Große EXPRESS-SerieGünther Classen - 30 Jahre auf der Spur des Verbrechens

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Fernseherfahren: Immer wieder baten Fernsehsender den Polizeireporter Classen vor die Kamera, wo er über seine Fälle berichtete – wie hier zum Leichenfund in Lindlar.

von Michael Kerst (mik)

Düsseldorf – Er ist eine journalistische Legende im Rheinland: EXPRESS-Polizeireporter Günther Classen, inzwischen 72 Jahre alt und immer noch weit davon entfernt, zum „alten Eisen“ zu gehören. Viele hundert Kriminalfälle hat der Düsseldorfer in 30 Jahren begleitet, manche auch selbst gelöst.

Der EXPRESS widmet „Kommissar Classens“ spannendsten Fällen eine elfteilige Serie, die heute startet. Zuvor erklärt Classens langjähriger Polizeireporter-Kollege Michael Kerst das „Phänomen Classen“.

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Günther Classen wurde 1944 in Amsterdam geboren, wuchs in Neuss auf. Er bereiste viele Länder, jobbte in Spanien und Frankreich. Doch dann entdeckte er seine wahre Berufung: Journalismus. Classen arbeitet seit über 30 Jahren für den EXPRESS.

Redaktionen sind nicht selten ein Eldorado für Spitznamen unter Kollegen. Für Günther Classen jedenfalls gibt es davon reichlich: von „Kommissar Rex“ über „Killer Classen“ bis ganz schlicht zu „Kommissar Classen“.

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Mancher Polizeibeamte könnte bei diesem Titel zusammenzucken und an Amtsanmaßung denken. Dennoch: Lernt man die Methoden des legendären EXPRESS-Polizeireporters kennen, dann ähneln schon viele Details dem, was auch „echte“ Ermittler in ihrem täglichen Geschäft so tun.

Seit 30 Jahren ist Günther Classen in diesem Geschäft, das zu den schwierigsten, aber auch spannendsten des journalistischen Berufsfeldes gehört – im besonderen Bereich der Boulevard-Zeitungen sowieso.

Anfänge als Blaulicht-Reporter

Eigentlich ist er sogar schon viel länger dabei, hat zuerst freiberuflich als sogenannter „Blaulicht-Reporter“ gearbeitet, Zeitungen angeboten, was er an Tatorten und Unfallstellen an Fotos und Information eingesammelt hatte. Dann band er sich fest an den EXPRESS – und legte damit (damals sicher unbewusst) die Grundlage für seine eigene Legende.

Wie er „seine“ Fälle findet

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Fernseherfahren: Immer wieder baten Fernsehsender den Polizeireporter Classen vor die Kamera, wo er über seine Fälle berichtete – wie hier zum Leichenfund in Lindlar.

Ein Charakteristikum einer echten Classen-Geschichte ist, dass er sie oftmals allein oder zumindest als erster Journalist hat. Wie gelingt ihm das?

Einerseits hat Günther Classen seine „Antennen“ immer auf Empfang. Das kann man im ersten Zugriff ganz wörtlich nehmen, denn er war (auch dank technischer Hilfsmittel) immer auf dem neuesten Stand, was aktuelle polizeiliche Einsätze betraf.

In jüngeren Jahren – so ist zu hören – hatte er seine Ohren 24 Stunden lang weit offen und soll selbst aus dem Tiefschlaf aufgeschreckt sein, wenn er bestimmte Reizworte hörte.

Ein Mann kennt sie alle

Aber auch im übertragenen Sinne waren die journalistischen „Antennen“ immer weit ausgefahren: Günther Classen kennt durch seine jahrzehntelange Erfahrungen viele Polizisten, Ermittler und Feuerwehrleute persönlich, hat ein offenes Ohr für sie – und bekommt das eine oder andere Mal auch den entscheidenden Tipp.

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Spurensuche: Im Fall des „Videotheken-Mordes“ untersuchte Classen den Tatort akribisch, fand Fußabdrücke.Fußabdrücke.

Wichtig ist das gegenseitige Vertrauen und immer der Respekt vor der Arbeit der Polizei sowie vor dem Schicksal von Opfern.

