Beim FC spielt Cenk Özkacar noch nicht so regelmäßig, wie er es sich wünschen würde. In Köln fühlt er sich jedoch pudelwohl. Dabei stand seine Karriere schon früh auf der Kippe.
„Hat zu Streit geführt“Cenk lüftet trauriges Geheimnis

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Cenk Özkacar fühlt sich mit seiner Frau in Köln pudelwohl. Nun hofft der Leihspieler auf eine langfristiges Engagement beim FC.
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Er brennt darauf, langfristig von der Leine gelassen zu werden. Nach einem überzeugenden Startelf-Debüt im Pokal in Regensburg und einer ebenso guten Einwechslung in Mainz befindet sich Cenk Özkacar beim 1. FC Köln aktuell im Wartestand.
Nachdem er vier Spiele komplett von der Bank verfolgen musste, kam er in Hoffenheim immerhin mal wieder zu ein Kurzeinsatz. Im Interview mit EXPRESS.de spricht Cenk über seinen FC-Start, den Konkurrenzkampf auf seiner Position und eine mögliche Zukunft in Köln.
Cenk Özkacar: Seine Rückennummer ist eine Liebeserklärung
Herr Özkacar oder kann ich Cenk sagen – schließlich steht das auch auf Ihrem Trikot?
Cenk Özkacar: Ja, das stimmt. Ich denke, dass Cenk für die Leute in Deutschland einfacher auszusprechen ist als Özkacar (lacht). Ein weiterer Grund ist, dass es in der Türkei nicht üblich ist, seinen Nachnamen auf dem Trikot zu tragen. Ich habe also meine Profi-Karriere damit begonnen und es seitdem beibehalten.
Was hat es mit der Nummer 39 auf sich?
Cenk: Meine Frau wird sehr glücklich darüber sein, dass ich es erzähle. Denn die 39 steht auf türkischen Autokennzeichen für ihre Heimatstadt Kirklareli. Die 39 steht also für gute Dinge, die mir im Leben passiert sind. Es ist auch eine Liebeserklärung an sie.
Sie sind nun schon ein paar Monate beim FC. Wie verlief Ihr Start in Köln?
Cenk: Ich bin richtig glücklich, dass ich hier bin. Schon jetzt fühle ich mich so wohl wie auf keiner anderen meiner bisherigen Stationen. In Köln gibt es eine riesige türkische Community, meine Frau und ich fühlen uns fast wie zu Hause. Es fehlt uns an nichts hier. Wir bekommen hier alles aus der Heimat. Das hat es uns extrem leicht gemacht, sich einzugewöhnen.
Wie verbringen Sie Ihre Zeit in Köln abseits des Platzes?
Cenk: Wenn ich ehrlich bin, habe ich meistens keine Energie mehr, wenn ich vom Training nach Hause komme (lacht). Nein, im Ernst: Meine Frau und ich lieben es, die Stadt zu erkunden. Wir gehen sehr gerne essen und entdecken immer wieder neue Cafés oder Restaurants. Wir haben auch schon unser Lieblingslokal gefunden. Es ist das Hanedan in Mülheim, da waren wir schon einige Male.
Es ist Ihre sechste Saison in Europa. Was haben Sie in der Zeit gelernt – auf und neben dem Platz?
Cenk: Es ist in der Tat schon eine lange Zeit, die ich von zu Hause weg bin. Ich musste erstmal lernen, wie es ist, allein zu sein. Das war nicht immer leicht. Ich hatte zwar plötzlich alle Freiheiten, aber habe gleichzeitig auch meine Freunde und meine Familie vermisst. Jetzt lebe ich mit meiner Frau zusammen, die ich vor drei Monaten geheiratet habe. Ich bin froh, dass ich sie bei mir habe. Jetzt muss ich nicht mehr mit der Wand reden (lacht). Ich kann all meine Gedanken mit ihr teilen. Vorher war ich oft mit meinen Problemen allein. Sportlich habe ich gelernt, was es heißt, Profi-Fußballer zu sein. In Europa muss man immer bereit sein und darf keinen Deut nachlassen, sonst nimmt jemand anderes deinen Platz ein. Du brauchst immer 100-prozentigen Fokus und musst jeden Tag an dein Limit gehen. Wenn man das macht und sich für den Verein zerreißt, kann man sich den Respekt der Fans verdienen. Das habe ich auch in Köln vor.
