Randale im FreibadPolizei, Hausverbote, Rutschensperrung

Zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes „Security GSO“ gehen im Berliner Prinzenbad an einem Becken entlang

Zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes „Security GSO“ drehen im Juni 2023 im Berliner Prinzenbad ihre Runden.

FreibĂ€der sind keine gefĂ€hrlichen Orte, darin besteht Einigkeit. Trotzdem muss ab und zu die Polizei eingreifen. Die BĂ€der haben mehr Sicherheitsaufwand – und manche Besucher ein mulmiges GefĂŒhl.

Die Problemzonen sind die Rutschen oder SprungtĂŒrme. Dort stehen viele Menschen an warmen Tagen in FreibĂ€dern Schlange. Manchmal sorgt schon ein falscher Blick, ein Spruch oder ein Rempeln fĂŒr Aggressionen – vor allem unter Jugendlichen und jungen MĂ€nnern.

Einer beleidigt den anderen, es wird geschubst, dann geschlagen. In vielen StÀdten setzen Badbetreiber verstÀrkt private Sicherheitsleute ein, die dann eingreifen. Scheitert eine Deeskalation, kommt die Polizei.

40 bis 50 Jugendliche randalieren auf Rutsche in Berlin

Der Sommer ist gerade erst gestartet, da mussten kĂŒrzlich in Berliner FreibĂ€dern schon mindestens dreimal die Polizei anrĂŒcken, um die Lage zu beruhigen, SchlĂ€ger zu fassen und die Wachdienste bei der Schließung des Bades zu unterstĂŒtzen.

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So randalierten am Mittwoch 40 bis 50 Jugendliche auf einer Rutsche in Neukölln. Per Durchsage hieß es: „Das Bad wird gerĂ€umt. Bitte packen Sie ihre Sachen und begeben sich zum Ausgang. Aus SicherheitsgrĂŒnden wird das Bad gerĂ€umt.“

Das PhĂ€nomen pöbelnder und randalierender Jugendlicher und junger MĂ€nner in FreibĂ€dern ist gut bekannt – und gilt vor allem als ein Großstadtproblem. Auch in DĂŒsseldorf oder einigen StĂ€dten im Ruhrgebiet hatte es in den vergangenen Jahren Tumulte, Schließungen und PolizeieinsĂ€tze gegeben.

JĂŒngst kam es in Mannheim nach einem Streit zwischen zwei Gruppen zu einer MassenschlĂ€gerei. In Saarlouis gab es laut einem Medienbericht mehrere gewalttĂ€tige StörfĂ€lle. Wer im Internet nach entsprechenden Videos sucht, stĂ¶ĂŸt auf Szenen aus lauten, ĂŒberfĂŒllten BĂ€dern, voller AufmĂŒpfigkeit und Aggressionen.

Respektlosigkeit einer der GrĂŒnde fĂŒr mehr Konflikte

Nach EinschĂ€tzung der Deutschen Gesellschaft fĂŒr das Badewesen, einem Verband der auch rund 2800 FreibĂ€der vertritt, ist Respektlosigkeit einer der GrĂŒnde fĂŒr mehr Konflikte. „Das Problem wird garantiert nicht abnehmen. Ob es ein zunehmender Trend wird, zeigt sich in dieser Sommersaison. Aber wir rechnen eher mit mehr FĂ€llen“, sagt Sprecherin Ann-Christin von Kieter.

Nicht nur SchwimmbĂ€der seien betroffen. „Aggressives Verhalten nimmt zu, sogar gegen Polizisten oder Feuerwehrleute.“ Randale gebe es auch in Stadien, Parks oder Einkaufszentren.

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GrundsĂ€tzlich sei die Gefahr in FreibĂ€dern der GroßstĂ€dte oder in Problemvierteln höher als auf dem Land, sagt von Kieter. „Je voller die BĂ€der sind, desto eher ist Konfliktpotenzial gegeben.“

Die Aggression gehe fast immer von Gruppen mĂ€nnlicher Jugendlicher oder junger MĂ€nner aus. Ähnliches hört man vom Bundesverband Deutscher Schwimmmeister. Insbesondere Kolleginnen seien betroffen und wĂŒrden auch bedroht, beklagt VerbandsprĂ€sident Peter Harzheim. „Die Probleme konzentrieren sich sehr stark auf BĂ€der in GroßstĂ€dten.“

Dabei ist der Alltag in SchwimmbĂ€dern ĂŒberwiegend ruhig: Schwimmer ziehen stoisch ihre Bahnen, Familien stehen fĂŒr Pommes an, GĂ€ste sonnen sich - an den allermeisten Tagen passiert in den BĂ€dern mit Millionen BadegĂ€sten im Lauf eines langen Sommers nichts AuffĂ€lliges. Tumulte sind EinzelfĂ€lle, allerdings sorgen sie fĂŒr große Schlagzeilen - und bei manchen Besuchern fĂŒr ein mulmiges GefĂŒhl.

