Schock im Kölner RathausNazi-Akte zu Kölner SPD-Größe aufgetaucht

SA-Aufmarsch in Köln

SA-Aufmarsch in der Trankgasse am Kölner Hauptbahnhof anlässlich der Rückkehr von SA und SS vom Reichsparteitag in Nürnberg, 04.09.1933 (Fotograf: Erich Kämmerer).

von Ayhan Demirci (ade)

Köln – Der Streit um die Benennung des ehemaligen Kinderheimgeländes in Sülz nach Heinz Mohnen (1914 - 2005) erfährt eine überraschende Wendung: Der frühere Amtsgerichtspräsident und Kölner Oberstadtdirektor war, wie EXPRESS-Recherchen ergeben haben, Mitglied der NSDAP und auch der SA, der Sturm-Abteilung Adolf Hitlers.

Das geht aus Unterlagen des NRW-Landesarchivs in Duisburg her.

Heinz Mohnen war Vorgänger von Kurt Rossa

Mohnen wechselte 1964 aus der Justiz ins Kölner Rathaus, er wurde Stadtdirektor und 1965 Oberstadtdirektor. Bis 1977 stand er Kölns Verwaltung vor. In diesem Amt war er Vorgänger von Kurt Rossa (ebenfalls SPD).

Ehemaliger SPD-Chef bestürzt

Die Nazi-Vergangenheit Mohnens wirft Fragen auf. Heinz Mohnen wurde zwar im Entnazifizierungsverfahren in die Kategorie V (entlastet) eingestuft. Dennoch: Die Barbarei von SA und NSDAP, zu der auch die brutale Verfolgung von Sozialdemokraten gehörte, hätte die SPD-Abgeordneten im Kölner Rat von einer Wahl Mohnens abgehalten. Davon geht der frühere Kölner SPD-Chef und Bundestagsabgeordnete Erich Henke (88) aus: „Jeder mit brauner Vergangenheit hätte es sehr schwer gehabt in der SPD. Von daher konnte man das eigentlich ausschließen.“

Vor allem über die SA-Mitgliedschaft Mohnens zeigte sich Henke bestürzt: „Das ist schon sehr bedenklich.“ 

Die Nazi-Akte Mohnen: Der am 11. März 1914 in Köln geborene Heinrich „Heinz“ Leo Mohnen trat am 8. Juli 1933 der SA bei. Er verließ die Organisation im Sommer 1935. Knapp zwei Jahre später wurde Mohnen Mitglied der NSDAP. Der Sohn eines Reichsbahnbeamten, der seit Januar 1940 als Wehrmachtssoldat im Zweiten Weltkrieg im Einsatz war, blieb Mitglied bis zum Ende der Nazi-Diktatur.

Heinz Mohnen: 1933 Eintritt in die Kampfgruppe SA

Mohnen trat 1933 in die als „Schlägertruppe des Führers“ berüchtigte SA ein, nachdem er das Kölner Schiller-Gymnasium beendet hatte. Die NSDAP hatte zu dieser Zeit eine Aufnahmesperre für Neumitglieder eingeführt, um des Ansturms von Aufnahmeanträgen nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933 Herr zu werden.

Mohnen nahm in dieser Zeit ein Studium der Rechtswissenschaften an der Kölner Uni auf (bis 1936), machte seinen Doktor in Jura und schlug eine Laufbahn im Staatsdienst ein. Vom Gerichtsreferendar (1937) zum Gerichtsassessor (1940) zum Amtsgerichtsrat (ab 1.1.1943).

Mohnen hatte weder in der SA, noch in der NSDAP einen Funktionärsrang, er war einfaches Mitglied. In seinem Entnazifizierungsfragebogen gibt er an, 1935 aus der SA „wegen Interesselosigkeit ausgeschlossen“ worden zu sein.

Juristen durchliefen Gemeinschaftslager auf Jüterbog

Der Jurist war zudem Mitglied in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) sowie dem NS Rechtswahrerbund. Als Jurist nahm er 1939 am „Gemeinschaftslager Hanns Kerrl“ auf Jüterbog teil, das seit 1933 Tausende junge Juristen durchliefen. In einem Zeugnis wird ihm die NSDAP-Mitgliedschaft bescheinigt sowie die Angehörigkeit zur SA, aus der er – wie es hier heißt – „wegen Leistenbruchs ausgeschieden“ sei.