Sie haben ihre Heimat bereits mit 19 verlassen. Wie schwer war dieser Schritt für Sie und Ihre Familie?
Cenk: Es war schon schwierig. In der Anfangszeit habe ich meine Eltern gar nicht gesehen, weil sie nicht die nötigen Papiere hatten, um mich in Frankreich zu besuchen. Das war hart für uns alle. Auf der anderen Seite ist mit dem Wechsel zu Lyon damals mein Traum Realität geworden. Es waren also gemischte Gefühle zu Beginn. Dann kam Corona und ich war plötzlich völlig isoliert. Sogar mein Berater konnte mich in der Zeit nicht besuchen. Unterm Strich habe ich meine Familie und meine Freunde in der Zeit fast zwei Jahre nicht gesehen. Man muss bedenken, ich war mit 19 noch ein Teenager, konnte die Sprache nicht und hatte niemanden um mich herum, der mir helfen konnte. Wenn ich heute daran denke, war es extrem hart für mich.
In der Jugend sollen Sie mal mit dem Gedanken gespielt haben, Ihre Karriere frühzeitig zu beenden. Wie kam es dazu?
Cenk: Ich war 17 Jahre alt und durfte als Jugendspieler mit meinem damaligen Verein Altay ins entscheidende Trainingslager vor der Saison. Im abschließenden Testspiel bin ich dann zum Einsatz gekommen und habe meiner Meinung nach eine gute Leistung gezeigt. Sogar mein Vater, der eigentlich mein größter Kritiker ist, fand den Auftritt gut. Danach habe ich also fest damit gerechnet, dass sie mir einen Profi-Vertrag anbieten würden. Stattdessen haben sie mir gesagt, dass ich mich zunächst weiter im Nachwuchs beweisen müsse. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Das hat dann zu Streit in meiner Familie geführt. Denn meine Mutter meinte, dass ich mich lieber auf die Schule und ein mögliches Studium konzentrieren solle, während mein Vater wollte, dass ich dranbleibe und meinen Traum verwirkliche.
Also ist es Ihrem Vater zu verdanken, dass Sie heute hier sitzen?
Cenk: Ich habe es nicht nur ihm zu verdanken, sondern auch einem früheren Jugendtrainer in der Akademie. Er hat mich angerufen, weil er davon gehört hatte, dass ich überlege, mit dem Fußball aufzuhören. Er sagte mir, dass ich unbedingt dranbleiben müsse und er sich sicher sei, dass ich es eines Tages schaffen werde. Ich habe zwei Wochen alles gemacht außer Fußball und dann wieder das Training aufgenommen. Ich habe danach härter denn je für meinen Traum gekämpft und bin ihm daher unglaublich dankbar, dass er mich vor einem voreiligen Schritt bewahrt hat. Er ist leider vor fünf Jahren verstorben. Es bricht mir das Herz, dass er nicht mehr miterleben konnte, was ich seitdem erreicht habe. Ich bin mir aber sicher, er wäre sehr stolz auf mich. Er wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben.
Olympique Lyon hat früh Ihr Talent erkannt. Warum haben Sie es dort letztlich nicht geschafft?
Cenk: Ich bin ehrlich, ich war damals nicht bereit dafür. Ich habe nicht wie ein Profi-Fußballer gelebt. Ich habe zu wenig auf meinen Körper geachtet, habe kaum Vor- und Nachbereitungen gemacht. Mir war damals nicht klar, dass ich das alles brauche, um Leistungen auf höchstem Niveau zu bringen. Das war naiv, aber ich kannte es aus der Türkei auch nicht. Ich habe also nur das Nötigste gemacht und das hat schlicht und ergreifend nicht gereicht. Lyon hat damals Champions League gespielt. Wir hatten großartige Spieler wie Memphis Depay, Ryan Cherki oder Lucas Paqueta, das war ein ganz anderes Level im Vergleich zur türkischen 2. Liga. Rückblickend kann man also sagen, dass der Sprung zu groß war.
Obwohl Ihnen der Durchbruch dort verwehrt blieb, hat Valencia für Sie fünf Millionen Euro bezahlt. Warum wurden Sie nun bereits zum zweiten Mal verliehen?
