Interview

Formel 1 im CheckRTL-Experte Danner glaubt: „Ferrari ist der erste Verstappen-Verfolger“

Charles Leclerc läuft im Ferrari-Outfit durch die Boxengasse.

Charles Leclerc, hier am 23. Februar 2024 bei den Tests der Formel 1 in Bahrain, hofft mit Ferrari auf eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr.

Die neue Saison der Formel 1 steht in den Startlöchern, am ersten Märzwochenende leuchten die Ampeln wieder auf Grün. RTL-Experte Christian Danner wirft einen Blick auf das neue Motorsport-Jahr.

von Oliver Reuter (reu)

Der Countdown läuft. Nur noch wenige Tage bis zum Formel-1-Start in Bahrain (Samstag, 2. März 2024, 16 Uhr, RTL & Sky).

Nach den Testfahrten vergangene Woche ist die große Frage, ob Weltmeister Max Verstappen (26) wieder mit einem Start-Ziel-Sieg zum vierten Titel in Folge rast oder wer ihn aufhalten kann. Darüber sprach Express.de mit RTL-Experte Christian Danner (65). Hereinspaziert zum Danner-TÜV!

Christian Danner beeindruckt von Verstappen und Red Bull

Ist Ihnen beim Test irgendein Auto aufgefallen, das Max Verstappen vom Titelgewinn abhalten kann?

Alles zum Thema Charles Leclerc

Christian Danner: Das ist natürlich die entscheidende Frage. Das, was ich da gesehen habe, ist, dass alle entwickelt haben wie verrückt und auch Fortschritte gemacht haben, aber unterm Strich ist alles gleich. Der Verstappen fährt 'ne halbe Sekunde schneller als der Rest des Feldes. Und das ist schon eigenartig. Denn es ist schon schwierig, seinen technischen Vorsprung nicht nur zu behalten, sondern auszubauen, weil die Latte ja schon so hoch liegt innerhalb eines stabilen Reglements. Der ganze Pack dahinter, also Ferrari, Mercedes, McLaren und mit Abstrichen Aston Martin sind besser geworden, aber Verstappen bleibt seine eigene Liga. Auch der Perez ist nur ein Verfolger, weil er mit dem Red Bull nicht so schnell fahren kann wie der Verstappen.

Fernando Alonso hat erstaunt festgestellt, dass Red Bull nicht nur das Auto verfeinert hat, sondern mit den schmalen Seitenkästen sogar ein Wagnis eingegangen ist.

Christian Danner: Du brauchst für den Motor und die Nebenaggregate schon eine gewisse Kühlung, aber die Seitenkästen sind natürlich auch so etwas wie ein Bremsfallschirm. Deshalb wollen die Aerodynamiker die Kühler natürlich immer kleiner gestalten, so weit, bis der Motorenmann sagt: Stopp, kleiner geht nicht mehr, sonst überhitze ich! Die kleinen Schlitze bei Red Bull sind mutig, aber es ist offensichtlich ein sehr effizientes Kühlsystem. Die Luft, die in den Kühler reingeht, geht unterhalb der Haut des Autos entlang und hinten wieder raus, und zwar ohne Energieverlust. Damit hast du grundsätzlich das Verhältnis zwischen Luftwiderstand und Abtrieb, was ja das A und O ist, deutlich verbessert. Das ist schon eine Kunst.

Mercedes ist am No-Sidepod-Konzept gescheitert und zum klassischen Seitenkasten zurückgekehrt.

Christian Danner: Richtig, die haben es nicht hingekriegt. Man muss bedenken, der Verstappen ist beim Test fast 140 Runden am Stück gefahren. Und das war nicht in Silverstone, sondern in Bahrain mit 25 Grad. Also da muss ich schon sagen: großes Kompliment an Red Bull. Das haben sie schon unglaublich gut hingekriegt. Und ich garantiere Ihnen: Da haben sich die anderen die Augen gerieben, als sie das gesehen haben. Ich hoffe nur, dass es auch bei 40 Grad noch genauso gut kühlt.

Das erste Mal in der Geschichte keine Wechsel

Formel 1: Die Fahrerpaarungen für die Saison 2024

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Heiß sind auch die Gerüchte um die Intimfoto-Affäre von Teamchef Christian Horner. Glauben Sie, dass Ford so viel Druck macht, dass er noch vorm WM-Start gehen muss?

Christian Danner: Ich gehe davon aus, dass Red Bull das klärt und Transparenz schafft, sodass man ohne Belastung in die Saison starten kann.

