„Ich habe Angst“Im Veedel aufgewachsen: Darum geht Wilhelm nicht mehr auf die Deutzer Kirmes

WIlhelm Weiß und seine Frau machen ein Selfie.

Wilhelm Weiß und seine Frau gehen nicht mehr auf die Deutzer Kirmes. In EXPRESS.de erklärt er warum.

Die Deutzer Kirmes wird 2023 nur an 18 Tagen für Besucherinnen und Besucher geöffnet sein. Anwohner Wilhelm Weiß spricht mit EXPRESS.de über seine Erfahrungen mit dem Volksfest.

von Niklas Brühl (nb)

Die Entscheidung der Stadt Köln, die Deutzer Kirmes 2023 nur noch an 18 Tagen stattfinden zu lassen – und nicht mehr an 26 – sorgt weiterhin für Diskussionen. Auch im Veedel selbst ist das Volksfest bereits seit vielen Monaten ein großes Gesprächsthema.

Wilhelm Weiß (57) ist in Deutz aufgewachsen und lebt noch heute dort. Im Gespräch mit EXPRESS.de erzählt der Anwohner über seine Erfahrungen auf der Deutzer Kirmes, seine Veränderungswünsche und erklärt, warum er sich aktuell nicht mehr zum Volksfest am Rheinufer traut.

Deutzer Kirmes: Anwohner traut sich nicht mehr auf das Volksfest

„Ich bin immer gerne auf die Kirmes gegangen, aber was sich hier und besonders auf der letzten Osterkirmes ereignet hat, hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt Wilhelm Weiß. Die Ansammlung von Müll, der Lärm und die chaotische Verkehrssituation seien das eine. Viel schlimmer findet der Anwohner jedoch die aggressive Stimmung, die auf der Kirmes laut eigenem Empfinden immer wieder in der Luft liegt.

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„Es hat sich immer mehr dazu entwickelt, dass sich Gruppen junger Menschen über den Kirmesplatz bewegen, die offensichtlich nicht daran interessiert sind, mit dem Karussell zu fahren. Das deutet sich bereits seit Jahren an. Auf kölsch gesagt tummeln sich dort immer mehr ‚Asis‘“, sagt Wilhelm Weiß gegenüber EXPRESS.de.

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Vor allem während der letztjährigen Osterkirmes habe er, ausgerechnet an einem Familientag, massive Schlägereien und gewalttätige Gruppen beobachtet.

Seine kleine Nichte wollte die Kirmes nach nicht mal einer Stunde wieder verlassen, weil sie sich nicht sicher fühlte. „Und da stimmt doch dann etwas ganz und gar nicht, oder?“ Er selbst besuche die Kirmes ebenfalls nicht mehr: „Ich bin kein Kind von Traurigkeit und 57 Jahre alt – aber ich habe Angst.“

Kirmes verkürzt: Anwohner in Deutz fühlt mit Schaustellerbranche mit

Wilhelm Weiß denkt bei der ganzen negativen Entwicklung aber nicht nur an das Kirmespublikum – sondern auch an die Schaustellerinnen und Schausteller: „Die Schaustellerbranche tut mir am meisten Leid. Sie können am wenigsten dafür, haben während der letztjährigen Herbstkirmes schon ihr Möglichstes getan und werden nun noch mehr mit Einbußen zu kämpfen haben.“

So seien beispielsweise die Musikboxen in Richtung des Rheins und weg von den Deutzer Wohngebieten gedreht worden. „Und davon abgesehen handelt es sich immer noch um eine Kirmes und nicht um ein Schachturnier. Der Lärm ist nicht das, was die Deutzerinnen und Deutzer stört“, sagt Wilhelm Weiß.

Polizeiwagen stehen vor der Deutzer Kirmes.

Die Polizei war während der letztjährigen Osterkirmes in Deutz regelmäßig in einem Großaufgebot vor Ort.

Das erhöhte Sicherheitspersonal, neue Verkehrsregelungen und mehr Mülltonnen hätten laut des Deutzers während der letztjährigen Herbstkirmes schon erste Früchte getragen. „Es war nicht mehr so schlimm wie im Frühjahr“, sagt Weiß. Also könne er auch nicht wirklich verstehen, dass die Kirmes in diesem Jahr nun noch an 18 Tagen stattfindet.

„Ich würde mir einfach ein besseres Sicherheitskonzept wünschen. Es vielleicht so regeln, dass es nur ein oder zwei Eingänge gibt und die Menschen nicht aus allen Ecken auf das Gelände drauf können. Auf der Kirmes selber werden sie dann über Wege einmal herumgeführt und können nicht kreuz und quer laufen. Vielleicht können solche Gruppen voller Aggressoren dann gänzlich von hier ferngehalten werden, weil es sie abschreckt“, sagt der Anwohner.

In den Diskussionen rundum die Deutzer Kirmes gibt es bislang gefühlt nur Verlierer, angeführt von den Schaustellerinnen und Schaustellern. Ob Wilhelm Weiß das Volksfest an einem der 18 Tage besucht, ist laut eigenen Aussagen unter den momentanen Umständen mehr als fraglich. Dabei gehörte die Kirmes für ihn von Kindesbeinen an zu seinem Veedel.