Cenk: Ich bin nach Valencia gegangen, als Gennaro Gattuso Trainer dort war. Ich mochte seine Art von Fußball und passte in meinen Augen auch in sein System. Er hat mir sein Vertrauen geschenkt und ich durfte unter ihm in meiner ersten Saison 23 Spiele machen. Ich konnte zeigen, dass ich auch auf höchstem Niveau gegen Barça, Real Madrid oder Atlético mithalten konnte. Der Verein hat das honoriert und die Kaufoption gezogen. Doch dann kam ein neuer Trainer mit neuen Ideen und plötzlich lief es nicht mehr so gut. Ich habe zwar immer noch regelmäßig gespielt, meine Leistungen waren aber nicht mehr so gut wie im Jahr davor. Daher entschied man, mich nach Valladolid auszuleihen. Dort habe ich mich leider nach zwei Spielen schwerer verletzt und später auch nicht mehr gespielt. Nach so einer schwierigen Saison war es dann nicht einfach wieder meinen Platz in Valencia zu finden. Daher war ich sehr glücklich, dass sich der FC bei mir gemeldet hat und mir diese Chance geboten hat.
Gab es einen Gegenspieler, der Sie besonders beeindruckt hat?
Cenk: Ganz klar: Karim Benzema von Real Madrid. Er ist ein unfassbar abgezockter Stürmer, der mit dir spielt und dir deine Konzentration raubt. Er hat mich an den Rand der Verzweiflung getrieben, weil er quasi nicht zu greifen ist. Ein kompletter Stürmer, der damals keine Schwächen hatte.
Sie haben in Ihrer jungen Karriere schon einige Klub-Wechsel hinter sich. Wie wichtig wäre es für Sie, wenn Sie mal bei einem Verein ankommen würden?
Cenk: Es ist für mich definitiv erstrebenswert. Ich rede oft mit meiner Frau darüber, dass ich gerne mal einige Jahre am Stück bei einem Klub spielen möchte. Ich habe die ständigen Umzüge satt und will mich auch nicht mehr jedes Jahr an eine neue Umgebung, an einen neuen Verein gewöhnen. Ich denke, hier in Köln habe ich jetzt die Möglichkeit, mir etwas aufzubauen. Der Verein hat eine Kaufoption und ich werde in den nächsten Monaten alles dafür tun, dass die Verantwortlichen diese auch ziehen werden.
Der Start verlief holprig. Im Pokal standen Sie in der Startelf, in Mainz wurden Sie dann noch eingewechselt, danach saßen Sie allerdings wochenlang auf der Bank. Haben sie eine Erklärung dafür?
Cenk: Ich kann die Frage nicht beantworten, habe das aber zu akzeptieren und muss dem Trainer Argumente liefern, dass er künftig wieder auf mich setzt. Das geht nur mit harter Arbeit und Lernwilligkeit. Denn ich bin mir ganz sicher, dass meine Zeit noch kommen wird. Bis dahin werde ich geduldig bleiben und das Team unterstützen. Denn über allem steht der Erfolg der Mannschaft. Ich werde weiter Gas geben und möchte dem Trainer die Entscheidung für das Wochenende so schwer wie möglich machen.
Wie sehen Sie die Konkurrenzsituation in der Abwehr?
Cenk: Wir haben sehr viel Qualität in der Abwehr, das muss man schon sagen. Es ist ein gesunder Konkurrenzkampf. Wir unterstützen uns gegenseitig und ich verstehe mich mit allen Jungs gut. Aber klar: Unter dem Strich will natürlich jeder von Beginn an spielen. Das gilt auch für mich.
Sie brauchen die Einsätze auch, um wieder für die Nationalmannschaft nominiert zu werden. Haben Sie die WM noch im Hinterkopf?
Cenk: Der Traum von der WM mit der Türkei lebt. Ich habe das Thema für mich längst nicht abgehakt. Ich stehe im Austausch mit Nationaltrainer Vincenzo Montella. Er verfolgt meinen Weg. Daher ist es umso wichtiger für mich, dass ich ans Spielen komme und kontinuierlich Leistung zeigen kann. Wenn ich das hier beim FC in den kommenden Wochen und Monaten unter Beweis stellen kann, werde ich auch bei der Nationalmannschaft wieder meine Chance bekommen.


