Über dieses Derby wird noch lange gesprochen. Der Fan-Boykott sorgt für Ärger und Diskussionen. Philipp Türoff und Kevin Brandenburg vom 1. FC Köln erklären, wie sich zukünftig solche Situationen verhindern lassen.
„Nerven bewahren“FC-Boss über Reul und Problemfans – wird Gladbach überholt?

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Kevin Brandenburg, Bereichsleiter Fußball- und Fankultur, und FC-Geschäftsführer Philipp Türoff im Gespräch.
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Das rheinische Duell zwischen dem 1. FC Köln und Bayer Leverkusen hat zuletzt bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Vor dem Spiel zogen knapp 600 Kölner Ultras ab, verließen frustriert, wütend und entsetzt über die in ihren Augen unrechtmäßigen Kontrollen der Polizei die BayArena. Aus Solidarität packten wenig später auch große Teile der Leverkusen-Ultras ihre Sachen und verließen das Stadion. Ohne Fans war dann wenig los, das Spiel wurde zum Trostlos-Derby!
Im Interview mit EXPRESS.de sprechen Kevin Brandenburg, Bereichsleiter Fußball- und Fankultur, und FC-Geschäftsführer Philipp Türoff über den Ultra-Boykott in Leverkusen, den Dialog mit Fans und Behörden und den Austausch mit der Politik.
„Am Ende wollen alle ein sicheres Fußball-Erlebnis“
Zuletzt hatte man das Gefühl, dass sich die Stimmung zwischen Ultras und Polizei hochschaukelt. Beim Spiel in Leverkusen sind knapp 600 Kölner Ultras abgezogen, weil es Nacktkontrollen gegeben haben soll, was die Polizei dementiert hat. Wie können Sie als Verein verhindern, dass es nochmals zu solchen Szenen kommt?
Philipp Türoff: Wir können nur nah dran sein, um dann wirklich nachzuvollziehen, was tatsächlich vorgefallen ist. Mit nah dran sein, meine ich nicht nur die Situation, in der etwas passiert. Wir wollen vielmehr immer nah an allen Interessengruppen sein, um immer möglichst schnell zu verstehen, was die Ursache sein könnte, wenn sich etwas hochschaukelt.
Heißt: Sie sind nah dran an den Ultras, der Polizei und den Sicherheitsdiensten?
Türoff: Ja, da ist vor allem die Kommunikation wichtig. Es geht darum, Dinge auszuräumen und aufzuklären. Aber im Umfeld eines Spiels kann es immer wieder zu Vorfällen kommen. Da müssen wir die Nerven bewahren, denn wir haben eine große Verantwortung. Immer richtig zu reagieren, ist eine große Herausforderung.
Kevin Brandenburg: Wir sprechen da immer vom Dialog, den wir fördern wollen. Der funktioniert nicht nur in Richtung der Fans, sondern auch in Richtung der Behörden. Wir versuchen intensiv in alle Richtungen, Verständnis zu schaffen und die Lage zu versachlichen. Am Ende wollen wir alle ein stimmungsvolles und sicheres Fußball-Erlebnis haben.
Kevin Brandenburg, wie kann man sich einen Spieltag aus Ihrer Sicht vorstellen? Wie war es beispielsweise in Leverkusen?
Brandenburg: Ich bin ja nicht alleine, sondern habe ein Team, was mit den Fangruppen unterwegs und ganz nah dran ist. Bei ausgewählten Spielen, die risikoreicher sind, bin ich ebenfalls eng dabei. Ich habe beispielsweise in Leverkusen gesehen, wie der betroffene Fan rausgezogen wurde. Ich habe dann auch versucht, mit zur Kontrolle zu gehen. Aber die Polizei hat eine Berechtigung, das zu untersagen. In dem Moment war ich dann also raus, was auch völlig rechtens ist.
Wie ging es dann weiter?
