KommentarWM-Boykott: Köln hat eine besondere Verantwortung

Deutschland-Fans beim Public Viewing fiebern mit.

Szenen wie diese (bei der WM 2018) wird es 2022 in Köln nicht geben: Public-Viewing-Events der Stadt sind  nicht geplant.

Die Fußball-WM in Katar beim Public Viewing erleben? In Köln wird das in diesem Winter nicht möglich sein. Ein Kommentar zur Entscheidung der Stadt.

von Julian Meiser (jm)

„Die Stadt Köln plant kein Public Viewing oder anderweitige Veranstaltungen anlässlich der Fußball-WM 2022“, erklärte am Wochenende eine Sprecherin der Domstadt hinsichtlich des anstehenden Großevents in Katar.

Gründe für diese Entscheidung gibt es viele: Tausende Arbeitsmigranten sind seit Baubeginn in Katar ums Leben gekommen, universelle Menschenrechte werden vom Emirat abgelehnt, Frauen werden unterdrückt, Homosexuelle verfolgt. Zudem steht im Raum, dass Katar radikalislamische Terrorgruppen unterstützt.

WM 2022: Public Viewing in Köln wird es nicht geben

Die Winter-WM in Katar zeigt einmal mehr, dass die FIFA ein käuflicher Verein ohne auch nur einen Hauch Moral ist. Das Turnier beweist aber auch, dass der Fußall-Weltverband mittlerweile guten Gewissens über Leichen geht, um Profit zu machen.

Alles zum Thema WM 2022

Die Stadt Köln handelt mit ihrem WM-Boykott genau richtig. Sie bietet dem Wüstenstaat keine Plattform zur Selbstinszenierung. Auch viele Kölner Kneipen verzichten auf die Übertragung der Spiele, obwohl die Ausstrahlung in der Vergangenheit immer viele Gäste anzog (und nach Corona finanziell gut tun würde).

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Gerade Köln – als Hauptstadt der LGBTQI+-Gemeinde Deutschlands – steht in der Verantwortung, dieser WM einen Riegel vorzuschieben, zumindest im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Um sich mit den Verfolgten und Unterdrückten dieses menschenverachtenden Systems zu solidarisieren.

Natürlich ist es Katar und dem Weltverband FIFA herzlich egal, ob die Stadt Köln nun auf Public Viewings verzichtet oder ich mich als Privatperson weigere, den Fernseher einzuschalten. Die Kassen klingeln trotzdem.

Dennoch gilt es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir Despoten und Tyrannen nicht länger einen Raum für ihre Geltungssucht geben sollten. Diesen Fehler haben wir schon mit der Vergabe der WM 2018 nach Russland begangen. Verbessert hat sich dort in Sachen Freiheit und Demokratie nach der Austragung nichts – auch wenn Herr Putin das mit Sicherheit ganz anders sieht ...

Köln: WM 2022 in Katar wird nicht als Public Viewing übertragen

Die Entscheidung der Stadt Köln, im Winter 2022 kein Public Viewing durchzuführen, könnte den einen oder die anderen dazu bewegen, sich mit dem Unrecht in Katar auseinanderzusetzen und auch in Zukunft genauer beim eigenen Konsum hinzuschauen. Auch mich lässt der Boykott nicht unberührt.

Zugegeben: Ein Fan von Public Viewing bin ich sowieso nicht. Ich genieße den Fußball lieber im Stadion – oder mit dem engsten Freundeskreis auf der Couch.

Klar ist aber: Die diesjährige Weltmeisterschaft ist das erste fußballerische Großturnier meines Lebens, das ich mir nicht anschauen werde. Stattdessen krame ich lieber meine Highlight-Videokassette von der WM 2002 heraus und gönne mir noch einmal die Tore von Raúl, Rivaldo und Miroslav Klose.