„Total ungerecht“Corona-Soforthilfe: Kölner Friseurin ist entsetzt – und geht jetzt harten Schritt

Die Kölner FriseurinHeike Beckmann-Kuckhoff telefoniert in ihrem Salon.

Die Kölner Friseurin Heike Beckmann-Kuckhoff hat die Nase von der Corona-Soforthilfe gestrichen voll. Hier ist sie auf einem Foto am 13. Dezember 2020 zu sehen.

Die Friseurin Heike Beckmann-Kuckhoff hat Corona-Soforthilfe erhalten, soll aber 2000 Euro zurückzahlen. Dagegen hat sie nun Klage vor dem Kölner Verwaltungsgericht eingereicht.

von Madeline Jäger (mj)

„Ich sehe das nicht ein. Es ist total ungerecht“, sagt die Kölner Friseurin Heike Beckmann-Kuckhoff über die Rückzahlungsforderung der Corona-Soforthilfe gegenüber EXPRESS.de. Für die Selbstständige ist die Sache klar: „Die Verwaltung hat sich das so herausgepickt, wie es ihnen gepasst hat.“ Viele wichtige Ausgaben seien ihr nicht angerechnet worden.

Schlimm findet die Chefin von „Kölnschnitt“, dass die privaten Lebenshaltungskosten nicht angerechnet worden seien. Sie selbst habe ihre Corona-Soforthilfe aber ohnehin erst beantragt, als der Passus nicht mehr in den Bedingungen für die Hilfen gestanden habe. „Zum Glück hatte ich einen Mann, der mich unterstützen konnte. So musste ich nicht nur von Luft und Liebe leben“, schildert Beckmann-Kuckhoff.

Von den erhaltenen 9000 Euro sollte sie 2000 Euro zurückzahlen. Doch das Geld ist weg, teilweise hat sie sich bei Bekannten etwas geliehen, was sie zurückzahlen muss. Also hat Heike Beckmann-Kuckhoff am 16. Januar 2022 Klage eingereicht. Fakt ist, dass sie mit ihrem Ärger rund um die Schlussbescheide der Corona-Soforthilfe ganz und gar nicht alleine dasteht.

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Kölner Gericht: 402 Klagen gegen Corona-Soforthilfe-Schlussbescheide

Insgesamt sind 124.000 Anträge auf Corona-Soforthilfe im Regierungsbezirk Köln bewilligt worden. Bis zum 20. Dezember 2021 wurden jedoch die unbeliebten Rückzahlungsaufforderungen an Corona-Soforthilfe-Empfänger in Köln verschickt und beim Verwaltungsgericht ging es rund. „Wir haben einen erheblichen Eingang von Klagen bei der zuständigen Kammer festgestellt“, schildert Michael Ott, Pressesprecher vom Verwaltungsgericht Köln gegenüber EXPRESS.de.

Schon nach den ersten beiden Januar-Tagen seien über 100 Klageschriften gegen die sogenannten „Schlussbescheide“ eingegangen. Mittlerweile seien sogar 402 Klagen bei der Behörde dokumentiert.

Kölner Verwaltungsgericht: Die meisten Betroffenen sollen 7000 Euro zurückzahlen

Auch wenn die Rückzahlungsfrist vom Land NRW am 25. Januar 2022 bis Juni 2023 verlängert wurde, war der Ärger über die Schlussbescheide offensichtlich bis dahin schon groß genug. „In den meisten Fällen ist es so, dass die Betroffenen erst einmal 9000 Euro ausgezahlt bekommen haben und ein Liquiditätsengpass von 2000 Euro festgestellt worden ist“, erklärt Ott weiter. Bei den meisten Verfahren würde es dementsprechend um die Rückzahlung von 7000 Euro gehen. Warum man in einer signifikanten Anzahl von Fällen auf diese Summe gekommen ist, könnte man nicht sagen.

Viele Kläger und Klägerinnen würden sich in ihren Klagen darauf beziehen, dass in NRW zeitweise politisch kommuniziert wurde, dass man die Corona-Soforthilfe auch für den privaten Lebensunterhalt nutzen könnte. Diesen Aspekt bei den Hilfen sieht auch Reiner Hermann mehr als kritisch. Die Kölner Friseurin Heike Beckmann-Kuckhoff steht mit ihm seit Monaten in Kontakt. Reiner Hermann vereint mehr als 9000 Mitglieder in der Facebook-Gruppe „IG NRW-Soforthilfe“.

Die Gruppenmitglieder zahlen eine bestimmte Summe, aktuell mindestens 70 Euro und erhalten dafür Unterstützung und eine professionelle juristische Anleitung dazu, wie man zum Beispiel eine Klageschrift ordnungsgemäß verfasst.

Kölner Friseurin bekam Hilfe über Facebook-Gruppe von Aktivist aus Düsseldorf

„Unser Ziel ist nicht, die Behörden oder Gerichte zu blockieren. Wir möchten vor allem faire Raten erreichen und, dass die Empfänger abrechnen können, was ihnen zugesagt wurde“, fordert Hermann. Viele der Rückzahlungssummen, die aktuell von den Behörden festgelegt wurden, seien nicht fair berechnet, findet der Aktivist.

Oft sei der sogenannte „Liquiditätsengpass“, also die Dauer der Zahlungsunfähigkeit, nicht angemessen berücksichtigt worden. Der Unternehmensberater war 2020 selbst auf die Corona-Soforthilfe angewiesen und hat sich daher gleich zu Anfang mit der Materie auseinandergesetzt. Jurist ist er nicht, hat sich aber mit Experten zusammengetan, auch mit seinem Freund und IT-Experten Mark Schürmann. Mit ihm hat er die Facebook-Gruppe 2020 ins Leben gerufen, um möglichst vielen Antragsstellern zu helfen, weil sich bei ihnen selbst viele Fragen zur Corona-Hilfe ergeben hatten.

IG NRW-Soforthilfe: „Manche verharren regelrecht in Todesangst“

„Seit Juli 2020 sind wir regelrecht überrannt worden und hunderte von Personen aus ganz NRW sind der Gruppe täglich beigetreten“, erklärt der Aktivist. Innerhalb der Facebook-Gruppe sind die Betroffenen aktuell nicht nur unzufrieden mit der Corona-Hilfe, einige seien auch extrem verzweifelt und nicht nur in finanzielle Nöte geraten.

„Manche verharren regelrecht in Todesangst und wissen nicht mehr weiter. Wir haben in der Gruppe drei ungeklärte Todesfälle“, schildert Hermann. Er will weiterkämpfen und auch die Kölner Friseurin weiterhin unterstützen. „Der Kampf ist noch lange nicht verloren, sondern fängt gerade erst an“, so Herrmann.