Ein Waffenexperte erklärt, wie einfach Menschen in Österreich an Waffen kommen können.
„Super-GAU“Abschiedsbrief von Amokläufer (21) von Graz gefunden – so leicht hat er seine Waffen bekommen

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Österreichs Innenminister Gerhard Karner (l, ÖVP) und Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) bei der emotionalen Pressekonferenz nach den tödlichen Schüssen an einem Gymnasium im österreichischen Graz.
Der Amoklauf an einer Schule in Graz mit neun Todesopfern in Österreich hat das Land aufgewühlt. Jetzt dürfte die Tat die Debatte über das Waffenrecht neu anheizen.
In der Alpenrepublik sei der legale Erwerb von Waffen deutlich einfacher als im besonders strengen Deutschland, sagt der Geschäftsführer des Wiener Waffenhandels Euroguns, Markus Schwaiger, der Deutschen Presse-Agentur. „In Deutschland wird fast keine Waffenbesitzkarte mehr ausgestellt.“
Amoklauf in Graz: Amokläufer hatte legale Waffen
Anders in Österreich: Jeder mindestens 18-jährige EU-Bürger mit Wohnsitz in Österreich, gegen den kein Waffenverbot verhängt wurde, dürfe bestimmte Gewehre nach mehrtägiger Wartefrist und Registrierung kaufen.
Im Fall des 21-jährigen Amokschützen von Graz wird die Sache noch brisanter. Nach Angaben der Polizei hatte der junge Mann eine Waffenbesitzkarte, wie sie für eine Pistole zwingend nötig ist. Das heißt, er musste einen sogenannten Waffen-Führerschein erwerben - eine umfassende theoretische und praktische Schulung - und einen Test beim Psychologen bestehen. Ein Amokläufer mit einer Waffenbesitzkarte - „das ist so eine Art Super-GAU“, meint Schwaiger.
Bisher hätten Amokläufer oder auch der Schütze beim islamistischen Anschlag in Wien im November 2020 Langwaffen oder illegale Waffen verwendet, so der Waffenhändler. Was jetzt passiert sei, sei nach seinem Wissen eine Premiere, so Schwaiger.
Insgesamt liegen in Österreich viel mehr Waffen - bezogen auf die Einwohnerzahl - in den Schränken und Tresoren ihrer Besitzer als in Deutschland. Laut Innenministerium in Wien waren vor wenigen Jahren 1,1 Millionen Schusswaffen registriert - im neunmal bevölkerungsreicheren Deutschland sind es sechs Millionen. Die Zahl der illegalen Waffen in Österreich schätzen Experten auf mindestens eine Million, wenn nicht mehrere Millionen.
Die Polizei ist wenige Stunden nach dem Amoklauf noch am Anfang der Ermittlungen. Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hielt sich bei der Frage nach dem möglichen Motiv des Täters sehr zurück. Laut Medien soll der 21-Jährige in seiner Schulzeit gemobbt worden sein. Das bezeichnet der Minister als Spekulation.
Zum genauen Ablauf des Amoklaufs gab es zunächst von den Ermittlern keine Einzelheiten. Erst soll eine Rekonstruktion der Ereignisse abgewartet werden. So ist noch unklar, ob die tödlichen Schüsse in Klassen oder am Gang abgefeuert worden sind. Das Bundesoberstufenreal-Gymnasium Dreierschützengasse hat rund 400 Schüler, die in 20 Klassen aufgeteilt sind, und 43 Lehrkräfte. Der Amokläufer tötete neun Menschen und sich selbst.
Am Abend wurde bekannt, dass der Amokschütze einen Abschiedsbrief hinterlassen hat. Die Polizei habe ein in analoger und digitaler Form vorliegendes Dokument sichergestellt, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, im ORF-Fernsehen. Das Schreiben gebe aber keinen Hinweis auf das Motiv des Schützen, so Ruf.
Dutzende Spezialisten der Kriseninterventions-Teams waren jedenfalls vor Ort, um geschockte und verzweifelte Eltern sowie Schülerinnen und Schüler zu betreuen. Sie wurden an Sammelplätze gebracht. Die Behörden baten eindringlich darum, keine Videos in den sozialen Netzwerken zu posten, um die Privatsphäre der Betroffenen zu wahren. (dpa)