Andreas Zick: „Die meiste Gewalt entsteht zwischen Gruppen“

Konfliktforscher Andreas Zick von der Uni Bielefeld sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen BĂ€dern, heißen Tagen und Aggressionen. GruppenschlĂ€gereien habe es neulich erst in Nordrhein-Westfalen abends auf öffentlichen PlĂ€tzen gegeben. Im Sommer seien viele Menschen eben mehr draußen, oft auch in grĂ¶ĂŸeren Gruppen. Entscheidend fĂŒr Aggressionen seien auch in FreibĂ€dern spezielle Situationen und soziale Faktoren.

„Die meiste Gewalt entsteht zwischen Gruppen, auch wenn es mit einem persönlichen Streit beginnen kann“, sagt Zick. „Dann greifen andere ein, weil ein Mitglied der kleinen oder grĂ¶ĂŸeren Gruppe vermeintlich oder tatsĂ€chlich aggressiv angegangen wurde.“ Wenn es noch Zuschauer gebe, „die die Gewalt wie ein Erlebnis feiern, dann eskaliert es, und dann wird auch oft das Personal mit hineingezogen“.

Auf verstĂ€rkte Sicherheitsmaßnahmen setzen viele Betreiber schon lĂ€nger. Wachleute kontrollieren am Eingang Taschen, laufen zu zweit herum und sprechen laute Gruppen an. An heißen Wochenenden sind in Berlin bis zu 170 Wachleute im Einsatz, 1,5 Millionen Euro kostet das im Jahr.

Zudem verhĂ€ngen viele BĂ€der Hausverbote – allein in Berlin gab es in den vergangenen fĂŒnf Jahren 730 Verbote. Überwiegend ging es um VerstĂ¶ĂŸe gegen die Hausordnung, weniger um Gewalt. Die Verbote seien aber kaum zu kontrollieren, erzĂ€hlen Konfliktlotsen. Es komme immer wieder zu Problemen mit denselben MĂ€nnern.

„Viel öfter geraten zwei oder wenige Personen aneinander“

„GewalttĂ€tige Übergriffe in SchwimmbĂ€dern sind kein brandneues PhĂ€nomen. Körperverletzungsdelikte treten an diesen Orten mit einer gewissen RegelmĂ€ĂŸigkeit auf“, sagt Alexander Poitz, Bundesvize der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Es handele sich seltener um Krawalle. „Viel öfter geraten zwei oder wenige Personen aneinander“, sagt er. „Neuer ist, dass sich Unbeteiligte in den Konflikt einmischen, verschiedene Lager bilden und eskalieren.“ Solche VorfĂ€lle sorgten im Internet schnell fĂŒr Aufregung. Auch herbeigerufene Polizisten wĂŒrden angegriffen.

Auch in NRW haben mehrere Betreiber aktuell gehandelt. Es seien mehr Wachleute im Einsatz, sagt ein Sprecher der WasserWelten Bochum. „ZusĂ€tzlich setzen wir Rettungsschwimmer ein, die sicherheitstechnisch geschult sind.“ Es habe in diesem Sommer bisher keine grĂ¶ĂŸeren VorfĂ€lle gegeben.

Berlin geht noch weitere Schritte. Die Polizei soll vor ausgewĂ€hlten FreibĂ€dern PrĂ€senz zeigen mit sogenannten mobilen Wachen. Außerdem wurden als Reaktion auf die pöbelnden Jugendlichen in zwei BĂ€dern mit hĂ€ufigen VorfĂ€llen SprungtĂŒrme und Rutschen bis auf Weiteres geschlossen. Leidtragende sind Kinder und friedliche BadegĂ€ste. „Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen“, bedauert BĂ€der-Chef Johannes Kleinsorg. „Es sind jedoch ganz offenbar diese Attraktionen, die immer wieder Randalierer anziehen.“ (dpa)