Osten des Landes entdeckt. Zuvor hatten die Behörden bereits vier Todesopfer vermeldet – zwei slowenische und zwei niederländische Staatsbürger.

Das THW-Vorausteam soll in Slowenien die Lage sondieren und den Einsatz weiterer Kräfte mit Fahrzeugen und schwerem Bergungsgerät vorbereiten.

Erste THW-Kräfte sind in betroffenen Gebieten in Slowenien angekommen

Nach Angaben des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK), das den Einsatz der deutschen Helferinnen und Helfer koordiniert, sollte noch im Laufe des Montags zudem der Transport von zwei Baggern sowie zwei Behelfsbrücken des THW nach Slowenien beginnen. Die slowenische Regierung habe entsprechende Angebote des THW akzeptiert, erklärte das Bundesamt im Onlinedienst Twitter, der in X umbenannt wurde.

„Schon heute erreichen die ersten THW-Kräfte die betroffenen Gebiete in Slowenien. Wir werden vor allem mit Räumtechnik und Baggern helfen, aber auch mit mobilen Brücken“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin. Sie sei den deutschen Hilfskräften für ihren schnellen Einsatz sehr dankbar. „Wir Europäerinnen und Europäer stehen einander bei schweren Naturkatastrophen eng zur Seite.“

Slowenien: Bilder zeigen verheerende Zustände

Am Montag rechnete die slowenische Umweltagentur Arso mit nur noch wenigen Niederschlägen. Der Wasserstand der Mur begann am Sonntagabend bei Gornja Radgona an der Grenze zu Österreich zu sinken. Wegen der durchnässten Böden blieb jedoch noch die Gefahr von Erdrutschen bestehen. Außerdem begannen Aufräum- und Reinigungsarbeiten im großen Stil.

Die Bilder aus Slowenien am Sonntag zeigten nach Erdrutschen und Überschwemmungen verheerende Zustände: Dörfer waren durch das Wasser von der Außenwelt abgeschnitten, zahlreiche Hubschrauber versorgten Tausende Katastrophenhelfer mit dem Nötigsten, im Osten des Landes flogen Helikopter Betonblöcke heran, um einen geborstenen Schutzdeich zu reparieren. Hunderte Menschen mussten wegen drohender Erdrutsche in Notunterkünfte.

Über den EU-Katastrophenschutzmechanismus beantragte Slowenien 30 Bagger, 30 Spezialfahrzeuge zur Regulierung von Wasserläufen sowie vorgefertigte Brücken von bis zu 40 Metern Länge. Von der Nato erbat das Land weitere Brücken sowie fünf schwere Militärhubschrauber und 200 Soldaten für Schutz-, Rettungs- und Hilfsaufgaben.

Ministerpräsident Robert Golob sprach schon am Freitagabend von den „wahrscheinlich größten Schäden durch eine Naturkatastrophe in der Geschichte des unabhängigen Sloweniens“, berichtete die slowenische Nachrichtenagentur STA. Slowenien wurde 1991 unabhängig. Der Gesamtschaden werde voraussichtlich 500 Millionen Euro übersteigen, schätzte Golob. Beschädigt sei vor allem die Straßen- und Energieinfrastruktur sowie Hunderte Wohngebäude.

Slowenien: Sorge um steigenden Pegelstand der Mur

Seit Donnerstag gab es mehrere Tausend Einsätze in Slowenien, allein in der Nacht zum Sonntag half der Katastrophenschutz in 186 Orten. 137 Feuerwehreinheiten pumpten Wasser aus überschwemmten Häusern, beseitigten umgestürzte Bäume, retteten Menschen aus gefährdeten Gebäuden und lieferten dringend benötigte Lebensmittel und Medikamente.

Zu möglichen Todesopfern gab es zunächst keine genauen Angaben. Bei vier Todesfällen ermittelt die Polizei, ob sie im Zusammenhang mit den Unwettern stehen. Darunter waren zwei Niederländer, die wahrscheinlich beim Wandern vom Blitz getroffen wurden. Die Behörden suchten am Sonntag zudem einen vermissten Italiener.

Österreich: Ein Todesopfer nach heftigen Unwettern im Süden

Im Süden Österreichs ist am Sonntag ein Mensch in Kärnten zu Tode gekommen. „Es ist traurige Gewissheit: Kärnten betrauert nach dem Starkregenereignis ein erstes Todesopfer“, teilte das Bundesland mit. Augenzeugen hätten am Sonntagnachmittag gemeldet, dass ein Mensch im Bereich der Orte Zollfeld – Maria Saal in den Fluss Glan gestürzt sei.

Besondere Sorge bereitete am Sonntag der ansteigende Pegelstand der rund 450 Kilometer langen Mur, die in Österreich entspringt. Neben Slowenien berührt der Fluss auch Kroatien und Ungarn.

Slowenien: Nach den Überschwemmungen droht neue Gefahr

Bereits am Samstagabend hatte ein Dammbruch an der Mur im Osten des Landes die Region in Alarm versetzt, eilig wurden 500 Menschen aus dem Dorf Dolnja Bistrica in Sicherheit gebracht. Das Wasser sei auf landwirtschaftliche Flächen und Wiesen umgeleitet worden, berichtete Miroslav Vuk, der Leiter des örtlichen Katastrophenschutzes. Gleichzeitig waren Versuche im Gange, den Damm mit Sandsäcken und rund zwei Tonnen schweren Betonblöcken abzudichten.

Die hohe Bodenfeuchtigkeit mache Erdrutsche wahrscheinlicher, warnte der Geologische Dienst Sloweniens. Er rief die Bevölkerung auf, stärker auf Veränderungen am Boden, an Gebäuden und an Hängen zu achten. Betroffen waren unter anderem Ljubno ob Savinji im Tal des Flusses Savinja, der Raum Crna, die Region Zgornje Podravje an der Save, die Region Gorenjska 30 Kilometer westlich von Ljubljana sowie Dravograd am Fluss Drau.

Auf der Landstraße von Dravograd nach Maribor herrsche ständige Erdrutschgefahr, erklärten die Katastrophenschützer. Bürgermeister Anton Preksavec sprach nach einem Erdrutsch dort am Wochenende von einer „Apokalypse wahrhaft biblischen Ausmaßes“, wie STA berichtete. (dpa/afp/mg)