Nach Weltkrieg und Kapitulation konnte Mohnen – seit 1940 verheiratet, seit 1942 Vater einer Tochter – fast nahtlos an seine Karriere anknüpfen. 1946 wurde er offenbar durch die britische Militärregierung vereidigt und als Richter zugelassen. Die offizielle Entnazifizierung erfolgte erst 1949. 

Für Mohnen zuständig war der „Entnazisierungsunterausschuss des Kölner Amts- und Landgerichts“. In einer Stellungnahme an den Entnazisierungs-Hauptausschuss des Regierungsbezirks Köln bescheinigt der Landgerichtsdirektor eine „durchaus ablehnende Einstellung des M. gegen den Nationalsozialismus“.

Heinz Mohnen lebte in Köln-Neuehrenfeld

Die Belege, die Mohnen dafür anführt, führen in die Historie seines Heimatviertels: Mohnen, zwar in der Wichterichstraße in Sülz geboren, verbrachte seine Kindheits-, Jugend- und auch Studenten- und ersten Nachkriegsjahre in Ehrenfeld (Fridolinstraße, dann Hauffstraße). Mohnen gab an, im Besitz von internen Briefen der NSDAP und der SA zu sein, die sich um seine Person drehen.

Schreiben zwischen NSDAP-Ortsgruppen zu Mohnen

Anlass eines der Schreiben ist Mohnens 1937 gestellter Antrag auf Aufnahme in die NSDAP, die ihre Aufnahmesperre im April gelockert hatte. Im Schreiben rät der Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Blücherpark der für Mohnen zuständigen Ortsgruppe Neuehrenfeld von einer Aufnahme des Parteianwärters ab. Dieser habe bereits als SA-Mann versagt.

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Der Ortsgruppenleiter Hans Carthaus schreibt: „Ich selbst habe sowohl mit Mohnen als auch mit dem Vater Rücksprache genommen und habe die Überzeugung, dass der Partei-Anwärter M. nur Wert auf die Aufnahme in  die NSDAP legt, um beruflich keine Schwierigkeiten zu haben.“

Mohnen gibt an, die Briefe „seinerzeit von dem Ortsgruppenleiter Schwamborn (Vater eines ehem. Klassenkameraden)“ ausgehändigt bekommen zu haben. Der habe dies getan, um ihm „berufliche Schwierigkeiten zu ersparen“. Schwamborn habe ihm aufgetragen, die Papiere zu verbrennen. Mohnen reichte dem Ausschuss 1949 vier Fotokopien ein und teilte mit: „Die Originalschreiben sind in meinem Besitz.“ 

Fakt ist: Schon am 1. Mai 1937 wird Heinz Mohnen Mitglied der NSDAP.

Kölner NS-Dok startet Untersuchungen

Wie ist die NS-Akte von Heinz Mohnen einzuschätzen? Dr. Werner Jung, Leiter des NS-Dokumentationszentrums, kündigt eine Untersuchung des Falls an: „Das NS-Dokumentationszentrum wird, nachdem wir nun Kenntnis davon bekommen haben, nachforschen und ein Gutachten erstellen. Dazu tragen unsere Historiker Dokumente und Unterlagen zusammen – diese werden abschließend bewertet.“

Für das Gutachten interessiert sich auch das für Straßenbenennungen zuständige Namensarchiv der Stadt Köln. Die Bezirksvertretung Lindenthal hatte 2011 den Platz des ehemaligen Kinderheims nach Mohnen benannt, trotz anderslautender, kindergerechter Vorschläge aus der Verwaltung.

Eine Initiative aus ehemaligen Heimkindern und neuen Bewohnern fordert eine Umbenennung des gesamten Platzes in „Platz der Kinderrechte“(die Wunde von Sülz, ein beispielloser Fall: hier mehr lesen). Sie kritisieren u. a., dass Mohnen in einem Schreiben von 1966 die Beschwerden einer Mutter von Heimkindern über die schweren Schikanen  einer Nonne rigoros abwies –  mit dem Argument, der Wert von Kinderaussagen sei „grundsätzlich sehr zweifelhaft“.