Kölnerin sprang vom BalkonNachbar hörte Aufprall – Opfer (28) mit Horror-Aussage vor Gericht

Nach Balkonsturz: Ermittler suchen am Tatort in Deutz nach Spuren.

Ein weißer Kastenwagen der Kölner Polizei stand am Sonntag, 17. Januar, am Straßenrand. Die Ermittler suchten in der Tatwohnung nach Spuren.

Nach dem Balkonsturz am 17. Januar 2021, bei dem sich eine junge Frau schwere Verletzungen zugezogen hat, muss sich der Angeklagte Richard L. (Name geändert) vor dem Kölner Landgericht verantworten. Am Mittwoch (1. September) hat nun die Geschädigte (28) ausgesagt.

von Madeline Jäger (mj)

Köln. Die schrecklichen Vorwürfe, die seit Donnerstag (26. August) vor dem Kölner Landgericht im Raum stehen, klingen wie ein fürchterlicher Albtraum. Zu Anfang des Jahres hatte der Balkonsturz-Fall die ganze Stadt erschüttert.

Am 17. Januar 2021 fand die Kölner Polizei eine junge Frau mit schweren Verletzungen im Innenhof eines Deutzer Wohnhauses auf. Neben ihr ein Mann mit leichten Verletzungen. Erst später klärte sich die Situation für die Ermittler auf: Nur die Frau war sieben Meter vom Balkon in die Tiefe gestürzt. Und der Mann dem Anschein nach nicht ebenfalls Opfer – sondern Täter.

Kölner Landgericht: Balkonsturz-Prozess – Geschädigte (28) sagt aus

Der Angeklagte Richard L. (39) muss sich nun dem Tatvorwurf der Vergewaltigung stellen. Er soll die Geschädigte zuerst mit K.O. Tropfen im Rotwein betäubt, sie anschließend in seiner Wohnung sexuell missbraucht und dabei gefilmt haben. Infolge dessen soll die junge Frau anschließend sieben Meter vom Balkon des Angeklagten gestürzt und sich dabei schwere Verletzungen zugezogen haben.

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„Wir werden heute noch keine Angaben machen“, erklärt der Rechtsanwalt des Angeklagten Carsten Göthel vor der 13. Großen Strafkammer erneut. Daraufhin will das Gericht am zweiten Verhandlungstag zuerst die Geschädigte vernehmen.

Kölner Landgericht: Balkonsturz-Fall: Beteiligte lernten sich bei der Arbeit kennen

Ihre Rechtsanwältin Monika Müller-Laschet bringt die junge Frau daraufhin in den großen Verhandlungsraum. Die Verteidigerin setzt sich links neben sie. Auf der rechten Seite nimmt ein Französisch-Dolmetscher Platz, um die klare Sicht auf den Angeklagten zu versperren. 

Erst K.o. Tropfen dann Balkonsturz? 
Mutmaßlicher Vergewaltiger vor Kölner Landgericht.

Seit Donnerstag (26. August) steht Richard L. (39) vor dem Kölner Landgericht. Auf dem Foto ist er mit seinem Rechtsanwalt Carsten Göthel (links) und seiner Dolmetscherin zu sehen.

Zunächst erklärt die 28-Jährige dem Gericht, wie sie den mutmaßlichen Täter kennengelernt hat. Man habe in derselben Firma gearbeitet, ihr Büro sei auf demselben Flur gewesen. So sei sie mit dem Angeklagten ins Gespräch gekommen.

Kölner Landgericht: Balkon-Sturz-Prozess – Opfer sagt aus

Man habe sich gemocht und später einige wenige Male etwas zusammen unternommen – auf freundschaftlicher Basis, wie sie immer wieder betont. Sie habe in diesem Zeitraum einen Freund gehabt. Außerdem sei der Angeklagte verheiratet, was sie ebenfalls gewusst habe.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich an meinem Arbeitsplatz einem Kriminellen begegnen würde. Und das tut sehr weh“, so die 28-Jährige emotional. Noch sei völlig unklar, ob sie ihre Arbeit jemals wieder aufnehmen könne. Aktuell sei sie immer noch krankgeschrieben.

