Ikea schmeißt Behinderten rausKölner Vater mit heftiger Story und einer Rechtsfrage

Holger Wacker und seine Partnerin Maxim mit Sohn Valentino 2013.

Holger Wacker und seine Partnerin Maxim mit Sohn Valentino 2013.

von Madeline Jäger (mj)

Köln – Holger Wacker hat in seinem Leben schon viele Schicksalsschläge erlebt. Nach einem Autounfall im Jahr 2004 verstarben seine damals 12-jährige Tochter und seine damalige Lebensgefährtin. Sein zu diesem Zeitpunkt zweijähriger Sohn überlebte, ist jedoch schwerstbehindert.

„Aufgrund der Schwere der Erkrankung ist mein Sohn vom Tragen einer Maske durch den behandelnden Arzt befreit; ein entsprechendes Attest liegt vor“, erklärt der Kölner gegenüber EXPRESS.

Mit Interesse hat er den EXPRESS-Bericht über den blinden Kölner verfolgt, der bei Ikea ohne Maske nicht einkaufen durfte, obwohl er ebenfalls ein solches Attest vorweisen konnte.

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Auch Holger Wacker macht mit seinem mittlerweile 18-jährigen Sohn in Köln regelmäßig ähnliche Erfahrungen.

Köln: Vater von behindertem Sohn wünscht sich mehr Ausnahmen 

„Immer wieder wird uns der Zugang zu Geschäften, vor allem bei größeren Kaufhäusern oder Supermärkten untersagt, weil meinem Sohn, trotz mitgeführtem und vorgelegtem Attest, eine Maske aufgezwungen werden soll“, erklärt Vater Holger Wacker.

Vater Holger Wacker will vor allem auf die schwierige Rechtslage für Behinderte in Corona-Zeiten im Bezug auf das Hausrecht aufmerksam machen.

Kölner wirft Hausrecht-Frage auf: Diskriminieren große Firmen Behinderte?

Der Kölner hat dazu eine klare Meinung und sagt: „Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Kunden davor schützen, wegen ihrer Behinderung benachteiligt zu werden. Inhabern von Firmen steht es nicht zu, behinderten Menschen mit einer Befreiung von der Maskenpflicht den Zugang zu den Geschäftsräumen zu verweigern, auch nicht unter Berufung auf das Hausrecht. Schon gar nicht bei den in der Regel sehr großen Läden“, so die Behauptung des Vaters. Doch stimmt das?

Diskriminiert Ikea Behinderte? Kölner Rechtsanwalt klärt  auf

Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt auf EXPRESS-Anfrage die Besonderheiten der Rechtslage in puncto Diskriminierung und Hausrecht in Corona-Zeiten.

„Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist es, Personen unter anderem davor zu schützen, wegen einer Behinderung benachteiligt zu werden. Zwar sind Unternehmen wie Ikea wegen des Hausrechts grundsätzlich frei in der Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie Personen Zugang zu ihren Räumen gestatten, doch die Ausübung des Hausrechts ist immer nur innerhalb der vom AGG gesetzten Grenzen zulässig. Die Ausübung darf insoweit nicht dazu führen, dass Kunden wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden“, erklärt Solmecke gegenüber EXPRESS.

Ikea-Maskenpflicht: Sachliches und wichtiges Ziel liegt hier ohne Frage vor

Laut Solmecke verbietet das Gesetz auch die sogenannte mittelbare Benachteiligungen wegen einer Behinderung. Unternehmen müssten die Maskenpflicht für Behinderte daher immer sachlich rechtfertigen können. 

„Ein sachliches und auch wichtiges Ziel liegt hier ohne Frage vor, da die Maskenpflicht sowohl Kunden als auch Beschäftigte des Möbelhauses vor Neuinfektionen schützen- und zudem auch dazu beitragen soll, die Verbreitung des Corona-Virus insgesamt einzudämmen“, erklärt Solmecke.

„Grundsätzlich müssen Einzelfall-Entscheidungen getroffen werden“

Doch die ausnahmslose Durchsetzung der Maskenpflicht müsse auch aufgrund der Situation vor Ort und der Interessen insgesamt angemessen erscheinen.

„Losgelöst vom aktuellen Ikea-Fall, wird man je nach Situation zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, weshalb grundsätzlich immer eine Einzelfallentscheidung getroffen werden muss“, so der Rechtsanwalt zur Rechtslage.

Köln: Bei kleineren Geschäften ist es angemessener, keine Ausnahmen zumachen

„Bei kleineren Geschäften kann es daher eher angemessen sein, keine Ausnahme von der Maskenpflicht zuzulassen. Dies gilt umso mehr, wenn Verkäufer zur Risikogruppe zählen. Da allerdings bereits die Coronaschutzverordnung NRW Einzelne von der Maskenpflicht befreit, um Menschen mit Behinderungen nicht von der Teilhabe im öffentlichen Leben auszuschließen, spricht dies allein bereits meiner Auffassung nach tendenziell gegen die Angemessenheit einer ausnahmslosen Durchsetzung der Maskenpflicht – zumindest in großen Ladengeschäften wie Ikea.“

„Hier wäre es wünschenswert, wenn sich Unternehmen wie Ikea, die bundesweit Filialen betreiben, darum bemühen würden, einheitliche Ausnahmeregelungen für derartige Fälle zu schaffen“, so Solmecke abschließend.

Kölner Rechtsanwalt: Betroffene können klagen

Tatsächlich weist Solmecke noch einmal darauf hin, dass Betroffene nach § 21 Abs. 1 AGG immer gegen Firmen klagen können, die ihnen den Zugang trotz Attest verwehren vorgehen.

Der Kölner Vater Holger Wacker sorgt sich jedoch, dass viele Behinderte weiterhin nicht davon Gebrauch machen, weil ihr Rechtsempfinden teilweise aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung nicht hoch sei.