Christian Danner sieht Ferrari in der Formel 1 in Lauerstellung

Wer ist der erste Verfolger? Ferrari hat sich immerhin am letzten Testtag mit Bestzeiten hervorgetan.

Christian Danner: Die Bestzeiten wurden aber auf anderen Reifen gefahren, vergessen Sie es! Dennoch ist der Ferrari auf jeden Fall gemeinsam mit Mercedes erster Verfolger. Ein ganz klein bisschen schneller als der Aston Martin und der McLaren. Das ist jetzt im Test so gewesen und wird auch im Rennen so sein. Aber das kann sich schon im zweiten Rennen in Jeddah wieder ändern, denn da geht es mehr geradeaus. Ich glaube, die Möglichkeit der Race-Ability, also mit dem Auto hart Rennen und am Limit zu fahren, ist sowohl bei Ferrari als auch Mercedes deutlich verbessert. Und damit können sie über die Renndistanz mehr Druck auf Verstappen machen als letztes Jahr, als sie entweder mit dem Reifen in die Knie gingen oder der Fahrer vor lauter Gegenlenken gar nicht mehr wusste, was er machen soll. Sie sind schon ein ernstzunehmender Gegner für Verstappen, der wird nicht mit dem Finger in der Nase zum Titel fahren.

Christian Danner, ehemaliger Rennfahrer, beim DTM-Lauf auf dem Norisring als TV-Experten.

Christian Danner wird die Formel 1 in der neuen Saison wieder am Mikrofon von RTL begleiten.

Dafür dürfen sich Charles Leclerc und Carlos Sainz aber nicht ins Auto fahren, weil Sainz in seinem letzten Ferrari-Jahr nichts mehr zu verlieren hat. Kann Teamchef Fred Vasseur das managen?

Christian Danner: Das hat Sainz schon beim Test gezeigt, dass er ganz klar darauf fokussiert ist, den Leclerc zu schlagen. Ob dem Vasseur das gelingt, das in den Griff zu kriegen, da bin ich mir nicht ganz sicher. Was hat er denn für eine Handhabe? Das wird eine schwierige Angelegenheit. Und zwar noch schwieriger, als sie Lewis Hamilton bei Mercedes mit George Russell hat. Der Sainz fährt für seine Zukunft und ist ja auch ein Kandidat für Mercedes.

Da muss Russell den scheidenden Hamilton schlagen, um Ansprüche aufs Kapitänsamt zu erheben, oder?

Christian Danner: Na logisch. Sonst sagen die sich: Jetzt brauchen wir doch wieder einen Nummer-eins-Fahrer und müssen irgendwie den Verstappen loseisen. Ich bin ja so gespannt, wie der Toto Wolff da rangeht. Er hat alle Zeit der Welt, den besten Griff zu machen, den er für richtig hält.

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Tut sich Wolff Alonso an, der für seine politischen Spielchen bei früheren Teams berüchtigt ist?

Christian Danner: Na logisch schaut er sich den an. Du musst da mit einem Pragmatismus rangehen und sagen: Ich nehme den Besten, den ich kriegen kann und der deinem Anforderungskatalog entspricht.

Fährt Nico Hülkenberg wieder hinten im Feld um die goldene Ananas oder gibt es Hoffnung auf Punkte?

Christian Danner: Nein, diese Hoffnung darf man den Fans nicht machen. Der neue Teamchef Ayao Komatsu hat es ja sehr diplomatisch ausgedrückt. Wir sind zumindest jetzt in einer Position, wo wir mal mit ein, zwei Teams kämpfen können. Der hofft natürlich, dass er irgendwie an den Sauber rankommt oder den Alpine, der offensichtlich auch noch nicht so richtig in die Spur kam.

Wie sind die Chancen für Mick Schumacher auf ein F1-Cockpit 2025 bei Mercedes oder Alpine, für die er am Wochenende erstmals in der Langstrecken-WM fährt?

Christian Danner: Ich drücke ihm sehr die Daumen, dass er sich in der WEC bewähren kann. Weil bei Alpine kann ich mir schon vorstellen, dass er da um einen Platz kämpfen kann. Für den Fall, dass ein Esteban Ocon oder Pierre Gasly da nächstes Jahr nicht mehr fahren. Aber da geht es um die Formel 1 und dafür hat Alpine ja noch eigene Nachwuchsfahrer wie Jack Doohan. Erstmal muss Mick jetzt im Langstreckensport Leistungen zeigen und da bin ich gespannt, wie er sich in Doha schlägt.