Kölner Landgericht: Balkonsturz-Prozess: Opfer (28) kämpft mit Folgeschäden

Dann spricht die junge Frau über ihre schwerwiegenden Verletzungen seit der Tatnacht. Sie sei notoperiert, in ein künstliches Koma versetzt und erst am 29. April aus der Reha entlassen worden. Beim Sturz sei sie mit dem Gesicht aufgekommen und daher bis heute linksseitig im Gesicht gelähmt.

Und: „Ich sehe auf dem linken Auge nur noch schwarz-weiß und schemenhaft“, beschreibt die 28-Jährige weiter. Augenärzte hätten ihr bereits gesagt, dass sie auf dem linken Auge wahrscheinlich nie wieder sehen könne.

Auch die linke Hand könne sie seit dem Sturz noch nicht wieder richtig bewegen. Außerdem habe sie Abwehrverletzungen an den Armen, die von körperlichen Angriffen in der Tatnacht stammen würden. Sie habe wohl versucht sich zu verteidigen und dadurch Narben davongetragen. 

Während der Aussage der jungen Frau vermeidet Richard L. den Blickkontakt. Selten schaut er zur Zeugenbank herüber. Doch wenn, dann jedes Mal mit wachsamem Blick.

Kölner Landgericht: Balkonsturz-Fall: „Keine Erinnerung an die Vergewaltigung“

Weiter sagt die junge Frau aus, dass sie sich an die gesamte Tatnacht wohl aufgrund der Zuführung der K.o.-Tropfen nicht mehr erinnern könne.

„Ich habe keine Erinnerung an die Vergewaltigung“, gibt die 28-Jährige vor Gericht zu Protokoll.

Was am 17. Januar konkret passiert sei, habe sie erst Wochen später in einem Schreiben vom Amtsgericht erfahren, dass ein Freund für sie gelesen habe. „Ich hatte nicht den Mut, es selbst zu lesen“, sagt sie weiter aus.

Nun wolle sie alles, was sie über die Taten gehört habe, sowie die körperlichen Folgen möglichst vergessen und nichts mehr erfahren.

Kölner Landgericht: Balkonsturz-Prozess – „Er wusste, dass ich nicht d’accord war“

„Hatten Sie denn jemals sexuellen Kontakt mit dem Angeklagten oder auch nur Interesse an ihm?“ fragt der Richter die 28-Jährige daraufhin.

„Niemals. Für mich waren wir Freunde und sonst nichts. Er wusste, dass ich nicht d’accord war und deswegen hat er diese Droge auch ausgewählt“, sagt die 28-Jährige weiter aus.

Kurz danach wird ein Nachbar des Angeklagten als Zeuge vernommen. Michael K. (40) sei am Abend der Tatnacht früh ins Bett gegangen und dann vom Sturz-Geräusch aufgewacht.

Kölner Landgericht: Balkonsturz-Prozess – Nachbar wurde Zeuge 

„Ich hörte im Halbschlaf, wie ein Körper ohne Kontrolle hart aufschlägt. Ich konnte nichts sehen, als ich aus dem Fenster gesehen habe. Doch ich wusste, irgendetwas stimmt hier nicht“, so der Anwohner.

Erst später habe er den Rettungswagen kommen hören, aus seinem anderen Fenster geschaut und dann einen unbekleideten weiblichen Körper im Schnee liegen sehen. Ein ihm bis dato unbekannter Mann habe teilnahmslos daneben gestanden.

In der zweiten September-Woche sollen weitere Zeugen und Sachverständige vernommen werden. Für den Prozess sind fünf weitere Verhandlungstage bis Ende des Monats geplant.