Inferno auf La PalmaNächster Lavastrom bahnt sich seinen Weg und bildet neue Landzunge

Die Landkarte La Palmas wird neu gezeichnet werden müssen. Seit der Vulkan am 19. September erstmals nach 50 Jahren wieder aktiv wurde, hat die Lava auf ihrem Weg alles zerstört und Neues geschaffen. Ein Ende ist nicht abzusehen.

La Palma. Die Insel La Palma wie wir sie kennen, diese Insel gibt es nicht mehr. Ein zweiter Lavastrom könnte auf der kanarischen Vulkaninsel bereits am Montag (18. Oktober) das Meer erreichen und dort eine neue Landzunge bilden.

Die 1270 Grad heiße Masse sei rund 200 Meter vom Meer entfernt, teilte das Vulkanologische Institut der Region (Involcan, Spanien) am Sonntagnachmittag (17. Oktober) mit. Der Lavastrom bewege sich Richtung Meeresklippen mit einer Geschwindigkeit von 15 Metern pro Stunde vorwärts. Der Hauptstrom ergießt sich schon seit rund zwei Wochen in den Atlantik und lässt dort eine neue Landzunge entstehen, die am Sonntag etwa 36 Hektar groß war. Darauf passen rund 50 Fußballfelder. Die Landkarte La Palmas wird neu gezeichnet werden müssen.

Die betroffene Region am Gebirgszug Cumbre Vieja im Süden La Palmas wurde unterdessen am Sonntag erneut von Dutzenden Erdbeben erschüttert. Da die Erdstöße mit Stärken von bis zu 4,6 nach Angaben der Behörden aber weiterhin in Tiefen von mehr 30 Kilometern stattfinden, stellen sie keine bedeutende Gefahr dar. Nach Ansicht von Experten deuten sie allerdings darauf hin, dass der Vulkan noch einige Zeit aktiv bleiben wird. „Das Ende steht wohl noch nicht unmittelbar bevor“, sagte am Sonntag auch der Regionalpräsident der Kanaren, Ángel Víctor Torres.

Flughafen wird wegen gefährlicher Vulkanasche nicht angeflogen

Der Flughafen der Insel war nach Angaben des Betreibers Aena am Sonntag zwar weiter betriebsbereit, doch wegen der für Flugzeuge gefährlichen Vulkanasche wurde La Palma am Sonntag von Airlines wie Binter den zweiten Tag in Folge nicht angeflogen.

Seit der Vulkan am 19. September erstmals nach 50 Jahren wieder aktiv wurde, hat die Lava nach jüngsten amtlichen Angaben vom Sonntag bereits mehr als 1800 Gebäude völlig zerstört. 754 Hektar waren von einer meterdicken Lavaschicht bedeckt. Diese Fläche entspricht mehr als tausend Fußballfeldern. Rund 7000 Bewohner mussten seit Ausbruch des Vulkans in Sicherheit gebracht werden.

Vulkaninsel La Palma: Leben auf dem Pulverfass

Mit einer Mischung aus Schrecken und Mitleid sehen Fernsehzuschauer rund um die Welt, wie der Vulkan auf der Kanareninsel La Palma seit vier Wochen Tausende in die Flucht schlägt. Nichts bleibt von der vertrauten Umgebung, dem Zuhause, dem Ort, an dem die Menschen aufgewachsen sind, nur ein schwarze glühende Masse. „Stell dir vor, wie sehr es schmerzt zu sehen, dass der Ort, wo ich mein ganzes Leben verbracht habe, einfach verschwindet“, sagt Enrique González (46) dem staatlichen TV-Sender RTVE in La Laguna, während er Hausrat auf einen Laster lädt.

