„Adolf, darf ich?“Mythos Beckers Schmal (†46): Auf ihn hörte das Kölner Milieu

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Illustre Gesellschaft in den Miljö-Zeiten der 80er: Dieter Becker (r.) mit dem legendärem Indianer Akki (l.) aus Frankfurt und Szenegröße namens Bambel.

von Markus Krücken (krue)

Köln – TV-Dokumentationen, Bücher wie „Wenn es Nacht wird in Köln“: Das berüchtigte Kölner Milieu der 70er und 80er Jahre wird in den letzten Jahren wieder geradezu modern.

Die einen halten die Protagonisten von einst wie Schäfers Nas für Haudegen mit Ganovenehre, viele empören sich, wenn die heute noch lebenden Gestalten wie „Zementkopp“ auf der Straße jubelnd erkannt werden und sogar Autogramme geben.

Fest steht eins: Das seinerzeit so genannte Chicago am Rhein“ lässt bis heute niemanden kalt. Auf EXPRESS.de erinnern wir zum Jahresende mit Anekdoten an die polarisierende, wilde Vergangenheit ...

Alex Haag kann berichten, wie es war. Denn als Jugendlicher lernte der heutige Wirt des Südstadtlokals Wirtz den heimlichen Boss des Milieus hautnah kennen.

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Wirtz-Wirt Alex Haag erlebte als Jugendlicher die Miljö-Originale und erinnert sich im EXPRESS.

Dieter Becker (✝46). Spitzname: Beckers Schmal, galt als Lieblings-Kneipier und Beichtvater der Luden. Er war Präsident der legendären Zuhälter-Fußballmannschaft FC Johnny, bei der auch FC-Weltmeister Heinz Flohe mitspielte, war Inhaber des Szene-Treffpunkts Klein Köln und verkehrte stets privat bei Haags Vater Adolf als Stammgast im Wirtz.

Hier kommt seine Geschichte ...

Am Dienstag war immer sein Tag bei uns. Da saß er an Tisch 1. Also direkt an der Theke zum Essen. Bevor er dann anschließend zur Schicht in sein Klein Köln fuhr.

Ja, Beckers Schmal war Stammgast bei mingem Pap Adolf im Wirtz nahe der Vringsstroß. Jeden Dienstag saß er auf seinem Platz vor der Schicht und ließ es sich bei uns schmecken. Mein Vater und er, die beiden waren richtig dicke.

Das sollte sich auch an diesem einen Dienstagabend nicht ändern …

In Hawaii-Hemd und Jogginghose am Tresen

Beckers Dieter saß also da, der Laden war wie immer gut voll, als der Abend-Verkäufer auf seiner Runde durchs Vringsveedel bei uns reinkam. Er verteilte erst mal die Zeitungen, drehte so eine Runde und kam erst auf dem Rückweg zum Abkassieren wieder vorbei.

Beckers Dieter hatte sich an diesem Tag, sagen wir mal, sehr sommerlich angezogen. Mit einem opulenten Hawaii-Hemd und in Jogging-Butz saß er da am Tresen und, wie es so seine Gewohnheit war, hatte er ein ziemliches Bündel Geldscheine dabei und die er trug er in seiner Hemdtasche für jedermann sichtbar mit sich herum.

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Südstadt-Wirt Adolf Haag war Beckers Dieters Freund am Tresen.

Jedenfalls kommt der Zeitungs-Verkäufer zu ihm, Becker war in die Zeitung vertieft, und stupst ihn ziemlich früh an. Einziges Wort: Geld!

Als Dieter ihm antworte: Mal langsam, Junge und in seine Tasche greifen wollte, riss ihm plötzlich der Zeitungs-Verkäufer die Zeitung unter der Nase weg. Das fand der Schmal natürlich gar nicht so witzig.

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Box-Fan Dieter im Ring.

Er lehnte sich nach vorne, schaute hinter die Theke und sah zu meinem Vater rüber. Der hatte das natürlich auch mitgekriegt. „Adolf. Darf ich?“ - mein Vater antwortete: „Ich han nix jesinn, Schmal…“

Beckers Dieter: K.O. wie im Bud-Spencer-Film

Noch bevor der Verkäufer sich hatte abwenden können, kassierte er aus dem Stegreif vom Schmal so einen K.O., wie ich ihn selten gesehen habe. Wie in einem Bud-Spencer-Film. Er hob wirklich ab, flog locker eineinhalb Meter durch den Saal und landete unter einem Tisch. Der hat die Vöglein zwitschern hören. Der Batzen Zeitungen lag im Laden verteilt.

Es war das einzige Mal in all den Jahren, dass ich eine Handgreiflichkeit im Wirtz erlebte. Aber es war auch das einzige Mal, dass ein Zeitungs-Verkäufer für die nächsten 15 Jahre unser Lokal betreten sollte.

Dem Schmal wars egal. Und meinem Vater auch ...