„Der Hammer kommt erst“Notärztin aus NRW mit schlimmer Befürchtung für Weihnachten

von Martin Gätke (mg)

Essen – Kurz vor Weihnachten geht das Land in einen harten Lockdown - keinen Tag zu früh, wie sich zeigt. Die Zahl der Todesfälle durch Corona kratzt am Mittwoch (16. Dezember) an der 1000er-Marke.

Doch noch immer gibt es Menschen, die denken, dass in der Regel nur Ältere und Vorerkrankte schwer an Covid-19 erkranken würden. Dr. Carola Holzner, leitende Oberärztin der Zentralen Notaufnahme Nord des Uniklinikums Essen, aber hält das für einen gefährlichen Trugschluss. Im Interview mit „Focus“ formuliert sie einen drastischen Appell (oben im Video ansehen). Sie klärt auf: Trifft es nur die Älteren?

„Was heißt denn: Es trifft nur die Älteren? Wenn mit Treffen gemeint ist, beatmungspflichtig an einer Lungenersatzmaschine auf einer Intensivstation in Bauchlage intubiert zu werden, dann kann es sein, dass – statistisch gesehen – vermehrt Ältere aus der Risikogruppe dort liegen.“

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Carola Holzner: Auch junge Menschen liegen auf Intensivstationen

Doch die Ärztin warnt: „Nichtsdestotrotz liegen auch Junge, nicht vorerkrankte Menschen ebenfalls auf Intensivstationen.“

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Das Team der Zentralen Notaufnahme der Uniklinik in Essen appelliert Mitte März mit dem Spruchband „Wir bleiben für euch da! Und ihr bitte zu Hause!” an die Bevölkerung.

Carola Holzner erklärt dazu: „Ich sage auch weiterhin, das Wort ‚es trifft‘ trifft eben auch auf diejenigen zu, die Geruchs- und Geschmacksstörungen haben oder andere Symptome wie dauerhafte Atemnot, Schmerzen beim Atmen, sodass sie keine sportlichen Aktivitäten mehr ausüben können.“

Notärztin: Unter Corona-Toten sind nicht nur Ältere

Corona-Patienten seien eben nicht nur auf Intensivstationen zu finden. „Ich finde, dass alltägliche Einschränkungen, die dazu führen, dass man ein normales Leben, das man vorher leben konnte, jetzt durch Corona nicht mehr leben kann, ist für mich genauso ein ,Treffen‘“, so Carola Holzner. Und unter den Menschen, die an Corona versterben, seien nicht nur über 70-Jährige oder Menschen mit Vorerkrankungen. „Es sind eben auch die anderen.“

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Carola Holzner, leitende Oberärztin am Universitätsklinikum Essen, im Dezember 2019.

Die Ärztin geht im Interview auch auf die möglichen Folgeschäden ein, die eine Erkrankung an Covid-19 hervorrufen kann. Zunächst einmal seien ganz pauschale Aussagen über Folgeschäden nicht so einfach zu treffen, weil Ärzte und Forscher das neuartige Virus und seine Auswirkungen noch immer untersuchen.

Corona: Notärztin über mögliche Folgeschäden durch Covid-19

Doch in der ersten „Welle“ des Virus im Frühjahr konnte man bereits einige der möglichen Folgeschäden erkennen: „Da sind Herzerkrankungen, Herzmuskelentzündungen, aber auch dauerhafte Atemnot, anhaltende Beschwerden beim Atmen, Brennen beim Atmen, Geschmacksstörungen, Thrombosen oder ähnliches beschrieben worden“, erklärt die Ärztin. „Ich bin gespannt, ob sich da jetzt durch die hohen Infektionszahlen noch andere Dinge herauskristallisieren.“

Aber allein der Fakt, dass es eben Folgeschäden gebe, „sollte uns alle für unser eigenes Wohl und für das Wohl unserer Mitmenschen darauf aufmerksam machen, dass wir uns sehr, sehr vorsichtig bewegen und dazu beitragen, die Ausbreitung zu verhindern.“

Notärztin Carola Holzner: Weihnachtsfeiertage bereiten ihr Bauchschmerzen

Insbesondere nach den Feiertagen könnten die Fallzahlen aus Sicht der Medizinerin jedoch weiter ansteigen. „Ich glaube, dass – und da müssen wir uns alle an die eigene Nase fassen – wir oft die eigenen Interessen über die Allgemeinheit stellen.“

Die Ärztin glaube zwar, dass die Fallzahlen über Weihnachten aufgrund des harten Lockdowns sinken würden. Doch sie würden eben nicht stagnieren. „Und ich glaube, der Hammer kommt dann erst, so etwa 14 Tage bis drei Wochen nach den Weihnachtsfeiertagen und nach Silvester. Da bin ich wirklich gespannt.“ (mg)