Erst krank, dann ratlosKölnerin bekommt Soforthilfe, nächste Nachricht ändert alles

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Ellen Kamrad ist Eventmanagerin in Köln.

von Madeline Jäger (mj)

Köln – Ellen Kamrad ist eine von 120.000 Selbstständigen in Köln, die in der Corona-Krise schon die NRW-Soforthilfe beantragt haben.

Die Eventmanagerin ist berufliche Einzelkämpferin und wie ihr Jobtitel schon aussagt, liegen ihre Einnahmen derzeit auf Eis.

Die Kölnerin hat die 9000 Euro Soforthilfe zwar erhalten, ist sich jedoch wie viele andere Solo-Selbstständige in Köln aktuell nicht sicher, ob und wofür sie das Geld von der Regierung eigentlich benutzen darf.

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Der Grund für die Unsicherheit unter den Solo-Selbstständigen ist eine krasse nachträgliche Veränderung der Bedingungen.

Köln: Eventmanagerin (53) erkrankt an Covid-19 und beantragt Soforthilfe

Eventmanagerin Ellen Kamrad sind Veranstaltungen für Monate weggebrochen. Ihre Branche steht in der Corona-Krise still, alles wurde abgesagt. Solo-Selbstständigen wie ihr soll in dieser schwierigen Situation das unbürokratische Soforthilfe-Programm der Landesregierung helfen.

Mitte März erkrankte Ellen Kamrad selbst am Coronavirus. Tagelang fühle sie sich schwach und hatte Fieber.

Als die Eventmanagerin krank im Bett lag, beantragte ihr Steuerberater die 9000 Euro für sie. „Ich hatte innerhalb von wenigen Tagen das Geld auf dem Konto, das lief ohne Probleme“, erklärt die 53-Jährige. Doch dann folgte die große Ernüchterung, bei ihr und vielen anderen Solo-Selbstständigen in Köln.

Kölnerin ratlos – Soforthilfe doch nur für Betriebskosten?

Der Grund: Die Landesregierung veränderte die Bedingungen zur Soforthilfe am 1. April – nachträglich. Es hieß plötzlich: Das Geld sei ausschließlich für die „Aufrechterhaltung der betrieblichen Existenz“ zu verwenden.

„Ich habe tagelang herumtelefoniert und niemand konnte mir sagen, wofür ich als Solo-Selbstständige die 9000 Euro benutzten darf. Die Diskussion in der Branche ist immer dieselbe, darf ich das Geld jetzt verwenden oder nicht?“ erklärt Kamrad.

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Ellen Kamrad ist selbstständige Eventmanagerin in Köln.

Während Selbstständige und Künstler vor der Änderung davon ausgingen, sich von der Soforthilfe ein Gehalt auszahlen zu können oder auch private Lebenshaltungskosten abdecken zu dürfen, änderte sich diese Gewissheit schlagartig. Laut NRW-Regierung dürfen die 9000 Euro nun nur für Betriebskosten genutzt werden, und nicht, wie zuvor angekündigt, für den privaten Lebensunterhalt.

Doch Selbstständige wie Ellen Kamrad haben kaum klassische Betriebskosten. Die Kölnerin muss auch keine Angestellten oder Büro-Miete zahlen. Aktuell liegen die 9000 Euro auf ihrem Konto, teilweise musste sie es kurzfristig schon verplanen und nutzen.

Wenn sie die Soforthilfe nun für Lebensmittel oder Miete verwenden würde, müsste sie befürchten, die Summe den Behörden nachträglich zurückzahlen zu müssen.

NRW-Regierung: Solo-Selbstständige müssen Grundsicherung beantragen

Auf EXPRESS-Anfrage bestätigt die Landesregierung die Eingrenzung der Soforthilfe-Bedingungen.

„Wir sind bei Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten, bei Solo-Selbständigen und Freiberuflern an die Vorgaben des Bundes gebunden. Danach dient die Soforthilfe der Aufrechterhaltung der betrieblichen Existenz, während der private Lebensunterhalt über die Grundsicherung abgesichert wird, die im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens ohne Vermögensprüfung gewährt wird“, erklärt ein Regierungssprecher.

Für die Kölnerin ist die aktuelle Situation für Solo-Selbstständige seit Wochen ein einziges Hin und Her. „Sollen sie sich doch alle die Köppe einrennen, ich mache irgendwie weiter“, motiviert sich die Eventmanagerin selbst.

NRW-Regierung: Drei Milliarden Euro-Soforthilfe bereits ausgezahlt

Seit 27. März bis Mitte April gingen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums etwa 400.000 Anträge auf Soforthilfe ein. Insgesamt wurden über die NRW-Soforthilfe bis Mitte April mehr als 3 Milliarden Euro ausgezahlt. 

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Doch zwischenzeitlich musste das NRW-Programm ausgesetzt werden, weil Betrüger versucht hatten, die Soforthilfe zu bekommen und über Fake-Seiten im Netz Daten zu stehlen.

Kölner Rechtsanwalt: „Nicht unbeachtlicher Aufwand für Selbstständige“

Auch Rechtsanwalt Christian Solmecke erhält aktuell Anfragen von unsicheren Selbstständigen.

„Es ist vorgesehen, dass Solo-Selbständige die Soforthilfen nutzen, um laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingräten o. ä. tragen zu können. Insofern verfolgen die Zuschüsse klar den Zweck, Selbständige in ihrer erwerbswirtschaftlichen Existenz zu unterstützen. Parallel müssen sie die Grundsicherung beantragen, um den Regelbedarf für den persönlichen Lebensunterhalt zu decken. Zurzeit hat der Gesetzgeber den Zugang zur Grundsicherung erheblich erleichtert und sieht von einer Vermögensprüfung ab“, erklärt Solmecke.

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Laut NRW-Landesregierung treten die Wirtschaftsminister der Bundesländer gerade mit der Forderung an den Bund heran, den betroffenen Solo-Selbstständigen ein Wahlrecht zu eröffnen, ob sie für ihre Finanzierungsengpässe im Allgemeinen die Grundsicherung oder die Soforthilfen nutzen wollen. Der Kölner Rechtsanwalt hofft darauf, dass sich die Minister auf eine weniger bürokratische Lösung einigen können.

„Meiner Ansicht nach stellt es für Selbständige einen nicht unbeachtlichen Aufwand dar, sich je nach Zweck parallel um den Antrag auf die Soforthilfen und den Antrag auf Grundsicherung zu kümmern. Es ist daher durchaus zu begrüßen, die starre Zweckbindung der Zuschüsse aufzugeben, damit sich Selbständige mit nur einem Antrag schneller und leichter ihre Liquidität sichern können“, so Solmecke.