„Deutschland ist noch schlimmer“Gebürtige Russin erlebte in Köln persönlichen Horror

Ekaterina K. ist von hinten zu sehen. Sie lebt in Köln-Kalk. Gebürtig kommt sie aus Russland.

Ekaterina kommt gebürtig aus Russland, lebt aktuell aber in Köln-Kalk.

Ekaterina K. ist eine in Deutschland lebende Russin. Beziehungsweise: Sie war Russin. Ihre aufwühlende Geschichte hat sie EXPRESS.de erzählt.

„Russland ist schon schlimm, aber Deutschland ist in dieser Hinsicht noch viel schlimmer“, erklärte die in Köln-Kalk lebende Ekaterina K. (36). Die gebürtige Russin lebt seit 2011 in Deutschland, ist verheiratet und wohnt mittlerweile seit acht Jahren in der Domstadt.

Als EXPRESS.de Anfang Oktober 2022 erstmals mit der 36-Jährigen sprach, war sie verzweifelt und hilflos. Doch seit Mittwoch (17. Oktober 2022) sind ihre Sorgen zumindest teilweise verflogen: „Ich kann das alles noch nicht fassen, so schnell hat sich alles geändert.“

Köln: Frau aus Russland fühlt sich in Deutschland diskriminiert

Doch woher rührte Ekaterinas Verzweiflung und ihr Vorwurf gegenüber der Bundesrepublik, noch schlimmer als Russland zu sein? Kurz und knapp: Bürokratie.

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Im Oktober 2020 hatte sie bei der deutschen Ausländerbehörde einen Antrag gestellt, um eingebürgert zu werden. Nach geschlagenen neun Monaten bekam Ekaterina eine Einbürgerungszusicherung, woraufhin sie die Entlassung aus der russischen Staatsbürgerschaft beantragte.

Im März 2022 erhielt sie dann von den russischen Behörden die benötigte Entlassungsurkunde. Ab da an sollte die endgültige Einbürgerung nur noch sechs Wochen dauern, hieß es.

Die gebürtige Russin Ekaterina K. lebt in Köln-Kalk.

Die gebürtige Russin Ekaterina K. ist von den deutschen Behörden enttäuscht.

Doch ab März 2022 passierte sechs Monate lang gar nichts mehr. Ekaterina war über ein halbes Jahr staatenlos, besaß keinen gültigen Pass, obwohl sie alle notwendigen Bedingungen erfüllte. „Ich darf nicht wählen gehen, ich kann nicht ins EU-Ausland reisen“, klagte die 36-jährige Mutter zweier Kinder Anfang Oktober 2022.

Bei der Ausländerbehörde kümmerte sich scheinbar niemand mehr um sie, ihr Ansprechpartner reagierte nicht auf ihre versuchte Kontaktaufnahme.

Der Zustand der Ungewissheit löste Mutlosigkeit in der Familienmutter aus: „Es fühlt sich so an, als würde ich gar nicht existieren.“ Ekaterina fühlte sich aufgrund ihrer russischen Herkunft diskriminiert.

Köln: Staatenlose Russin hat Angst um ihre Familie

Besonders die fehlende Reisemöglichkeit in ihre ehemalige Heimat belastete Ekaterina. Jeden Tag rechnete sie damit, dass ihre männlichen Verwandten, die in Russland geblieben sind, an die Front müssen – und eventuell im Krieg gegen die Ukraine fallen. Der blanke Horror!

Zwei Zusammenbrüche habe sie in letzter Zeit erlitten, sagte die 36-jährige Büroangestellte. Der Gedanke daran, im Fall der Fälle nicht gemeinsam mit ihrer Verwandtschaft trauern zu können, machte sie fertig.

Doch am Montag (17. Oktober 2022) hat sich auf einen Schlag (fast) alles geändert! „Heute ist ein Wunder passiert: Ich wurde vom Ausländeramt angerufen und zur Aushändigung der Einbürgerungsurkunde eingeladen“, berichtete die überglückliche Ekaterina, die die Urkunde noch am selben Tag abholte.

„Morgen habe ich bereits einen Termin beim Bürgeramt, um einen Ausweis und Reisepass zu beantragen“, ergänzte die 36-Jährige.

Die Stadt Köln stellte gegenüber EXPRESS.de klar: „Allgemein lässt sich sagen, dass die Stadt Köln den Vorwurf der diskriminierenden Behandlung zurückweist. Es werden in Köln regelmäßig russische Staatsbürger/innen eingebürgert und alle Verfahren richten sich nach Vorgaben des Gesetzgebers. Dies dauert meist etwas länger.“

Ukraine-Krieg: Ex-Russin bezieht klare Stellung gegen Putin

Bald genießt Ekaterina wieder uneingeschränkte Reisefreiheit. Nach Russland möchte sie aber wirklich nur im absoluten Notfall reisen. Denn zum Krieg in der Ukraine hat sie eine klare Meinung.

„Unpolitisch sein? Das geht dieser Tage nicht, man muss sich positionieren. Entweder du bist für Putin oder gegen ihn“, erzählt Ekaterina. Sie selbst hat kein Verständnis für dessen aggressive Außenpolitik, lehnt den Krieg ab.

Ihre Familienangehörigen in Russland sehen das anders. „Sie glauben der Staatspropaganda im Fernsehen“, sagt sie und erklärt, dass auch viele in Köln lebende Russinnen und Russen auf Putins Demagogie hereinfallen.

Wegen dieser Putin-Fans werde die russische Community in Deutschland seit Kriegsbeginn von einigen Deutschen in Sippenhaft genommen, bemängelt Ekaterina. 

So sollen Bekannte von Ekaterina, die den Krieg missbilligen, in Köln schon auf offener Straße von Einheimischen „als Russen identifiziert“ und angefeindet worden sein: „Sie wurden angebrüllt, beleidigt und aufgefordert, wieder zurück in ihre Heimat zu verschwinden.“ (jm)