„Was für eine F*tze”Kölnerin (27) kämpft mit Kreide für Umdenken der Gesellschaft

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Maresa aus Köln kreidet für ihren Instagram-Account verbale sexuelle Belästigung an.
Köln – „Etwa hier in der Gegend ist es passiert.” Maresa steht am Rheinufer auf Höhe des Kölner Hauptbahnhofs. In ihrer Tasche befindet sich ihr Werkzeug: bunte Straßenkreide. Sie schaut auf ihr Smartphone, um den Satz, den sie gleich ankreiden wird, noch einmal zu lesen.
Zwischen zahlreichen Passanten, die an diesem Tag unterwegs sind, schreibt sie es mitten auf den Weg: „Was für eine F*tze! Bist eh voll hässlich!”

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Maresa schreibt mit bunter Kreide den ersten Catcall auf die Straße.
Maresa betreibt den Instagram-Account „Catcallsofcgn”. „Catcalls sind verbale sexuelle Belästigungen im öffentlichen Raum”, erklärt die 27-jährige Studentin. Dazu zählen zum Beispiel übergriffige Kommentare, Hinterherpfeifen sowie belästigende oder sexualisierte Sprüche.
Catcalls of Cologne: Instagram-Account macht auf sexuelle Belästigung in Köln aufmerksam
Mit ihrem Account möchte sie darauf aufmerksam machen. Jeden Tag bekommt sie Nachrichten von Kölnerinnen und Kölnern, die Opfer eines Catcalls geworden sind. „Auch Männer bekommen das zu spüren”, betont Maresa, „doch in der Regel sind es Frauen.”
Auch der Satz, den sie am Rheinufer ankreidet, stammt von einer Userin. Unter dem Catcall ergänzt Maresa den Hashtag #StopptBelästigung. Viele Passanten werden auf sie aufmerksam und bleiben stehen.
Sonja aus Köln steigt von ihrem Fahrrad, sie kennt den Instagram-Account. „Ich finde das super, denn ich habe das auch schon oft erlebt.”
Im Rahmen einer Umfrage des DELTA-Instituts von 2018 gaben 47 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen an, verbale Übergriffe in persönlichen Gesprächen erlebt zu haben. „Es ist im Alltag einfach sehr präsent”, bestätigt Maresa, die es selbst schon oft am eigenen Leib erfahren musste.
Alltagsproblem Belästigung: Kölnerin kreidet Übergriffigkeiten an
Ein weiterer Passant bleibt stehen und Maresa kommt mit ihm ins Gespräch. „Die Aktion ist nicht schlecht”, sagt er, „natürlich ist das ein Problem. Doch für mich ist sexuelle Belästigung etwas anderes.”
Plötzlich ändert sich die Stimmung und Maresa versucht zu erklären, warum manche Sprüche, auch wenn sie nett gemeint seien, oft übergriffig wirken. Der Passant ist anderer Meinung. Manchmal seien Frauen auch selbst schuld und würden es darauf anlegen, behauptet er. „Du bist auch 'ne Süße”, sagt er schließlich. „Siehst du, du willst das doch.”
Solche Situationen erfährt die Kölnerin oft, wenn sie in der Stadt Catcalls ankreidet. „Was ein geiler Arsch”, musste sie sich bereits anhören. Deswegen versucht sie, mit den Passanten ins Gespräch zu kommen. „Oft muss der Denkanstoß erst gesetzt werden. Vielen ist es nicht bewusst, wie sich Betroffene nach solchen Kommentaren fühlen. Es ist eben nicht immer ‘nur ein Spruch‘.”
Ins Leben gerufen wurde die Aktion von der New Yorkerin Sophie Sandberg im Jahr 2016. Auf ihrem Instagram-Kanal „catcallsofnyc” postet sie Fotos von ihren Ankreidungen. Während einer USA-Reise im April letzten Jahres traf sich Maresa mit ihr und unterstützte sie einen Tag lang. „Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass es sowas noch nicht in Köln gab”, erinnert sie sich. Denn in Städten auf der ganzen Welt wurde die Idee bereits übernommen.
Im Juli postete Maresa den ersten Catcall auf ihrem Account und startete dabei mit einem, den sie selbst erlebt hat. Mittlerweile erhält sie täglich zwei bis drei Nachrichten von Frauen und Männern.
„Ich möchte nicht mehr meine Klappe halten. Es reicht jetzt einfach mal und ich setze mich dafür ein, weil auch ich sehr viel davon betroffen bin und es viel zu oft mit einem ‘Hab dich doch nicht so‘ abgetan wird”, betont sie.
Verbale Belästigung: Wie Betroffene reagieren sollten
Die eine richtige Reaktion auf einen Catcall gebe es nicht, sagt Maresa. Betroffenen empfiehlt sie, auf die Situation zu achten. „Oft kann es auch bedrohlich werden, dann ist es besser, selbstbewusst weiterzugehen und im Nachhinein mit einem Vertrauten das Gespräch zu suchen”, sagt sie. „Wenn die Situation es aber zulässt, muss man es sich auch nicht gefallen lassen.”

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Maresa kreidet den zweiten Catcall an, den sie vor wenigen Minuten erst selbst erfahren hat.
Außenstehende sollten ihrer Meinung nach das Geschehen abschätzen und einschreiten. Auf jeden Fall sollten sie nachher auf die betroffene Person zugehen und zeigen, dass sie nicht alleine ist.
Catcalling strafbar machen: Petition setzt sich dafür ein
Mit einer Online-Petition wird derzeit versucht, auf das Problem aufmerksam zu machen. Es soll erreicht werden, dass Catcalling in Deutschland strafbar wird. In einigen europäischen Ländern, wie beispielsweise Frankreich, steht es bereits unter Strafe. „Es ist an der Zeit, dass Deutschland nachzieht”, fordert auch Maresa, die zwar nicht die Initiatorin der Petition ist, sie jedoch unterstützt.
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„Mit unseren Ankreidungen kommen wir einen kleinen Schritt voran”, sagt sie. Doch es sei noch ein langer Weg, Catcalling aus dem Alltag zu vertreiben.
Maresa läuft ein Stück weiter und öffnet wieder die Packung mit der Straßenkreide. „Sie will das doch!” schreibt sie in bunten Lettern auf die Straße. Ein weiterer Catcall, den sie vor wenigen Minuten erst wieder am eigenen Leib erfahren musste.