Angesichts der Bilder und des Leids wird leicht vergessen, dass es ohne die Vulkantätigkeit die Insel gar nicht geben würde und auch die anderen nicht, die bekannteren und bei Touristen wegen ihres milden Klimas beliebten Kanareninseln Teneriffa, Gran Canaria, Fuerteventura, Lanzarote und Gomera. Sie verdanken ihre Existenz rund 200 Kilometer westlich der Westküste Afrikas einem sogenannten Hotspot tief im Erdinneren, von dem aus punktuell Magma an die Oberfläche drängt. Im Laufe von Millionen Jahren wuchsen die Inseln aus dem Meeresboden empor, und zwar von Ost nach West. Fuerteventura ist etwa 22 Millionen Jahre alt, La Palma im Westen „nur“ circa zwei Millionen.

Vulkanausbruch auf La Palma lockt Touristen an

Neben dem ganzjährig milden Klima locken auch die bizarren Landschaften früherer Vulkanausbrüche Hunderttausende Touristen auf die Kanaren. Der wohl bekannteste Vulkan ist der 3715 Meter hohe Teide auf Teneriffa. Die wüstenähnliche Gegend rund um den höchsten Berg Spaniens wirkt wie eine Mondlandschaft. In Santa Cruz de Tenerife sonnen sich die Urlauber auf dem pechschwarzen Sand der Playa Jardin. Und auf Lanzarote ist der Lavatunnel von Janeos del Agua eine ebenso beliebte Touristenattraktion wie der farbige Berg Montaña Colorado. Im Nationalpark Timanfaya fühlt sich der Besucher wie auf einem anderen Planeten.

Und auch der Vulkan auf La Palma lockt schon Reisende an. Von Teneriffa aus werden per Schiff Tagestouren oder auch Besuche mit Übernachtung auf der Vulkaninsel angeboten. Für die Menschen, die bisher meist vom Bananenanbau lebten, könnte das eine neue Einnahmequelle sein.

Dass Vulkantourismus nicht ganz ungefährlich ist, zeigte jedoch das Unglück auf White Island vor der Küste von Neuseeland. Im Dezember 2019 war dort ein Vulkan plötzlich ausgebrochen, während gerade 47 Ausflügler auf der Insel waren. 22 von ihnen starben, die meisten Überlebenden erlitten schwere Verbrennungen. „Ein Vulkan schläft nie ganz, er kann jederzeit wieder aktiv werden“, sagt die Vulkanologin und Gründerin der Stiftung Volcano Active Foundation in Barcelona, Anne Fornier. Ihr geht es um mehr Sicherheit für Menschen, die in der Nähe von Vulkanen siedeln.

Trotz des heftigen Vulkanausbruchs auf La Palma ist dort bisher noch niemand ernsthaft verletzt worden. Das lag auch an einem Krisenplan der Inselregierung. Ältere und in ihrer Bewegung eingeschränkte Menschen waren vorsorglich schon kurz vor dem Ausbruch, der sich durch Hunderte leichte bis mittlere Beben andeutete, in Sicherheit gebracht worden. Zudem waren die Bewohner gefährdeter Gebiete aufgerufen worden, Fluchtgepäck mit den wichtigsten Unterlagen, Medikamenten und ihrem Handy griffbereit zu haben. Auch die Sammelpunkte im Falle von Evakuierungen waren bekannt. Große Hilfsbereitschaft und Soforthilfen in Millionenhöhe des Staates linderten die größte Not der 7000 seit dem Ausbruch Evakuierten.

Dennoch hätten die Menschen das von dem Vulkan ausgehende Risiko wohl etwas unterschätzt, sagt Fornier. „Der Vulkan liegt in derselben Region der Insel, wo erst vor 50 Jahren der Teneguía ausgebrochen war. Und davor spie der Vulkan San Juan 1949 fast an derselben Stelle wie heute große Mengen Lava aus“, gibt sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zu bedenken. „Man muss schon fragen, warum dort im Tal von Aridane so viele Baugenehmigungen erteilt wurden“, sagt die Französin. Man habe wohl gehofft, es werde schon gut gehen. (dpa)