Brandenburg: Als die Fans gesagt haben, dass sie rausgehen, entstand eine Drucksituation. Die warten ja nicht auf alle. Leverkusen musste dann auf die Schnelle ein neues Sicherheitskonzept für den Abgang der Fans entwerfen. Ich war parallel in enger Kommunikation mit Bayer Leverkusen und meinen Mitarbeitern sowie Kollegen aus dem Bereich Sicherheit, die unmittelbar bei den Fans bzw. in der Situation waren. Es gilt in solchen Momenten, Ruhe auszustrahlen und zwischen den beteiligten Parteien zu vermitteln.
Hat ihr Wort Gewicht in der Ultra-Szene?
Brandenburg: Ich bin immer noch Vereinsvertreter, als der werde ich auch gesehen. Und das ist auch gut so. Es geht dabei auch nicht darum, dass sich irgendwer etwas von mir sagen lässt, sondern um ein Vertrauensverhältnis. Ich würde schon sagen, dass mir ein Vertrauen entgegengebracht wird. Wenn ich dann mitteile, dass wir an einer Situation arbeiten, wird darauf vertraut und wir haben etwas mehr Zeit und Verständnis, um Dinge zu klären.
Von der Politik wurde im Vorfeld der Innenministerkonferenz mit populistischen Aussagen davor gewarnt, dass Fußballspiele total unsicher sind. Rund um viele Spiele hat man das Gefühl, dass es um die nationale Sicherheit geht. Hunderte Polizisten, Wasserwerfer oder Reiterstaffeln sind im Einsatz. Könnte man das Aufgebot nicht auch etwas zurückfahren? Oder eskaliert es dann?
Türoff: Auf längere Sicht ist das Thema Deeskalation natürlich immer präsent. Ich bin immer mit Vertretern der Polizei und weiteren Sicherheitsträgern auf den verschiedensten Ebenen im Austausch. Auch da ist Deeskalation ein riesiges Thema. Es wird versucht, je nach Sicherheitsrisiko der jeweiligen Partie entsprechende Maßnahmen zu treffen.
Sind Spiele denn wirklich so gefährlich oder ist vieles, was von der Politik kommt, nur populistisch?
Türoff: Es gibt schon mal einzelne Situationen, in der ein Thema kommunikativ in einer Art und Weise gespielt wird, wo man sich fragt: Muss das jetzt sein? Was ist das für eine Reaktion und worauf erfolgt sie? Meistens ist es im Gesamtblick komplexer. Aber grundsätzlich sind unsere Partner auf Deeskalation ausgerichtet.
Läuft der Austausch also gut?
Türoff: Ja, das muss ich für unseren Standort deutlich sagen! Mit der Kölner Polizei läuft es sehr gut. Die Beamten wollen nah dran sein, wollen verstehen und nehmen auch mal andere Perspektiven ein. Sie gehen insgesamt sehr gut mit dem 1. FC Köln um. Aber es kann immer zu einzelnen Situationen kommen, die auch mal anders interpretiert werden. Ich habe viel Vertrauen in die Polizei, wenn man an einer Stelle Aufklärung betreiben muss, dann bekommt man auch ehrliche Antworten. Da wird nichts aufgebauscht. Ich erlebe Partner, die vernünftige Maßnahmen einsetzen und an einer nachhaltigen sowie vernünftigen Beziehung interessiert sind.
Türoff lobt Austausch mit NRW-Innenminister Reul
Philipp Türoff, Sie waren zuletzt auch bei NRW-Innenminister Herbert Reul zu Gast. Wie war ihr Eindruck?
Türoff: Ich war nicht zum ersten Mal bei Herrn Reul. Ich finde, mit ihm kann man sehr gut sprechen und arbeiten. Er steht klar für bestimmte Dinge und äußert sich auch klar. Aber man kommt auch zu Wort, um eine andere Perspektive unterzubringen. Er hat viel Erfahrung – wenn er Maßnahmen vorschlägt, denkt er immer drei, vier Schritte weiter. Er packt Probleme an und dabei muss man sich in den Dialog trauen und so einwirken, dass insgesamt etwas Vernünftiges dabei herauskommt.