Der dritte und sicher noch entscheidendere Punkt ist, dass Classen Leser und Informanten, die sich an ihn und den EXPRESS wenden, um eine Geschichte zu erzählen, grundsätzlich erst einmal ernst nimmt … und wenn das Erzählte auch noch so irre klingt. Gerade was solche Geschichten betrifft, ist er ein unglaubliches „Trüffelschwein“ und in der Lage, tatsächlich journalistische „Schätze“ zu heben.

Die „Methode Classen“

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Fernseherfahren: Immer wieder baten Fernsehsender den Polizeireporter Classen vor die Kamera, wo er über seine Fälle berichtete – wie hier zum Leichenfund in Lindlar.

Wenn Günther Classen zu einem aktuellen „Einsatz“ raus muss und seine „Ermittlungen“ aufnimmt (er nennt das selbst tatsächlich so!), dann ist es oft der entscheidende und oft besondere Ansatz, dass er durch seine Ansprache und Spurensuche Zeugen oder Betroffene findet, die bereit sind, mit ihm über das Erlebte zu sprechen. Oder er findet Hinweise, die die Kripo vergeblich suchte.

Er ist dabei nicht der kaltschnäuzige Reporter, der (im übertragenen Sinne) „mit der Brechstange“ vorgeht – im Gegenteil: Er ist ein exzellenter Zuhörer, geht auf die Sorgen und Nöte der Betroffenen ein, hilft ihnen auch oft ganz praktisch in ihrer Not. Er selbst nennt sich in diesen Situationen einen „Pastoralen“ – und die gute Geschichte für die Zeitung entsteht dabei beinahe „nebenbei“.

Internet - kein Problem!

Schon seit Jahren ist Classen ein Meister der eigentlich recht jungen Methode der Internet-Recherche – was man angesichts seines nun fortgeschrittenen Alters auf den ersten Blick nicht erwarten würde.

Ein dritter Aspekt seines Erfolges ist ein „gnadenloses“ Am-Ball-Bleiben und sein Gespür für eine Spur. Da, wo andere glauben, sie hätten alle Informationen beisammen, oder schlicht aufgeben, beginnt Günther Classens Recherche oftmals erst. Ich selbst habe das in unseren gemeinsamen Polizeireporter-Zeiten immer wieder miterlebt.

Seine besten Fälle

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An einem Tatort: Nachdem die Spurensicherung der Polizei ihre Arbeit gemacht hat, sucht Günther Classen weiter.

Die Fälle des Günther Classen hatten immer wieder auch einen Widerhall in der nationalen und internationalen Presse.

So lässt ihn bis heute der „Mord ohne Leiche“ an Kö-Millionär Otto-Erich Simon nicht zur Ruhe kommen. Er setzte sich weltweit auf die Spur von Millionen-Dieben wie Manni K. und reiste bis nach Brasilien.

Oder es gelang ihm, Täter wie den „Hofburg-Mörder“ Arif D. dazu zu überreden, sich den Ermittlern zu stellen. Erstaunlich: Oft suchten Täter sogar das Gespräch mit Günther Classen, nachdem er und vor allem natürlich die Polizei sie hinter Gitter gebracht hatten.

Der letzte spektakuläre Fall des Reporters ist erst einige Wochen alt: Im April fand Classen die Leiche eines Ermordeten in einem Wald bei Lindlar. All diese Fälle erzählt die Serie.

Von der Polizei geschätzt

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Spurensuche: Im Fall des „Videotheken-Mordes“ untersuchte Classen den Tatort akribisch, fand Fußabdrücke.Fußabdrücke.

Auch die Polizei weiß, was sie an Classen hat: „Er ist seit vielen Jahren ein sehr engagierter Journalist, dem die Aufklärung von Verbrechen ein Herzensanliegen ist“, sagt der Leiter der Düsseldorfer Polizei-Pressestelle, Andreas Czogalla. „Seine Hinweise haben auch Ermittlungen eingeleitet.“

Was ihn nicht ruhen lässt

Was treibt einen Polizeireporter dazu, auch nach Jahrzehnten immer neuen Fällen auf den Grund zu gehen? „Was mich wirklich interessiert, sind nicht in erster Linie die brutalen Details einer Tat“, sagt Günther Classen.

„Am meisten interessieren mich die Menschen hinter einem Fall …“