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Kölner stehen SchlangeHier einen Termin zu bekommen, ist schwieriger als beim Papst

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Die Neusser Straße morgens am 1. März: Vor dem Geschäft stehen die Menschen Schlange, um einen Termin zu bekommen. 

von Jan Wördenweber (jan)

Köln – Seit Mitternacht wird wieder gewaschen, geschnitten, gelegt, geföhnt und über Gott, Corona und die Welt gequatscht. Wurde auch höchste Zeit – nicht nur wegen der Haare, die vor Wochen mal eine Frisur waren und nun in alle Himmelsrichtungen stehen. Friseure sind sozial systemrelevant. Warum, zeigt der Besuch eines EXPRESS-Redakteurs im Salon „Fane“ an der Neusser Straße im Agnesviertel.

  • Friseure haben seit 1. März wieder geöffnet
  • Riesiger Ansturm auf Kölner Salons
  • Locke ab im Lockdown: Endlich wieder tratschen

Wissen Sie, sooo dringend hätte ich ja eigentlich noch nicht gemusst. Auch wenn das letzte Mal Anfang Dezember war. Die Corona-Mähne ließ sich von Tag zu Tag mit immer mehr Gel halbwegs zusammenkleistern, dass man in den Videokonferenzen beim EXPRESS noch nicht drauf angesprochen wurde oder die Kassiererin im Supermarkt entsetzt „Storno“ rief.

Aber ein Fachmann wie Adriano sieht natürlich sofort, was Sache ist: „Aaalter …“ Das „Wie-siehst-Du-denn-aus?!“, muss er erst gar nicht hinterherschieben. Ich habe verstanden.

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Friseur-Salon Fane im Agnesviertel in Köln: Locken ab im Lockdown

Wir kennen uns seit Jahren. Adriano Cirmena (38) ist einer von den Friseuren, die nicht stur die Maschine einschalten und „wie viel Millimeter“ fragen. Der stolze Sizilianer beherrscht noch das Handwerk mit der Schere. Auch noch nach 75 Tagen Zwangspause? „Nichts verlernt?“, frage ich frotzelnd. Adriano schnippelt gerade das rechte Ohr frei: „Keine Sorge, ist wie Fahrradfahren.“

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Adriano Cirmena beherrscht sein Handwerk: Seit dem 1. März hat er alle Hände voll zu tun.

Locke ab im Lockdown: Vor dem Salon hat sich früh morgens eine Schlange gebildet. Bei Kölns Friseuren in den nächsten Tagen einen Termin zu bekommen, scheint schwieriger als eine Audizenz beim Papst.

Agnesviertel Köln: Smalltalk über Ibrahimovic, 1. FC Köln und Schalke 04

Apropos Italien: Ibrahimovic hat für den AC Mailand im Februar das 500. Tor seiner Karriere gemacht. Das kann mir Adriano, der große „Milan-Fan“, erst jetzt erzählen. Vielleicht hat er im Gegenzug mein Gejammer um den 1. FC Köln vermisst. Zumindest hört er geduldig zu und schafft es, dass sich der Geißbock-Anhänger im Nu besser fühlt. Adriano sagt nur einen Satz: „Aber was da in Schalke gerade abgeht – da ist Köln doch gar nichts gegen…“

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So  sieht der EXPRESS-Reporter jetzt nicht mehr aus: Sofort nach der Begutachtung machte sich Adriano im Salon Fane ans Werk.

Nicht nur eine gute Frisur gibt in diesen Zeiten Halt. Adriano und seine Kollegen sind „sozial systemrelevant“ heißt es denn auch beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks. Bedeutet: Der Beruf ist wichtig für das Miteinander. Mit ihrem Smalltalk sind Friseure sozialer Kitt und Balsam. Gerade für Senioren, die in der Pandemie ein noch größeres Kommunikationsdefizit als viele Berufstätige haben.

Der Berliner Starfriseur Shan Rahimkhan hat den Effekt eines Salonbesuchs einmal so beschrieben: „Du gehst raus und fühlst dich wohl, das macht was mit einem.“

Köln: 1200 Friseur-Salons gibt es im Stadtgebiet

1200 Salons gibt es nach Angaben der Kölner Friseurinnung im Stadtgebiet. Und für die Beschäftigen heißt es: Endlich wieder Geld verdienen.

Adriano hat drei Pänz zu Hause, die er über alles liebt. Aber wochenlanges Homeschooling hat dazu beigetragen, dass er diesen heutigen Montag zu genießen weiß. Auch, wenn er am Abend mehr als geschafft sein wird. Normalerweise schneidet er 10 bis 15 Kunden pro Tag die Haare, heute werden es locker 25 sein, schätzt Adriano. Und das wird in nächster Zeit nicht anders sein.

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Schnipp-schnapp, Haare ab: Adriano hat gleich bei seinem ersten Kunden viel zu tun.

Apropos anders: Wird Bayerns Ministerpräsident Söder, der Friseure zuletzt so lobte, weil sie den Menschen ihre Würde zurückgeben, der nächste Bundeskanzler? Adriano schüttelt den Kopf. Vor dem neuerlichen Lockdown im Dezember hätten die meisten Kunden „diesen anderen“ gemeint … „Laschet oder Habeck?“, fragt der EXPRESS-Reporter.

Adriano macht jetzt ein Gesicht, als solle er den Unterschied zwischen Astrazenica und Biontech/Pfizer erklären. „Nein, nein – ach, wie heißt der noch: Merz?! Aber der ist jetzt weg vom Fenster, oder?“

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Danach: Der Kunde hat ziemlich Haare lassen müssen, und Adrianos Kollegin stellt fest:  „Oh, das sieht ja wieder nach Mensch aus!“

Da kann man mal sehen, was so ein Lockdown alles bewirkt: Nach erst wenigen Kunden ist es für Friseure viel zu früh, ein Bild zur aktuellen Lage der Nation zu zeichnen. Dafür weiß Adrianos Kollegin Silke, was sie da sieht, als sich der Kunde aus dem Sessel erhebt und zur Kasse trottet: „Oh, das sieht ja wieder nach Mensch aus! Was für ein schöner Tag.“