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Kölner Polit-LegendeGerhart Baum feiert 90. Geburtstag – Party steigt in Veedels-Kneipe

Politiker Gerhart Baum sitzt in seiner Wohnung an einem Tisch.

Politiker Gerhart Baum am 22. September 2022 in seiner Wohnung am Kölner Ubierring in der Südstadt.

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum ist seit fast 70 Jahren in der Politik. Zu seinem 90. Geburtstag hat EXPRESS.de mit dem FDP-Urgestein über große Wünsche, kleine Schwächen – und Düsseldorf gesprochen.

von Andrea Kahlmeier (ak)

Es läuft nicht immer glatt. Kurz vor seinem 90. Geburtstag am 28. Oktober 2022 hatte Gerhart Baum eine schwere Lungenentzündung. Doch die konnte das FDP-Urgestein nicht lange aus der Bahn werfen.

Er ist wieder fit, voller Tatendrang, hat gerade ein neues Buch herausgebracht („Menschenrechte“, Benevento, 18 Euro) und versucht derzeit, in seiner stilvollen Altbauwohnung in der Kölner Südstadt zigtausende Dokumente auszusortieren. Schriftsätze wegwerfen? Das fällt dem Workaholic schwer. „Die kommen erst mal in Keller.“

FDP-Urgestein Gerhart Baum: Liberale haben die alten Leute verprellt

Junge Bundestagsabgeordnete nannten in einem Talk Ihren Namen, als sie nach einem politischen Vorbild gefragt wurden. Dabei hatten die mit der FDP nichts am Hut. Sind Sie eigentlich noch in der richtigen Partei?

Gerhart Baum: Ja natürlich, auch wenn ich sie häufig kritisiere. Es muss eine wirklich liberale Partei in Deutschland geben. Die FDP hat viele gute Ansätze, auch in der Ampel, aber was ist eigentlich die liberale Botschaft im 21. Jahrhundert, in der Zeit des größten Epochenbruchs seit 1945? Ich erwarte auch von der FDP eine größere Veränderungsbereitschaft, z. B. im Hinblick auf das Schutzbedürfnis der Menschen: Stichwort Covid, Stichwort Inflation, Stichwort Energiekosten.

Sind Sie enttäuscht, dass die FDP in NRW nicht mehr in der Regierung sitzt?

Gerhart Baum: Natürlich, aber es gibt ja Gründe. Ein Grund ist, sie haben die alten Leute durch Covid verprellt. Und ich habe mich sehr geärgert, dass etwas, was ich mein Leben lang vertreten habe – eine Politik der ökologischen Marktwirtschaft aufzubauen – jetzt von Herrn Wüst und Frau Neubaur bearbeitet wird. Für die FDP war das kein Thema. Für mich ist Umweltschutz immer ein Thema. Da sollten die Grünen kein Monopol drauf haben.

Nehmen Sie hier an unserer EXPRESS.de-Umfrage teil:

Sie haben russisch-ukrainische Wurzeln, Krieg und Flucht erlebt. Wie schwer treffen Sie die Kriegsbilder?

Gerhart Baum: Es sind meine Kriegsbilder, die ich jetzt sehe. Zerstörung, Tod, Not, Flucht. Herausgeworfen zu sein aus der Normalität einer großbürgerlichen Existenz in Dresden. Drei Koffer, meine Mutter und drei Kinder auf der Flucht, eingewiesen im Schlafzimmer fremder Menschen am Tegernsee. Wir Jungen hatten keine Pubertät, wir mussten einfach überleben.

Warum engagieren Sie sich für ukrainische Künstler?

Gerhart Baum: Als Vorsitzender des Landeskulturrates habe ich ein Programm in die Wege geleitet „Kultur hilft Kultur“. Wir vermitteln z. B. Ateliers und Proberäume mit finanzieller Hilfe des Landes. Kultur ist eine Tochter der Freiheit. Als Köln nach dem Krieg kulturell erwacht ist – was haben wir das gierig aufgesogen. In Wintermänteln saßen wir in der Aula der Universitäten und haben Schauspiel angeguckt.

Frieren – das könnte uns in diesem Winter auch wieder passieren. Wie werden Sie es mit dem Heizen halten?

Gerhart Baum: Die Heizung wird natürlich runtergedreht auf deutlich unter 20 Grad. Das kommt meiner Frau sehr entgegen, die mich immer überzeugen will, dass unsere Zimmertemperatur viel zu hoch sei.

Sie haben Verfahren beim Generalbundesanwalt eingeleitet. Bewirkt das eigentlich was?

