Ruhestörung WiddersdorfZDF-Reporter entlastet, Polizei mit rüdem Auftritt

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Ein Foto vom Polizeieinsatz aus der Nacht in Widdersdorf.

von Oliver Meyer (mey)

Köln – Es war ein Einsatz wegen einer Ruhestörung, durchgeführt von der Stadt Köln und der Polizei im Stadtteil Widdersdorf. Der Fall wirft inzwischen viele Fragen auf. Jetzt konnte der EXPRESS Videos sehen, die in der Nacht mit (später sichergestellten) Handys gemacht wurden. Die belegen, dass es von Seiten der Partygäste offenbar keine Aggressionen gab.

Vorwurf gegen ZDF-Redakteur Halbach unsinnig

Es sind kurze Videosequenzen von jeweils rund 30 Sekunden, die deutlich machen: Die Gäste der Gartenparty eines Kölner Managers (44) waren weder aggressiv, noch ging Gewalt von ihnen aus. Vor allem der Vorwurf gegen ZDF-Redakteur Andreas Halbach und seine Ehefrau (vom WDR), sie hätten mit ihren Aufnahmen des Polizei-Einsatzes gegen das nicht öffentlich gesprochene Wort verstoßen, ist vom Tisch. Wie EXPRESS aus Justizkreisen erfuhr, durfte der ZDF-Mann inzwischen (wie auch die beiden anderen Handybesitzer) sein Mobiltelefon wieder abholen. Zuvor schaute er sich mit zwei Staatsanwälten und Ermittlern das Video an.

Polizei unterschlägt Hinweis auf Medienvertreter

Dabei filmte Halbach 35 Sekunden lang aus einer angemessenen Distanz, als zehn Polizeibeamte die 1,50 Meter große Ehefrau des Gastgebers eingekesselt hatten. Zu hören ist, wie die Frau mehrfach höflich bittet, nun zu ihrer achtjährigen Tochter ins Haus gehen zu dürfen.

Alles zum Thema Polizeimeldungen

Weder wurde Halbach zudringlich, noch behinderte er den Einsatz. Zuvor hatte er sich ordentlich bei den Polizeibeamten als Medienvertreter vorgestellt. Der Polizeibericht dazu unterschlägt dabei, dass es sich um zwei Pressevertreter handelte, die das Geschehen filmten. Dort heißt es nur: „Darüber hinaus beschlagnahmten sie sein Mobiltelefon sowie zwei Handys von Gästen, die trotz der Aufforderung, dies nicht zu tun, die Auflösung filmten.“

TV-Reporter gegen Wand gedrückt und verletzt

Auf dem Video der WDR-Redakteurin ist erkennbar, wie Halbach schließlich das Handy abgenommen wird. Eine Polizistin herrscht auch einen anderen Partygast an: „Ich habe doch gesagt, dass hier nicht gefilmt wird. Das Handy aus, sofort.“

Halbach wird von mehreren Polizisten gegen eine Wand gedrückt. Der TV-Reporter ruft mehrfach: „Au, sie tun mir weh.“ Der Journalist wird fixiert und gewaltsam zum Streifenwagen gebracht. Dort muss er einen Alkoholtest machen. Der ergibt nur 0,7 Promille. Nicht viel angesichts einer Party, die schon seit sechs Stunden lief. Kurz darauf darf Halbach den Streifenwagen wieder verlassen und ist frei. (Hier mehr lesen: Regeln für Partygäste)

Wie viele Beschwerden gab es wirklich?

Die Polizei behauptet später im Polizeibericht, mehrere Zeugen hätten sich über den Lärm beschwert. Nach EXPRESS-Informationen gab es nur eine Beschwerde einer Anwohnerin, die ein Häuserblock entfernt wohnt. Alle anderen Anwohner waren zuvor über die Gartenparty informiert worden. Böser Verdacht: Hat die Polizei aus einer Beschwerde „mehrere“ gemacht, um das Vorgehen  zu legitimieren?

Ursprünglich war eine Lärmstreife, mit einer Ordnungsamts-Mitarbeiterin und einer Polizisten besetzt, zunächst zur Ruhestörung gefahren. Auf der Straße traf der Gastgeber auf die Lärmstreife: „Ich habe mich vorgestellt und gefragt, was denn los sei“, erklärte der Leitende Angestellte eines internationalen Unternehmens Freitag erneut.

Stadt sagt Unwahrheit bezüglich Polizeieinsatz

Nachdem er seinen Ausweis gezeigt und man ihn auf die Ruhestörung hingewiesen hatte, wollte die städtische Mitarbeiterin ein Verwarngeld von 55 Euro haben. „Das habe ich abgelehnt. Daraufhin drohte die Frau, wenn ich nicht bezahle würde, dann käme Verstärkung und die Party werde aufgelöst.“

Die Stadt Köln leugnet dies. Auslöser für den Polizeieinsatz sei das Filmen mit Handys gewesen. Doch das ist unwahr. Denn die nun aufgetauchten Videos beweisen, dass erst gefilmt wurde, als der Polizeieinsatz mit massiven Kräften zu eskalieren drohte.

Gäste waren Ärzte, Unternehmer oder Anwälte

Es ist offensichtlich, dass man den Gastgeber nicht wie üblich bei einer Ruhestörung ermahnte und dann wieder fuhr, sondern eine Eskalation provozierte. „Man wollte uns zeigen, wer der Stärkere ist“, ist sich der Gastgeber inzwischen sicher.

Sein türkischer Name und die teuren Limousinen in der Stichstraße hätten die Behörden möglicherweise glauben lassen, es könnte sich um eine Rocker-Party handeln. Anwesend waren jedoch Unternehmer, Journalisten. Anwälte und Ärzte. Und die wehren sich nun.

Wie geht das Verfahren nun weiter?

Die Kölner Polizei hat das Ermittlungsverfahren nach Bonn aus Gründen der Neutralität abgegeben. Der Steuerzahler dürfte angesichts der Kosten, die nun entstehen, schnauben. Denn nun müssen zunächst alle Zeugen, Polizisten, städtischen Mitarbeiter, Partygäste und sonstige Beteiligten vernommen werden. Der ZDF-Redakteur Andreas Halbach hatte bei der Polizei in Aachen gegen die Polizisten Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Er hatte bei seiner kurzzeitigen Festnahme Prellungen und Schürfwunden erlitten.

Ermittlung wird Polizei Wochen beschäftigen

Ebenso wie Halbach haben auch die Partygäste Anwälte beauftragt, die zunächst Akteneinsicht fordern werden. Das wird die Bonner Polizei wohl Wochen beschäftigen. Danach die Staatsanwaltschaft. Die wird nach jetzigem Stand wohl kaum Anklage gegen irgendjemand erheben.

Daher läuft alles darauf hinaus, dass nach einem Großeinsatz der Polizei bei einer Ruhestörung anschließend ein ebenso unsinniger Großeinsatz der Ermittler in Bonn folgt.