Veedels-Hilfe„Wir sind für Euch da!“ Diese Kölner bringen Licht ins Corona-Dunkel

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Verschenken Lebensmittel: Guido Frankenberg und Thomas Mick von der „Kölsch-Kultur“

Köln – Wie soll dat nur wigger jon? Seit Tagen überschlagen sich die Ereignisse, immer neue Hiobsbotschaften sorgen für Verunsicherung, viele Berufstätige haben Existenzängste.

Corona in Köln: Viele Menschen helfen in der Krise anderen

Doch es gibt in Zeiten der Corona-Krise auch viele Beispiele, die von Zusammenhalt, Hilfe und Zuversicht zeugen. EXPRESS stellt Kölner vor, die in ihren Veedeln gerade jetzt eine wichtige Funktionen erfüllen. Angefangen von täglichen Versorgern wie Imbiss-Betreiber oder Kiosk-Besitzer. Auch sie gehören zu den guten Geistern im Veedel, ebenso wie Straßenmusiker oder Kölner, die sich im Netz zusammengeschlossen haben, um Bedürftigen kostenlos und aufopferungsvoll zu helfen.

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Carla Mombartz (19) hat mit ihrer Corona-Hilfe innerhalb weniger Tage mehr als 150 Freiwillige mobilisiert.

„Wir haben nach den Schulschließungen nicht so viel zu tun und möchten nützlich sein“, sagte sich Carla Mombartz (19). Die Kölnerin vernetzt mit der Initiative „Zusammen gegen Corona“ Menschen, die helfen wollen und können. Sie bieten Einkaufshilfen und Kinderbetreuungen an. Dafür schrieb Carla zunächst ein Flugblatt, das sie in Köln verteilte.

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Neben Betroffenen hätten sich innerhalb weniger Tage auch 150 Helfer gemeldet, darunter vor allem Schüler. Gemeinsam gegen Corona - nach dieser Devise gibt es derzeit in Köln viele Solidaritätsaktionen, wie etwa die Facebook-Gruppe „#CoronaHilfe Gruppe Köln“. Auch die Vermittlungsagentur des Caritasverbandes hat eine Hilfs-Hotline eingerichtet: 02 21/56 95 78 16. Carla Mombartz und ihr Team haben inzwischen „Stadtteilleiter“, die dann die freiwilligen Helfer im jeweiligen Bezirk koordinieren. Die Initiative ist per Mail erreichbar unter zusammen.gegen.corona@gmail.com

Kölsch-Kultur in Köln-Klettenberg verschenkt Lebensmittel

Auch die Veedels-Kneipe „Kölsch-Kultur“ in Klettenberg ist dicht. Doch wohin mit den vielen Vorräten? Chef Thomas Mick wollte verhindern, dass die Ware verdirbt. Daher hatte er spontan zur Essens- und Lebensmittelausgabe geladen: Jeder konnte einen Vorrat mit frischen Lebensmitteln für ungefähr zwei Tage bekommen. Auch zwei warme Gerichte bekamen sie Kölner mit auf den Weg. Eine ähnliche Aktion führen auch die Betreiber des benachbarten „ABS“ durch.

„Wir stellen eine Spendenbox auf. Wer etwas reinwerfen will, kann das gerne tun, aber in erster Linie geht es darum: Leute, bevor ich es in den Mülleimer schmeiße, kommt vorbei und bringt Eure Tupperware mit“, sagt Mick. Und noch ein Anliegen hat er: „Nehmt Euch noch mal etwas Gutes zu essen mit und behaltet uns für die nächsten fünf Wochen in guter Erinnerung“. Man habe dem Veedel noch mal sagen wollen: „Tschö zusammen.“ Bis es dann irgendwann hoffentlich weitergehe.

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Gyros satt: Nikos Tsoukalas hat seinen Imbiss wieder geöffnet.

Die Verunsicherung war erst so groß, dass Nikos Tsoukalas seinen Mythos-Grill kurzerhand dichtmachte. Jetzt hat er wieder geöffnet, denn er weiß: „Für viele hier in Zollstock haben wir eine wichtige Versorgungsfunktion.“ Und so gibt es nun wieder „Gyros satt“ - auch für Vegetarier hat der Grieche Gerichte, die seit dem Erlass der Stadt nur noch zum Mitnehmen sind. „Klar haben wir Umsatzeinbußen, aber irgendwie muss es ja weitergehen.“

„Gyros und Döner satt“ in den Kölner Veedeln

So denkt man auch beim „Planet Oriental“ am Friesenplatz. Essen im Restaurant ist nicht mehr möglich, aber nach wie vor gibt es Döner und Co. bei Chef Kazim Demirbas. Auch viele klassische Restaurants sind jetzt zu „Take-away“-Betrieben geworden.

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Döner-Kunde Hakan (37) holt sich sein Essen bei Husniye Demirbas (58) ab.