Kategorie A sind friedliche Fans, B sind gewaltbereite Fans und C sind gewaltsuchende Fans. Haben Sie da Zahlen? Wie viele Fans aus Köln sind wirklich gewaltbereite Problemfans? Und wie viele Ultras mit Stadionverboten gibt es aktuell?
Brandenburg: Die Bewertung, wie viele A-, B-, oder C-Kategorie-Fans es gibt, obliegt der Polizei, dazu können wir nichts sagen. Und was Stadionverbote angeht, gibt es auch keine Infos von uns, da es ein Datenschutz-Thema ist. Was ich aber sagen kann: Köln ist kein Standort, der eine unnötig lange Leine lässt. Wenn es berechtigt ist, dann gibt es auch ein Stadionverbot. Wichtig ist, dass wir jeden Fall genau betrachten, es gibt also kein Stadionverbot auf Zuruf. Im Regelfall kommt es dann auch zu einer gewissen Akzeptanz, wenn man es den Betroffenen erklärt, weil wir nah dran sind. Wir wollen erreichen, dass die Gegenseite unsere Position versteht. Aktuell fahren wir gut damit. Wir sind also weder ein Verein, der willkürlich Stadionverbote erteilt, noch schauen wir weg, wenn ein Durchgreifen erforderlich ist.
Gibt es in Köln noch eine Hooligan-Szene? Oder ist das komplett mit der Ultra-Szene vermischt?
Brandenburg: Es gibt noch die Jungs aus den 80er und 90er Jahren – die sterben ja nicht aus. Mittlerweile verwischt die Grenze, nicht nur in Köln, sondern bundesweit. Früher gab es eine klare Abspaltung. Der Hooliganismus hatte eine ganz andere Intention. Jetzt gibt es Ultras, die auffälliger sind, aber dennoch am Vereinsleben teilhaben und interessiert sind. Mitte der 90er Jahre hat sich die Ultraszene gebildet. Diese Gruppierung ist im Laufe der Jahre immer größer geworden und es kam sicher auch zu einer Vermischung.
Wie hat sich insgesamt die Fanszene in Köln entwickelt?
Brandenburg: Wir haben 1200 Fanklubs, vor ein paar Tagen erst haben wir den 1111. Fanklub gekürt. Es gab inzwischen aber weiteren Zuwachs. Das ist eine Zahl, die stolz macht – hier sind wir in Deutschland auf Champions-League-Niveau. Borussia Mönchengladbach hat auch ungefähr 1200 Fanklubs. Ich prognostiziere, dass wir sie im neuen Jahr überholen werden.
Haben Sie immer mehr Arbeit, wenn es immer mehr Mitglieder gibt?
Brandenburg: Es geht darum, die Fans zum Mitglied zu machen, denn die Mitgliedschaft ist das höchste Gut des Fan-Daseins. Dann untermauert man die höchste Bereitschaft, mit dem FC durch dick und dünn zu gehen. Da viele aus der älteren Generation schon Mitglieder sind, versuchen wir die jüngere Generation anzusprechen. Da nehme ich die Arbeit gerne auf, weil wir eine jüngere Zielgruppe für den Verein begeistern wollen.
Gibt es auch einen Wandel zu mehr weiblichen Mitgliedern?
Brandenburg: Das hoffen wir. Wir werden im neuen Jahr in meinem Bereich Fußball- und Fankultur eine Stelle schaffen, die den Fokus unter anderem auf den Frauenbereich legt. Da ist nochmal eine neue Zielgruppe, die sich für den FC begeistert. Wir haben schon eine gute Quote, was die Stadionbesuche angeht, aber die kann noch weiterwachsen.