Gerhart Baum: Ja. Frau Leutheusser-Schnarrenberger und ich haben vom neuen Völkerstrafrecht Gebrauch gemacht, dem Generalbundesanwalt eine Faktensammlung übermittelt, um zu helfen, russische Kriegsverbrecher namhaft zu machen und anzuklagen. Wir können hier Kriegsverbrecher vor Gericht stellen, auch wenn sie keine Deutschen sind und das Verbrechen nicht hier passiert ist. So wurde ein syrischer Folterarzt bereits hier verurteilt.

Sie wohnen in Köln, Ihre Kanzlei ist in Düsseldorf. Haben Sie jemals vorgehabt, nach Düsseldorf zu ziehen?

Gerhart Baum: Nein. Ich fühle mich in Köln sehr wohl. Ich bin bis heute nicht in der Lage, mich mit dem Auto in Düsseldorf zurechtzufinden. Aber ich bin auch von ganzem Herzen noch Dresdner –meine Geburtsstadt.

Wo werden Sie Ihren Geburtstag feiern?

Gerhart Baum: Mein Stammlokal ist das „Früh“ am Chlodwigplatz. Und dort lade ich auch zu meinem Geburtstag meine Nachbarn ein, meinen Frisör, meine Buchhändlerin, Herrn Schätzing von nebenan. Günther Verheugen kommt aus Berlin, um endlich mal wieder ein Kölsch zu trinken. Im Kölner Rathaus und in Berlin gibt’s dann offizielle Feiern. Aber das ist hier meine ureigene Umgebung.

Gerhart Baum: Neugierig bis ins hohe Alter

Sie sind immer ein gern gesehener Gast in Talkshows. Was ist das Faszinierende daran?

Gerhart Baum: Wenn eine richtige Diskussion aufkommt, wenn sich etwas entwickelt und ich interessante Gesprächspartner kennenlerne. Ich mag diese Spannung, bereite mich auf jede Talkshow, jedes Interview genau vor – auch wenn 80 Prozent nicht zum Tragen kommen.

Was hält Sie so fit?

Gerhart Baum: Ich bin einfach unglaublich neugierig. Ich habe heute früh erst mal mit meiner Frau Zeitung und im Internet gelesen, dann telefoniere ich, rege etwas an. Tätig sein, hält mich wach. Wir ernähren uns zudem sehr bewusst, sehr mediterran. Körperlich tue ich leider viel zu wenig, aber ich schwimme sehr gern. Ich war fünf Wochen in der Bretagne und bin jeden Tag im Meer gewesen – bei 18 Grad.

Welchen Wunsch haben Sie Ihrer Frau bis jetzt verwehrt?

Gerhart Baum: Mehr Zeit füreinander zu haben. Aber sie ist auch sehr aktiv, organisiert z. B. gerade unseren Menschenrechtspreis, der von einer ukrainischen Schriftstellerin verliehen wird. Wir haben eine wirklich anregende Partnerschaft, tauschen uns über alles aus.

Nach einem Hubschrauberunfall wären Sie fast gestorben. Hat Sie das geprägt? Haben Sie Angst vor dem Tod?

Gerhart Baum: Ich habe wirklich elementare Todesangst gehabt. Doch wenn ich ehrlich bin, habe ich einfach weitergemacht. Und nein, ich habe keine Angst vor dem Tod.

Wenn Sie zu Ihrem 90. Geburtstag drei Wünsche frei hätten…

Gerhart Baum: ... reicht mir schon einer. Wissen Sie, in einer Partnerschaft ist die Vorstellung schwierig, dass einer zuerst geht. Ich möchte möglichst lange gesund bleiben, diese erfüllte Beziehung so lange wie möglich erleben.

Gerhart Baum: Ex-Innenminister erfolgreich als Opferanwalt

Gerhart Rudolf Baum wurde am 28. Oktober 1932 in Dresden geboren. Er ist seit 1954 Mitglied der FDP, war von 1972 bis 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages – und von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister.

Seit 1994 ist er wieder als Rechtsanwalt tätig. Baum hat die Opfer des Ramstein-Unglücks, die Angehörigen des Concorde-Unglücks und anderer Flugzeugunglücke wie das von Lockerbie vertreten. Er war Anwalt der sowjetischen Zwangsarbeiter gegen die Bundesregierung und der Mehrzahl der Betroffenen der Loveparade-Katastrophe. In diesem Sommer erstritt er für die Hinterbliebenen der Opfer des Münchner Olympia-Attentats eine Anerkennungsleistung in Höhe von 28 Millionen Euro. Er ist in zweiter Ehe mit Renate Liesmann-Baum verheiratet, hat drei Kinder aus erster Ehe und lebt in Köln.