Gespenstische Stille in der Severinstraße? Nein, man hört fröhliche Klänge aus dem Leierkasten von Wolfgang Reich. Der Musiker will die Fußgänger mit seiner positiven Musik auf andere Gedanken bringen. In diesen Zeiten sei es wichtig, sich gegenseitig abzulenken und Zuversicht in den Vordergrund zu stellen, so Reich.

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Wolfgang Reich sorgt als Straßenmusiker für Stimmung im Veedel.

Immer wieder kommt er kurz mit Passanten ins Gespräch und hat für jeden ein gutes Wort auf den Lippen. Angst hat er nicht, obgleich er auf den wichtigen Abstand zu den Passanten achtet. Der Musiker sagt: „Die Leute sollen den Kopf nicht hängen lassen – sie sollen leben!“ 

Nicole Czernohorsky (31) steht allein hinter dem Tresen ihrer Mauel-Filiale an der Goltsteinstraße in Bayenthal. Seit sechs Jahren betreibt sie mit Michael Lewandowitz die Veedelsbäckerei. Zeiten wie diese habe sie noch nie erlebt.

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Nicole Czernohorsky (31) steht allein hinter dem Tresen ihrer Mauel-Filiale in Bayenthal.

„Die Stimmung unter den Kunden ist schon angespannt und gedrückt.“ Trotzdem bringt sie sie mit ein paar freundlichen Worten zum Lächeln. Und für die Kinder gibt’s einen frisch gebackenen Gratis-Keks. Um sich und die Kunden vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen, trägt Czernohorsky Handschuhe, auf den Mindestabstand wird geachtet.

Corona: Am Kölner Büdchen gibt es noch Klopapier

Als Versorger-Betrieb erfüllen jetzt Kioskläden und Büdchen für Verbraucher eine wichtige Aufgabe. Hier bekommen gerade ältere Mitbürger nicht nur ihre Zeitschriften und Zigaretten-Ration, sondern auch ein gutes Wort zu hören.

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Büdchen-Mann Bekir Tanriverdi trotzt der Corona-Krise.

Kiosk-Besitzer Bekir Tanriverdi in der Südstadt bemerkt zwar seit zwei Wochen, dass weniger Kundschaft zu ihm kommt. Doch die Kunden, die ihn aufsuchen sind mehr als froh, dass er da ist. Soziale Kontakte sollen in der Corona-Krise zwar eingeschränkt werden, doch das kurze Gespräch und der Austausch im Büdchen sind gerade älteren Kunden nun besonders wichtig.

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Im Büdchen von Emre (25) gibt es sogar noch Klopapier...

Das bemerkt auch Büdchen-Chef Mahmut Aghakhani, der seinen Laden schon seit 26 Jahren an der Severinstraße führt. „Die Leute haben Angst, gerade die Älteren“, berichtet er. Trotz erheblicher Umsatzeinbußen will er mit seinem Büdchen weitermachen, denn ihm geht es um mehr. „Ich habe keine Angst, ich kann meine Kunden aufheitern und das macht mir Spaß“, erklärt Mahmut Aghakhani.

Am Hohenzollernring versorgt „Backiosk“-Chef Emre (25) das Veedel: Er hat sogar noch Klopapier... Bei ihm gibt es außerdem Shampoo, Haargel, Regenschirme, Briefmarken. Bis 1 Uhr nachts hat er geöffnet. Wer was vergessen hat – bei ihm gibt es fast alles.

Den Büdchen-Besuchern geht es vor allem um das Gespräch – eine Währung, die aktuell in ganz Köln wertvoller geworden ist als Bargeld.

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Taxi17-Fahrer Rolf Schneider (55) bringt Kunde Herbert Bilstein in Vogelsang die Lebensmittel.

Auch beim Kölner Taxiunternehmen Taxi 17 hat man sich auf die Corona-Krise eingestellt. Geschäftsführer Alexander Tritschkow: „Wir verzeichnen natürlich einen Rückgang bei den berufsbedingten Auftragsfahrten. Daher bieten wir nun den Kunden den Einkaufsservice an.“ Bedeutet, die Zentrale nimmt die Warenbestellung entgegen und ordert dann die Bestellung im Supermarkt. Teilweise gehen die Fahrer auch selbst mal die eine oder andere Besorgung machen.

Taxi 17 in Köln: Fahrdienste für bedürftige Kölner 

Ein Kunde: Herbert Bilstein (71), der im Rollstuhl sitzt. „Ich bin froh, dass es diesen Einkaufsservice gibt. Viele Kölner wie ich können oder wollen jetzt gar nicht in den Supermarkt.“ Natürlich weiß Tritschkow, dass nicht jeder Kölner eine teure Fahrt bezahlen kann. „Wir machen das alles unterhalb des normalen Tarifs, damit sich das auch Menschen mit kleinem Geldbeutel leisten können.“